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Der Heilige Georg begleitet mich fast mein ganzen Leben. Zwar habe ich ihn an seinem ursprünglichen Standort im Eosanderhof des Berliner Stadtschlosses nie gesehen – das war längst von den Bilderstürmern der SED abgerissen worden als ich geboren wurde – aber an seinem Standort im Volkspark Friedrichshain als Ziel für Spaziergänge, wenn wir zu Besuch bei Verwandten in der Leninallee (heute Landsberger Allee) waren.
Geschaffen hat das monumentale Reiterstandbild 1853-1855 der preußische... weiterlesen Bildhauer August Kiß (auch „Kiss“ geschrieben / 1892-1865) für die Pariser Weltausstellung 1855, wo er für sein Werk mit einem 2. Platz ausgezeichnet wurde. Nach dem Tod von Kiß vermachte seine Witwe die Skulptur der Stadt Berlin, die aber nicht so recht wusste, was sie damit anfangen sollte.
Gut dass wir damals noch einen König hatten und so übergab die Stadt die Skulptur König Wilhelm I. v. Preußen (1797-1888 / König seit 1861 / Deutscher Kaiser seit 1871) als Huldigungeschenk, der es im Berliner Stadtschlosses aufstellen ließ.
Dort stand es die nächsten fast 90 Jahre, überstand eine deutsche Revolution und das Ende der Monarchie, entging der Einschmelzung in 2 Weltkriegen.
Am Ende des 2. Weltkriegs wurde die Skulptur im Februar 1945 bei einem schweren Luftangriff auf Berlin, dem auch das Schloss zum Opfer fiel, und während der Schlacht um Berlin im April beschädigt.
Ein paar Jahre später fand die stalinistisch-kommunistisch-sozialistische Führungsclique der SED in der DDR, es sei an der Zeit, möglichst viel von dem preußisch-deutsch-imperialistischen und feudalen, dass der Krieg übrig gelassen hatte, vom Angesicht der Erde zu tilgen.
Ab 1950 ließ die DDR-Regierung unter Walter Ulbricht (1983-1973 / 1950-1971 SED-Vorsitzender) und Otto Grotewohl (1894-1964 / 1949-1964 Ministerpräsident der DDR) das Berliner Stadtschloss abreißen.
Einige wenige Kunstwerke wurden gesichert. Dazu gehörte das Reiterstandbild des Heiligen Georg. Vor der Sprengung des Schlosses wurde es abgebaut und nach der provisorischen Reparatur einiger Kriegsschäden im Volkspark Friedrichshain am Großen Bunkerberg (Trümmeraufschüttung um den ehemaligen Flakbunker Friedrichshain), ca. 2,5 km Luftlinie vom alten Standort entfernt, neu aufgestellt.
Als die DDR in den 1980er Jahren in Vorbereitung der 750-Jahr-Feier Berlins das historische Nikolaiviertel in Berlin-Mitte als Plattenbau-Stadtquartier wieder auferstehen ließ, suchte man noch ein bisschen historische Deko und erinnerte sich an den Heiligen Georg in seinem Dornröschenschlaf in Friedrichshain.
1987 pünktlich zur 750-Jahr-Feier Berlins wurde das Standbild erneut umgesetzt – diesmal auf einen Platz zwischen Propststraße und Spreeufer an der Spree gegenüber des Marstalls. Der neue Standort ist nur ca. 300 m vom ursprünglichen Aufstellungsort im Stadtschloss entfernt.
2010 wurde Georg dann nochmal vom Sockel geholt. Die vergangenen über 150 Jahre waren nicht spurlos an dem Kunstwerk vorüber gegangen. Das eiserne Stützgerüst im Innern der Skulptur war verrottet und musste ersetzt werden. Außerdem mussten Kriegsschäden (Einschüsse und Granatsplitterlöcher) repariert und fehlende Details ersetzt werden. Ein Jahr später konnte Georg ins Nikolaiviertel zurückkehren.
Die Skulptur mit Sockel ist ca. 5,50 m hoch. Der ca. mannshohe steinerne Sockel ist verkleidet mit rötlichem poliertem Granit. Der Fuß des Sockels besteht aus schwarzem Lamprophyr und Gabbro – beides Magmagesteine.
Die Bronze-Skulptur wurde in der Kunstgießerei Lauchhammer gegossen und besteht aus 4 Elementen: dem angedeuteten Erd- bzw. Felsboden, dem Drachen, dem Pferd und dem Heiligen Georg.
Der Drache ist so dargestellt, wie man sich einen Drachen vorstellt: Furchterregend und in bisschen krokodilmäßig mit Schuppenpanzer, klauenbewehrten Beinen, einem gehörnten Kopf mit gespaltener Zunge und natürlich Flügeln – alles in allem … kein Kuscheltier!
Georg hat den Drachen praktisch schon über den Haufen geritten, so dass dieser fast auf dem Rücken liegt – mit dem linken Vorderbein das Pferd, mit dem rechten den Reiter abwehrend.
Dem Ross, ein Hengst übrigens, steht die Panik vor dem Drachen förmlich ins Gesicht geschrieben. Getrieben von Georg hat es den fauchenden Drachen zu Boden geritten. Die linken Pranke hat der Drache dem Pferd vor die Brust geschlagen und mit seinen Krallen tiefe Verletzungen auf selbiger zugefügt.
Auf dem Ross sitzt der Heilige Georg, mit der rechten Hand das Schwert gegen den Drachen schwingend, in der linken Hand ein Feldzeichen mit Banner und Kreuz haltend.
Georg ist als junger Mann mit längerem wallenden Haar dargestellt, der eine Rüstung nach Art antiker römischer Soldaten und auf dem Kopf einen Helm mit großen Kreuz trägt.
Die ganze Skulpturengruppe ist beeindruckend detailgetreu und detailverliebt dargestellt.
Und wer war nun der dargestellte Georg?
Nach der Legende war er ein Landbesitzer, vielleicht Adeliger, aus dem römisch beherrschten Nikomedien (heute Izmit in der Türkei) in der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts.
Er bekannte sich zum Christentum und erlitt während der Christenverfolgungen in der Regentschaft des römischen Kaisers Diokletian (um 240-312 / von 284-305 (abgedankt) römischer Kaiser) sein Martyrium, sprich Georg wurde zu Tode gefoltert weil er dem Christentum nicht abschwören wollte.
Sein Grab ist in der griechisch-orthodoxen St. Georg-Kirche im heutigen Lod bei Tel Aviv (Israel).
Er gilt als Urheiliger der katholischen Kirche, da er schon Heiligenstatus hatte bevor die Päpste über 300 Jahre später mit der Heiligsprechung von Personen begannen.
Georg zählt zu den 14 Nothelfern und wird in der katholischen, evangelischen, protestantischen, in den orthodoxen Kirchen und im Islam verehrt. Sein Symbol ist rote Georgs-Kreuz.
Auch in zahlreiche Staaten gab bzw. gibt es verschiedene Orden und Ehrenzeichen mit Bezug zu Georg – z.B. das unrühmliche St.-Georgs-Band der Putin-Regierung in Russland.
Die Sache mit Georg als Drachentöter ist dagegen eine Erfindung des Mittelalters zur Zeit der Kreuzzüge. Damals wurde verbreitet, dass Georg eine jungfräuliche Königstochter, die als Opfergabe an den Drachen vorgesehen war, vor diesem rettete, in dem er den Drachen in der Nähe des heutigen Beirut (Libanon) im Kampf erschlug, ihren Vater und das ganze Königreich zur Taufe bewegte und die Königstochter schließlich heiratete.
Der Kampf des Heiligen Georg gilt allgemein als der Kampf des Guten gegen das Böse.
Für mich hat der Drachentöter Georg in all den Jahrzehnten nichts von seiner Faszination eingebüßt.
Und wer weiß – nachdem auf dem Grundriss des Berliner Stadtschlosses das Humboldt-Forum mit einer Replik der Schlossfassade errichtet wurde … vielleicht kehrt Georg eines Tages sogar an seinen ursprünglichen Standort zurück. Den Eosanderhof des Schlosses gibt es ja wieder ….!
Nach Inaugenscheinnahme des neuen Eosanderhofs kann man meine Idee mit dem Georg im Schloss getrost verwerfen. Vom Eosanderhof des alten Schlosses ist in der Neubaufassung de facto ein Lichtschacht im Format der Hinterhöfe Altberliner Mietskasernen übrig geblieben. Grauenvoll.
Soll Georg bloß bleiben wo er jetzt ist.[verkleinern]
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