Auch den aktuell 700sten Beitrag auf Golocal möchte ich meiner Heimatstadt bzw. einem für diese bedeutsamen Ereignis widmen - der Vitalisnacht. Das war die Nacht vom 28. auf den 29.April 1378.
Der Name hat jedoch weniger mit der Begebenheit selbst als mit dem Umstand zu tun, dass der 28.04. der Gedenktag für den Märtyrer und heiligen Vitalis ist.
An diese Nacht erinnert ein Steinkreuz auf einem Sockel in den Anlagen jenseits der Mauer des Stiftsbezirks gegenüber dem Haupttor zur... weiterlesen
Stiftsruine. Wenn man in "den Anlagen" spazieren geht, stößt man in deren südlichem Abschnitt auf ein erhöhtes Kreuz, welches auf der Wiese steht. Folgende historisch belegte Begebenheit war Anlass zu dessen Errichtung.
Stadt und Stift lagen im 14 Jahrhundert im Clinch. Die Auseinandersetzungen drehten sich vor allem um die Unabhängigkeit der Stadt vom Kloster. Das Verhältnis zwischen Stadt und Kloster war dabei äußerst gespannt.
Wilhelm Neuhaus beschreibt dies in seinem 1954 erschienenen Werk "Die Geschichte von Hersfeld" mit folgenden, blumigen Worten: "So glomm der Zündstoff der Zwietracht zwischen Stift und Stadt weiter, und die Bürger, denen durch das Bündnis mit dem siegreichen Hessen der Kamm geschwollen war, versäumten keine Gelegenheit, den Stiftsherren eine auszuwischen."
Im Folgenden beschreibt er, worin die wechselseitigen Schikanen und Kleinkriege bestanden. Das ging von bloßen Schikanen, wie die Erschwerung einer Weinlieferung an das Stift bis hin zu Einmischungen in dessen Gerichtsbarkeit.
Ein Stachel saß besonders tief im Fleisch des Abtes, der in der Reimchronik beschrieben wird:
"Der Abt trug auch ein groß Verdruß
Und sich mit Worten hören ließ:
Es hätte ihm Hersfeld die Stadt
Goldes einen Wagen voll geschadt.
Meint, hätt´man sie nicht eingetan,
Er wollte wieder erhalten han
Alles, was im Thüringer Land
die Herren dem Stift hätten entwand-"
Der Verlust des Klosters von Rechten und Ländereien im Thüringischen wird darin angedeutet.
Während das Kloster sich dabei mit Mainz , die Stadt mit den Landgrafen von Hessen. verbündete, kamen die Spannungen um 1378 unter Abt Berthold von Völkershausen zu einem Höhepunkt.
Abt Berthold, der seinen Machtanspruch notfalls mit Gewalt durchsetzen wollte, verbündete sich mit Rittern des ehemaligen Sternerbundes.
In einer Winternacht wollte man durch eine List die Stadt durch einen Enthauptungsschlag führerlos Stellen, um sich die Stadt in seine Abhängigkeit zu bringen.
Also plante man die Stadtoberen und Schöffen abends zum Umtrunk in das Haus des Dekans einzuladen und diese zu vorgerückter Stunde, wenn diese betrunken waren, noch bevor der Morgen graute , durch im Haus versteckte Sterner zu ermorden.
Durch einen Fehdebrief des Ritters Simon von Haune, über den ich bereits im Zusammenhang mit Burg Hauneck berichtete, wurde diese heimtückische Tat jedoch vereitelt. Keiner weiß, was ihn - selbst zu den Sternern zugehörig - bewog, der Stadt einen Fehdebrief zuzustellen.
Am 28.04. 1378 schrieb dieser an die Bürger der Stadt :
"Wisset ihr von hersfeld, dass ich Simon von Hune Ritter, eurer und eueren Feind seyen will, mit allen meinen Helfern und Bundesgenossen und will euch nicht allein nach dem Gut stehen, sondern nach Leib, Ehr und Gut, und will das diese nacht thun, darnach habt euch zu richten. Datum unter meinem Insiegel auf St. Vitalis Abend A. D. 1378" "
Die Stadtwachen stürmten darauf hin das Haus des Dekans, nahmen die sich im Haus des Diakon versteckenden Sterner fest, stellten sie vor ein Schnellgericht und richteten diese noch am gleichen Abend hin.
Dann besetzten sie den Stiftsbezirk, da der Abt sich außerhalb bei den Sternern aufhielt, die sich in einer tiefen Schlucht (Finstertal) westlich der Stiftskirche am Tageberg - heute genannt die Alpen" versteckt hielten.
Sodann traf man Vorkehrungen gegen den im Morgengrauen geplanten Überfall auf die Stadt.
Als die Sterner unter Anführung von Eberhard von Engern aus der nur wenige hundert Meter von der Stadtmauer entfernten Schlucht heraus die Stadt noch im Schutze der Nacht angriffen, stießen sie auf erheblichen Widerstand.
Dabei kam Eberhard von Engern - ihr Anführer - durch einen Pfeil einer Armbrust, die seinen Helm durchbohrte um´s Leben. Das Original des durchbohrten Helmes schmückte lange Zeit als Trophäe das Rathaus und ist heute im Museum zu sehen. Der durchbohrte Helm , der heute an Ort und stelle zu sehen ist, ist eine Nachbildung.
So manchen Besucher unserer Stadt habe ich schon vor ein Rätsel gestellt und dann mit dieser Geschichte über die Geschichte der Stadt überrascht.
Aber um wieder auf die damaligen Ereignisse zurückzukommen.
Erfolgreich verteidigten die Hersfelder ihre Stadt . Den Sternern blieb nichts anderes übrig als der Rückzug auf Schloss Eichen - den heutigen Eichhof sowie die einstige Probstei Johannesberg.
Sie zogen noch tagelang marodierend, brennend, zerstörend und mordend durch die Umgegend.
Der Anklage durch die Stadt beim Reichshofrat folgte die Strafe auf den Fuß.
"Nie kämpft es sich schlecht für Freiheit und Recht", dachten sich wohl schon die Bewohner der Stadt damals, aber der Sieg hatte auch seinen Preis. Das Verhältnis zwischen Stadt und Stift war für Generationen nachhaltig gestört.
Sowohl das Kloster, als auch die Stadt verloren in den folgenden Jahrhunderten immer mehr an Bedeutung bis zur Schließung des Klosters zu Beginn des 16. Jahrhunderts.
Hersfeld stieg von der einstigen Residenzstadt zum verschlafenen Provinznest und ehrlich gesagt ist es das auch heute noch ;-)
Das Original des Kreuzes in der Gestalt eines Sühnekreuzes, welches sich einst auf der Stifts - bzw. Stadtmauer befand, ist heute im Museum ausgestellt.
Wer mehr über die Geschichte Bad Hersfelds erfahren möchte, der kann meine Bewertung zur Altstadt / Bad Hersfeld lesen und auch zur Stiftsruine und den Stiftsbezirk lesen.
Nicht immer waren die Hersfelder so "helle", wie einst in der Vitalisnacht, was
in meiner Bewertung des Mückenstürmer - Denkmals nachzulesen ist.
Nun, ich hoffe bei dem geneigten Leser das Interesse auf den Besuch dieser kleinen, beschaulichen Stadt geweckt zu haben. Vielleicht kann dieser ja mit einem Besuch der jährlich im Sommer in der Stiftsruine stattfindenden Hersfelder Festspiele verbunden werden.
Und keine Angst - wer in friedlicher Absicht kommt, wird auch auf´s herzlichste Empfangen. ;-)))[verkleinern]