Moin moin
Die „Grosse Freiheit“ beginnt an der Reeperbahn und endet an der Paul Roosen Strasse. Sie liegt nicht in St. Pauli, sondern in Altona..
Auf der Reeperbahn konnte man noch die neuaufgestellte alte Grenzsäule sehen und das alte Grenzhaus, in dem sich schon lange ein Imbiss befindet. Als ich gestern 06.10.13, die Grenzsäule sehen und beschreiben wollte, war sie nicht mehr an ihrem Standort.
Wie die Natur so spielt. Die Alte Grenzsäule stand heute im Neuen Glanz an ihrem alten... weiterlesen Standort. Neben der Säule war eine Platte in den Boden eingelassen, auf der beschrieben steht, dass die Säule die Grenze bildete und nach dem Restaurieren neu aufgestellt wurde.
Neben dem Imbiss geht ein schmaler Gang in das Eros Center, das vom Bauherren Willi Bartels erbaut wurde, damit die Seh- und Seeleute sich bei der käuflichen Liebe „entspannen“ konnten. Es waren hauptsächlich junge Frauen aus Deutschland, die sich hier anboten, weil die Osteuropäerinnen noch keine Reise- und Verkehrsfreiheit hatten.
In der „Grossen Freiheit“ gibt es nicht mehr die Etablissements, die ich noch von früher her kannte. Da war das Café Mehrer mit den Tischtelefonen, das Salambo von René Durant, das Hippo Drom, das Indra mit dem Elefanten auf dem Werbebanner, das Tabu und die Jungmühle,das Stern Kino, das später der Star Club war, in dem 1961 die Beatles gross wurden und das Ahoi Kino, das jetzt das Grünspan ist.
Mittags, wenn ich aus der Pestalozzischule kam, gingen wir in die Striplokale und durften uns die leeren Sektflaschen holen. Für grosse bekamen wir 2 Pfennig und für die kleinen 1 Pfennig. Ich musste von der ersten bis zur dritten Klasse in die Pestalozzischule gehen, da in meiner Grundschule kein Platz war. Ab der Klasse vier kam ich in die Taubenstrasse und später in die Volksschule Friedrichstrasse.
Von der Nebenfahrbahn der Reeperbahn, die jetzt Beatles Platz heisst, gehen wir mal in die „Grosse Freiheit“. Links am Anfang, wo nun Susis Show Bar ist, war ein toller Imbiss, in dem ich als Jugendlicher immer meine Schinkenwurst verspeiste. Sie war schön dick und immer heiss und schmeckte hervorragend. Günstig war sie auch.
Kurz dahinter war das legendäre Salambo von René Durant, dem „Künstler“, der die erste Real Sex Show auf der Bühne anbot. Es gab von der Behörde viel Ärger. Jetzt heisst das Lokal „Grosse Freiheit 7“ und gegenüber geht man ins „Love“.
An ein paar Striplokalen weiter kommt man ins Dollhouse. Hier tanzen freizügig angezogene junge gutproportionierte „Damen“ und lassen sie Dollhouse Dollars in den knappen Slip stecken. Je mehr Dollars, je mehr Gage.
Hinter dem Dollhouse gehen wir an dem alteingesessenen Safari Strip Lokal vorbei und sehen gegenüber den Imbiss Gretel und Alfons. Hier konnte man die Beatles in den 60ern vor und nach ihren Auftritten im Starclub sehen. Mitunter war ihr "Zettel" so lang, wie ihr Unterarm, sagte Gretel.
Gegenüber des alten Kaiserkellers befand sich der Starclub. Er wurde abgerissen und jetzt befindet sich dort ein Hof mit den Lokalitäten „The Rock Café“, "Olivias Bar" und „Paradies“. Ein Stück der alten Wand des Starclubs ist immer noch vorhanden.
In Höhe der Schmuckstrasse (in ihr befand sich das Chinesenviertel) ist die Katholische St. Joseph Kirche, die sonntags hauptsächlich von polnisch sprechenden Menschen in Hamburg besucht wird. Teile der Predigten hält der Pastor in polnischer Sprache. Zur Zeit wird der Innenraum saniert.
Die Schmuckstrasse war früher hauptsächlich von Chinesen bewohnt. Mein Freund Kung Wen Tei war auch oft dort und wenn ich ihn zur Arbeit abholen sollte, sah ich die von Opiaten geschwängerte Luft und mitunter hatte ich das Gefühl, dass ich schweben konnte.
Nach dem Überqueren der Clemens Schulz Strasse sehen wir den Event Club Grünspan. Dort war auch früher das Ahoi Kino, wo sonntags die Jugendvorstellung 50 Pfennige kostete. Nicht zu vergessen das alte INDRA. Hier hatten die Beatles 1960 ihren ersten Auftritt in Hamburg.
Vorher spielten sie im Cavern Club in Liverpool.
Gegenüber der damaligen Mädchenschule war eine grosse Fischräucherei Frerichs, wo man günstig Räucherfischbruch bekommen konnte.
Ansonsten war der Rest der Grossen Freiheit hinter der Clemens Schultz Strasse unwichtig und unauffällig, bis auf den Grünspan und in Höhe PaulRoosen Strasse einem Jazz Lokal. Den Namen habe ich nach dieser langen Zeit aber vergessen.
Es gab viele St. Pauli Grössen, wie Willi Bartels, der das Eroscenter baute, Wilfried Schulz, genannt der Pate von St. Pauli, dem einige Striplokale gehörten und dann die Jungen Wilden. Da waren zwei Zuhältergruppen, die sich bis in den Tod bekämpften. Es war die Nutella Bande mit Thomas Born, den sie "Karate Tommi" nannten und Peter Töpfer, der später Prediger wurde.
Auf der anderen Seite gab es die GMBH. Sie setzte sich aus den Anfangsbuchstaben der vier Zuhälter zusammen. Einer davon war der "Schöne Mischa" Michael Luchting, "SS Klaus" Klaus Breitenreicher und "Angie" Jürgen Becker.
Heute kann man noch den Inkasso Henry sehen, der Führungen durch St. Pauli anbietet. Er weiss über die Zeit der beiden "Zuhälterorganisationen" gut Bescheid und bringt sie auch zum Besten bei seinen Führungen.
http://www.inkasso-henry.de/
Er war Koberer. Koberer nennt man den Portier, der die Touristen und Sehleute anspricht, um sie in das Lokal zu bekommen. Der Nepp ist ein Wenig zurückgegangen, nachdem auf der Reeperbahn zwei Lokalitäten geschlossen wurden, in dem sich die Anzeigen wegen des Deliktes häufte. Viele Gäste haben leider selbst Schuld, denn sie können auf der Getränkekarte nachlesen, wie teuer die Getränke sind.
Wenn auch ein "Gedeck" in einem Striptease Lokal für 35 € angeboten wird, so zahlt man nicht für das Getränk, sondern für die Live Darbietung der "Künstler" und "Künstlerinnen". Bis zu drei Mal den Abend ist schon nicht schlecht....................
So oft ich diese Lokale aufsuchte, wurde ich fair behandelt und nicht über den Tisch gezogen. (Kannte man mich eventuell?)
Historie:
Um 1600 herum wurde Altona als Fischersiedlung vor den Toren Hamburgs errichtet. Den Namen erhielt sie von dem Ausspruch Hamburger Senatoren: All to nah bi Hamburg.
Zu dieser Zeit wurde die Freiheit geschaffen und die in diesen Bezirk zuziehenden Handwerker konnten gegen eine Gebühr (Gewerbesteuer) ihr Gewerbe unabhängig von den Zünften ausüben. Später wurde die Grosse Freiheit zur Amüsierstrasse mit vielen Lokalitäten am Rande St. Paulis.
In der Paul Roosen Strasse können wir noch auf dem Gehweg und der Fahrbahn sehen, wo die Grenze Altona/Hamburg verlief. Siehe Foto[verkleinern]