“Vergessene Helden“
Fast unscheinbar wirkt sie, eine Gedenktafel, die man gar nicht so richtig für wahr nimmt. Oft bin ich hier schon vorbeigelaufen, aufgefallen ist sie mir nicht. Neben dem Haupteingang des U-Bahnhofs ‘Hallesches Tor‘ (U1/U6), dem Aufgang zur Hochbahn, straßenseitig abgewandt zum ‘Halleschem Ufer‘. Und man muss sich schon richtig Mühe geben, um Innschrift und Darstellung richtig zu erkennen:
„Wolfgang Thiess
30.10.1911 – 9.9.1943 hingerichtet in Plötzensee
Hier... weiterlesen warf er antifaschistische Flugblätter aus dem Zug.“
Natürlich war klar, dass mein Interesse geweckt war, spontan gingen mir Episoden des ‘Thälmann-Films‘ durch den Kopf. Als Kind habe ich diesen gesehen: Flugblätter im Sog der vorbeirauschenden Hochbahn, vom Himmel fallend, flatternd. Aber wer war Wolfgang Thiess?
Ein Widerstandskämpfer der Nazizeit und bei allen Bemühungen wird man nur wenige Einzelheiten über diesen Menschen erfahren. Genau diesen Umstand trägt Gerhardt Moritzen, ein Düsseldorfer Künstler, Rechnung und setzt diesen in dieser bronzenen Gedenktafel 1988 um.
Einzelne Episoden lassen sich ihr zuordnen, so die Kindheit, das Spielen und Lernen - auch das Umschwenken seiner Gesinnung ausgehend als Mitglied der Kreuzberger Hitlerjugend zum Eintritt in den Kommunistischen Jugendverband. Sein Gerichtsverfahren vor dem Volksgerichtshof, welcher seine Hinrichtung und die Auslöschung eines jungen Lebens anordnete. Schuldig gesprochen des Hochverrats, wurde Wolfgang Thiess nicht einmal 32 Jahre alt.
Die freibleibende Fläche könnte man für die Unkenntnis zur Person oder/und für die Zeit seines möglichen weiteren Lebens bis ins hohe Alter interpretieren, welcher er beraubt worden war.
Natürlich können wir die Geschichte nicht ändern, somit auch nicht den Mord an diesen jungen Mann. Erschreckend ist nur, wie wenig wir tatsächlich von den einzelnen Menschen des antifaschistischen Widerstands wissen. Sicherlich liegt dies zum einen im Charakter der Illegalität begründet. Die konspirative Tätigkeit und Arbeit im Untergrund kannte nur selten Klarnamen, die Nutzung von Pseudonymen und falschen Identitäten sollten die Kämpfer vor Verrat schützen. Je weniger man von einander wusste, war es besser so - denn, wenn doch jemand in die Hände der Gestapo fiel, konnte dieser nur wenig unter dem Druck der Folter aussagen. Darüber hinaus haben Tausende ihr Wirken im nationalen Widerstand in Deutschland gegen Hitler mit dem Leben bezahlt. Des Weiteren sind nicht wenige von denen, im sowjetischen Exil lebenden deutschen Kommunisten durch Stalins Wahn und Machenschaften, Opfer dessen Säuberungsaktionen geworden.
Ich möchte damit nur zum Ausdruck bringen, dass diejenigen, welche Genaueres zur Person Wolfgang Thiess wissen könnten, möglicherweise selbst zu Opfern wurden.
Fazit: Gedenktafel - nachdenken, den Zweck hat diese Tafel bei mir erfüllt. Sich nochmals mit einer der wohl am schwärzesten Epochen der deutschen Geschichte zu befassen. Eine Gedenktafel finde ich darüber hinaus um ein vielfaches besser, als ausgerechnet einem Torpedoschnellboot der ehemaligen NVA-Marine den Namen eines Kämpfers gegen Militarismus und Krieg zu verleihen.[verkleinern]