Weihnachtsmärkte sind genau genommen so überflüssig wie ein Kropf. Aufgebaut werden sie, wenn eigentlich noch kein Mensch an Weihnachten denkt oder man -wie ich- vor den Feiertagen einen derartigen Arbeitsaufriß zu bewältigen hat, daß alles stille-Nacht-mäßige geradezu hohnmäßig daher kommt. Lichtet sich das ganze Chaos und es kehrt so was wie Ruhe ein, sind die Buden schon wieder abgebaut. Zumindest hier in Düsseldorf, und ich frage mich an sich, warum.
Andererseits geht man natürlich... weiterlesen trotzdem hin. Der Mensch ist halt ein Herdentier und unterliegt irgendwann zwangsläufig dem Gruppendruck, wenn von allen Seiten incl. Film, Funk und Fernsehen die Frage aufkommt:"Wer geht noch mal, wer war noch nicht?"
Nach dem Wuppertaler GoLocal-Treffen in Verbindung mit dem dortigen Weihnachtsmarktbesuch nebst Einwurf sehr wohlschmeckenden Glühweins hatte ich eigentlich keine Motivation, mir das hiesige Getümmel zu geben. Denn die meisten Märkte sind hier einfach nur proppenvoll und überteuert. Der "Nikolausmarkt-Gedenkfleck" vom letzten Jahr, verursacht durch den der Hand eines Hollandtouristen entglittenen Glühweinbecher, ziert immer noch eine meiner Jacken.
Aber wie in jedem Jahr ließ sich der Besuch auch diesmal nicht vermeiden. Die Frage war nur "Wohin?" Die Antwort erwartete man natürlich wie üblich von mir. Denn auf der Gästeliste standen:Die Kölnerin, die wegen Rücken nicht lange stehen kann und Menschenmassen nicht erträgt. Ihr Freund, der sein Getränk zur Not auch im Handstand einnimmt-Hauptsache, es ist kein Glühwein. Und die Schwäbin, die stehen kann, aber am liebsten sitzt, Glühwein trinkt, aber auch "indoor" rauchen will.
Also mehr oder weniger Ortsunkundige mit Marotten.
Zum Glück gibt es den Weihnachtsmarkt vor dem Schauspielhaus.
Warum da so wenig los ist? Ich hab keine Ahnung. Vielleicht liegt es am benachbarten Primark, dem neuen Affenzirkus der Düdorfer Shopping-Zone. Möglicherweise hat das Rote Kreuz den Weihnachtsmarkt zur First-Aid-Area ernannt, um notfalls kollabierende Schnäppchenhysteriker dort schnell auf ihre Primark-Tüten betten und in stabile Seitenlage bringen zu können:-)
Tatsächlich brauchen Klaustrophobiker hier selbst am Abend des 23.12. keine Bedenken zu haben. Obwohl alles da ist, was der Weihnachtsmarktbesucher so braucht-und sogar noch etwas mehr!
Wie die Kulturbeauftragte bereits beschrieben hat, gibt es eine Eislaufbahn, die ich natürlich nicht getestet habe (brauche meine Fingerkuppen noch..). Es gibt die üblichen Buden mit Kitsch und Krams. Aber es gibt auch noch zwei Zitadellen der Kulinarik, die sich vom sonstigen Angebot deutlich abheben: Die Flammkuchenstation (ja, so muß er sein!) und mein Favorit, die Hütte mit den Raclettekäsebaguettes.
Man riecht sie schon von weitem. Der Käsephobiker dürfte angewidert das Weite suchen, aber der Freund übelriechender Molkereiprodukte bläht freudig die Nüstern. Wem erkältungsbedingt der Riechkolben den Dienst versagt, der halte einfach Ausschau nach einer langen Schlange-Treffer.
Bis man das köstliche Gerät in der Hand hält, dauert es. Denn der Fertigungsprozeß ist aufwendig. Die Baguettebrötchen werden auf einer Art Grill geröstet, während auf der Unterseite ein halber Käselaib zur Streichfähigkeit erwärmt wird. Der halbflüssige Käse wird dann großzügig aufs Brötchen gestrichen, welches zuvor eine Knoblauch-oder Kräuterunterlage bekommt. Mit 4,50 € segelt man preislich mal wieder hart am Wind, aber darüber regt sich der gebeutelte Düsseldorfer ja schon nicht mehr auf. Und was sein muß, muß sein.
Derart gestärkt, kann man nun Räucherwaren und Engel betrachten oder sich gleich der Alkoholzufuhr widmen. Zur Auswahl steht ein Schlüsselzelt für den Freund des Altbiers, welches diesmal wegen der bekannten Einschränkungen (Stehenmüssen, Menschenmassenaversion, Rauchverbot..) allerdings nicht in Frage kam.
Alternative: Die Glühweinhütte. Outdoor reichlich Platz und diverse Gelegenheiten, seine Tassen abzustellen. Im Indoorbereich Tische mit Hockern und Aschenbechern auf den Tischen. Und auch hier gibt es Schlüssel Alt. So bekommt man viele Schäfchen unter einen Hut. Großartig.
Der Glühwein ist wie fast überall die letzte Plörre und mit 3 € pro Tasse...naja, das hatten wir schon.
Aber die angenehmen Surroundings machen den Geschmack wieder wett. Nach einiger Zeit, wenn die Geschmacksnerven betäubt sind, ist auch das Gesöff erträglich. Der Diabetiker würde allerdings schon nach dem zweiten Schluck mitsamt seiner Insulinspritze zu Boden gehen.
Angenehm sind hier auch die Öffnungszeiten. So lange Kundschaft da ist, gibt's auch noch was-sieht man hier nicht so eng.
War doch mal wieder schön. Bin ja froh, daß der ganze Zirkus jetzt vorbei ist. Aber nächstes Jahr wird's dann auch nett, wenn man sich erst mal aufgerafft hat.
So verhält es sich auch mit dem Karneval (Himmel, das steht bald auch wieder ins Haus), der ja EIGENTLICH auch überflüssig wie ein Kropf ist;-)[verkleinern]