Ich bin ein Flohmarktfan, damit wollen wir anfangen, damit wir uns besser verstehen.
Über die letzten Jahre haben mich die Flohmärkte hier in Bremen immer wieder nur enttäuscht, muss ich sagen. Denn Flohmarkt bedeutet für mich eigentlich, dass gebrauchter Trödel auf wackligen Tischen oder auf Decken präsentiert wird. Und dann mit ein wenig Glück und Verhandlungsgeschick von beiden Seiten für ansprechendes Geld letztlich den Besitzer wechselt, so dass letztlich alle Beteiligten davon... weiterlesen
profitieren. Auf dem Flohmarkt möchte ich Dinge sehen und entdecken und vielleicht etwas für meine Sammlungen erbeuten. Soweit die Vorstellung, die aber in meinem direkten Umfeld kaum noch bedient werden kann. Es machte einfach keinen Spaß mehr, sich mit den Resten aus Sperrmüll oder Containern zu beschäftigen.
Über Facebook war ich dann vor einigen Jahren auf diese Veranstaltung in Elisabethfehn, OT Barßel aufmerksam geworden. Einmal im Jahr, immer an Christi Himmelfahrt, verwandelt sich die Schleusenstraße direkt am Elisabethfehnkanal in eine kilometerlange Flohmarktmeile.
Elisabethfehn liegt in einem Dreieck zwischen Friesoythe, Leer und Oldenburg und ist von Bremen aus gut mit dem Auto zu erreichen.
Doch was rechtfertigt letztlich diesen gewissen fahrerischen Aufwand, nur für einen "Flohmarkt", wird sich der geneigte Leser an dieser Stelle vielleicht fragen. Ganz einfach: das Gesamtpaket eines tollen Tages, glaubt mir, es ist den Weg wert.
Schon die Fahrt von Bremen nach Barßel an sich macht einfach Spaß. Hat man die Autobahn bei Oldenburg hinter sich gelassen, wartet eine herrliche Strecke auf Dich. Man fährt rund 35km immer locker auf der B401 am Küstenkanal entlang. Zuletzt geht es noch einmal rechts rum, und dann immer geradeaus, bis man rechter Hand über den Kanal hinweg die ersten Stände sieht. Wahnsinn!
Ich fahre immer bis zur Schleuse, denn gegenüber lassen sich Anwohner ihre Wiese von parkwütigen Besuchern vergolden. Der Acker wird als Parkfläche bespielt, professionell mit Kassierer, Einweiser und Aufpasser. Vorn ist sogar noch ein Ausschank mit Heiß- und Kaltgetränken und selbstgemachten Kuchen und Schnittchen. Fürs Parken so zentral zahle ich gern und ohne Fragen, denn sonst würde ich Himmel-weiß-wo parken und laufen müssen. So stehe ich gegenüber der Schleuse und bin nur noch eine Brückenquerung vom Spaß auf der Schleusenstraße entfernt.
Mögen die Stöberspiele beginnen. Ich orientiere mich links rum, denn rechts - das sehe ich ja schon in der Anfahrt - sind nicht mehr so viele Stände. Links rum lockt der Trödel. Dicht an dicht reihen sich die Flohmarkt-Stände. Viele Stände werden von Anwohnern vor dem eigenen Grundstück betrieben, dazwischen finden sich größere Stände von Flohmarktprofis, aber auch diese bieten Antiquitäten und Gebrauchtwaren sortiert und etikettiert an, nur selten sieht man OVP-Waren.
Kistenweise LTBs oder DVDs, Sammlerspielzeug, altes Werkzeug aus Industrie, Haushalt oder auch h aus der Landwirtschaft. Rares wie antike Schlittschuhe aus Knochen und Leder, Blechschilder, Bücherpakete, ganze Haushaltsauflösungen, viel Selbstgemachtes, Möbel, Kleidung aller Epochen, selbst gezogene Pflanzen, Reitzubehör aller Art. Es gibt eigentlich nichts, was es nicht gibt, man muss nur die Augen offen haben.
Die verrückte und beeindruckende Auswahl hier auf dem Flohmarkt lebt neben dem unglaublich schönen und großen Veranstaltungsort auch von den vielen auswärtigen Verkäufern, die für die zu erwartenden Besucherzahlen teilweise lange Anreisen haben. Achtet man auf die Kennzeichen der Fahrzeuge hinter den Ständen, sieht man neben dem örtlichen CLP natürlich auch die nahegelegenen OL, HB, LER, DEL & Co., dann aber auch Ausreißer aus dem Pott, aus den Niederlanden oder sogar Dänemark.
Preislich liegt die Ware teilweise entsprechend auf einem etwas höheren Niveau, als ein wöchentlich stattfindender Flohmarkt es hergeben würde, gerade die Profis schlagen erkennbar auf. Daher wühle ich bevorzugt bei den Privaten, wo es sich gut verhandeln lässt.
Stöbernd und guckend läuft man kilometerweit, man merkt nicht, wie die Zeit vergeht, weil es so ruhig, gelassen und entspannt vorangeht, auch wenn es um die Mittagszeit voll wird.
Und auch, wenn die Veranstaltung eigentlich nur als Flohmarkt firmiert, hat man als Besucher hier sogar ein kleines Volksfest als zusätzlichen Mehrwert. Immer wieder sind zwischen den bunten Trödelständen gewerbliche Stände mit bunten Klamotten à la Ali-Express, buntem Asia-Plastik-Tinneff und Gastronomie eingestreut, es gab mehrere Stände mit Hundefutter, und ganz am Ende ist zudem eben diesen gewerblichen Händlern eine komplette Zone reserviert. Hier können fußkranke oder vollgepackte Besucher übrigens in den Busshuttle steigen und sich den Rückweg erleichtern, ich ziehe es vor, noch eine zweite Runde zu stöbern und etwas zu essen.
Gastronomisch gibt es eine tolle Auswahl. Orientalische Backwaren an mehreren Ständen, die Klassiker wie Pommes, die Brat vom Rost, das Schwenksteak, Fischbrötchen, Backfisch, Crêpes oder Poffertjes. Verhungern wird hier niemand, wobei auch an dieser Stelle der Griff im Portemonnaie ganz tief gehen muss. Entschieden habe ich mich letztlich für ein Stück (ja, sehr guten, frisch gemachten) Bratfisch mit einem kleinen Brötchen und etwas Remoulade, 7 Euro dafür fand ich sportlich. Auch eine 0,33l-Dose Cola oder 7-Up (als Import ohne Pfand gekauft) für 2,50 Euro ist knackig. Es lebe mein mitgebrachtes Getränk aus dem Rucksack.
Zwar war die Veranstaltung 2023 gerade erst, aber ich habe mir schon 2024 im Kalender angestrichen. Ich denke, ich fahre noch ein wenig früher los, denn je früher dort, desto leichter durch. Immerhin ist Christi Himmelfahrt auch „Vatertag“, und gegen Mittag füllt sich der Weg mit Bollerwagen nebst Grüppchen und Trüppchen, da fließt dann auch schon um 11.00 Uhr der Alkohol in Strömen, dafür ist man auf dem Land. Wenn es dann gegen 13.00 Uhr richtig voll wird, mache ich mich mit meiner Beute schon gern auf den Rückweg.[verkleinern]