Ohne den Eintrag in der entsprechenden Denkmalliste wäre ich auf den unscheinbaren Gedenkstein an der Hauptpost in Bad Freienwalde (ca. 40 km nordöstlich von Berlin) nicht aufmerksam geworden und hätte ihn auch nicht gefunden.
Der Gedenkstein in Gestalt eines niedrigen Findlings wurde an der nördlichen Ecke des Freienwalder Hauptpostgebäudes aufgestellt und trägt die Inschrift:
„Hochwasserstand der Oder Frühjahr 1947“
Er erinnert an die schlimmste Oderflutkatastrophe die Freienwalde und... weiterlesen
das ganze Oderbruch im 20. Jahrhundert getroffen hatte.
Im Eiswinter 1946/47 bildete sich auf der Oder schweres Treibeis, dass am 21.3.1947 bei Küstrin-Kietz und Reitwein eine 4 km lange Eisbarriere bildete, die wie ein natürlicher Staudamm wirkte. Schnell staute sich der Fluss in diesem Bereich und überspülte in der Nacht und am frühen Morgen des 22.3.1947 die Reitweiner Oderdeiche.
Geschwächt durch die Mangelwirtschaft der Kriegsjahre und beschädigt durch die Kämpfe am Ende des 2. Weltkriegs im Frühjahr 1945 konnten die Deiche dem Wasserdruck nicht widerstehen. Der Deich bei Reitwein wurde im Laufe des 22.3.1947 auf einer Länge von 300 m zerstört.
In kürzester Zeit lief das tiefliegende Oderbruch voll Wasser. Auch das 50 km nordwestlich von der Deichbruchstelle liegende Bad Freienwalde wurde betroffen.
Die unterhalb der Hügel liegenden Stadtteile wurden bis zu der Marke überflutet, die der Stein heute markiert.
56 Dörfer wurden damals zwangsevakuiert. Aus anderen Orten flohen die Bewohner, nur das Nötigste mitnehmend.
Katastrophenhelfer kamen aus allen 4 Besatzungszonen Deutschlands. Man kommandierte außerdem deutsche Polizisten ins Oderbruch ab.
Auch die Rote Armee war an den Rettungsmaßnahmen beteiligt. Außerdem versuchte die Rote Armee mit Luftangriffen die Eisbarriere zu sprengen, was aber nicht gelang. Allerdings traf man an 2 Stellen den Deich, was die Schäden noch vergrößerte.
Die überflutete Fläche entsprach etwa der Größe des Bodensee’s.
20.000 Menschen wurden obdachlos, 23 Tote waren zu beklagen, der wirtschaftliche Schaden belief sich auf damals 100 Millionen Reichsmark (nach heutiger Währungsumrechnung ca. 34 Millionen €uro), eine enorme Summe für das wirtschaftlich daniederliegenden Nachkriegs-Deutschland.
Am 24.3.1947 begannen sich die Eisbarrieren aufzulösen. Es sollte aber über 4 Wochen dauern, bis das Wasser aus dem Oderbruch wieder abgeflossen war.
Die Menschen kehrten in ihre Dörfer zurück und begannen nach den Zerstörungen des Krieges innerhalb weniger Jahre mit dem erneuten Wiederaufbau. Staatliche Stellen bemühten sich, die Schäden an der Infrastruktur so schnell es die damalige Situation eben erlaubte zu reparieren.
Vor allem mussten die Lücken im Deich wieder geschlossen werden, denn bekanntlich ist nach dem Hochwasser vor dem Hochwasser.
Wie gefährlich die Oder immer noch ist, zeigte die Sommerflutkatastrophe von 1997. Wäre es Helfern aus der ganzen Bundesrepublik mit Unterstützung der Bundeswehr nicht gelungen, die Deiche damals zu stabilisieren, hätten die Folgen großer Deichbrüche ähnlich sein können wie im Frühjahr 50 Jahre zuvor. Inzwischen hat man die Deiche verstärkt und erhöht und hofft dadurch vor kommenden Hochwassern geschützt zu sein.[verkleinern]