Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß es tatsächlich bis zum Jahr 26 nach der Maueröffnung gedauert hat, bis ich der Siegessäule bewußt einen Besuch abgestattet habe, gelegentliche Vorbeifahrten nicht mitgerechnet. Dabei war die Siegessäule das Stückchen West-Berlin, das man auch von Orten im Ostteil der Stadt aus gut ausmachen konnte (Aussichtsplattform des Französischen Doms, Fernsehturm).
Ursprünglich stand die Siegessäule (Nationaldenkmal der Einigungskriege) an anderer Stelle, nämlich... weiterlesen auf dem Königsplatz (heute Platz der Republik) vor dem Berliner Reichstag und bildete mit dem Deutschen Bismarck-Nationaldenkmal, dem Moltke- und dem Roon-Denkmal eine Einheit. Die 4 Denkmäler sind der deutschen Reichseinigung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gewidmet:
- Die Siegessäule den preußisch-deutschen Siegen in den Kriegen gegen Dänemark (1864), Österreich (1866) und Frankreich (1870/71)
- Bismarck, als die Einigung vorantreibender Politiker
- Roon als preußischer Kriegsminister
- Moltke als preußischer Generalstabschef
Als die vom großdeutschen Größenwahn beseelte Naziführung Berlin zur Welthauptstadt Germania umgestalten wollten, war diesen Bauplänen das Denkmalensemble auf dem Königsplatz im Wege. 1938 waren die Planungen soweit fortgeschritten, daß Hitler und sein Leibarchitekt Speer die Siegessäule samt den 3 Denkmälern ca. 1,5 km weiter westlich zum Großen Sterns versetzen ließen. Für weitere Verunstaltungen der Reichshauptstadt brauchte man dann die Germania-Planungen nicht mehr. Es reichte der von den Nazis entfesselte 2. Weltkrieg.
Als Zugang wurden Tunnel unter dem Großen Stern angelegt. Die 4 Tunnelhäuser wurden 1939 erbaut. So gelangt bis heute von den Fußgängerwegen des Großen Sterns gefahrlos zur Siegessäule. Durch moderne Lichtinstallationen sind die Tunnel keine dunklen Löcher.
Steht man dann zu Füßen der Siegessäule, sieht man erst, wie groß und mächtig sie ist. Von den gegenüberliegenden Straßenseiten wirkt sie wesentlich kleiner.
Am besten man beginnt mit einem Rundgang um den Sockel aus poliertem rotem Sandstein und widmet sich den dort angebrachten Bronzereliefs. Diese Reliefs zeigen Szenen aus den Kriegen von 1864, 1866, 1870/71 sowie den Einzug der siegreichen Truppen in Berlin. Während der Kämpfe um Berlin im April und Mai 1945 wurden die Reliefs zum Teil erheblich durch Geschosse und Granatsplitter beschädigt.
Nach dem Krieg wurden die Reliefs auf Drängen der französischen Besatzungsmacht entfernt. Während eine Tafel in Berlin verblieb, galten die anderen Tafeln jahrzehntelang als verschollen. Später fand man sie im Pariser Militärmuseum. Erst 1987 wurden die Reliefs von Frankreich an (West)-Berlin zurück gegeben. Bei der Restaurierung verzichtete man bewußt auf die Ergänzung verlorener Teile und auf die Beseitigung der Kriegsschäden. Auch am Granitsockel der Siegessäule wurden die Kriegsspuren belassen.
Auf dem Sockel steht zunächst eine kreisförmige Säulenhalle, deren Wand mit einem Monumentalmosaik versehen wurde, das auf Wunsch von Kaiser Wilhelm I. nach einem Entwurf des Malers Anton v. Werner geschaffen wurde. Das Mosaik zeigt teils allegorische, teils tatsächlich existierende Personen sowie Darstellungen zur Reichseinigung und Szenen aus dem Krieg von 1870/71.
Über der Säulenhalle erhebt sich eigentliche Säule aus ursprünglich 3 Segmenten, die die Kriege gegen Dänemark, Österreich und Frankreich symbolisieren. Die 3 Säulenringe sind geschmückt mit insgesamt 60 vergoldeten Beutekanonenrohren aus diesen 3 Kriegen. Der vierte, mit vergoldeten Girlanden verzierte Ring wurde 1938 bei der Umsetzung auf Weisung Hitlers hinzugefügt und soll das II. (Kaiser-) Reich symbolisieren.
Über der Aussichtsplattform erhebt sich als krönender Abschluß schließlich die wegen ihrer Vergoldung „Goldelse“ genannte Siegesgöttin Viktoria, die hier mit der Borussia für Preußen gleichzusetzen ist. Der Bildhauer Friedrich Drake schuf die Figur als Abbild der preußischen Kronprinzessin Victoria, Gemahlin von Friedrich III., 1888 Kaiser und König.
In den Räumen des Sockels, die mehr an einen Bunker erinnern, ist eine Ausstellung zur Geschichte der Siegessäule sowie zu anderen Nationaldenkmälern weltweit untergebracht. Wer körperlich fit ist, sollte dann auch den Wendeltreppenaufstieg mit 285 Stufen zur Aussichtsplattform in ca. 58 m Höhe wagen. Dort angekommen müßte man eigentlich mit Helene Fischer’s „Atemlos“ empfangen werden. Belohnt wird der Aufstieg mit einem herrlichen Blick über den Großen Tiergarten und weite Teile Berlins. Da der Platz auf der Aussichtsplattform sehr begrenzt ist, kann es allerdings zu drangvoller Enge kommen.
Die Siegessäule:
Ursprünglich war nur ein Siegesdenkmal für den Deutsch-dänischen Krieg von 1864 geplant. Während der Planungs- und Bauzeit kamen aber noch der gewonnene Deutsche Krieg von 1866 und der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 hinzu. Erst am 2.9.1873, dem Jahrestag der siegreichen Schlacht bei Sedan (im Deutschen Reich als Sedan-Tag begangen), wurde die Siegessäule, erbaut nach Plänen von Heinrich Strack, festlich mit allem preußisch-deutschen Brimborium auf dem Königplatz eingeweiht.
Ursprünglich war die Säule knapp 51 m hoch. Hinzu kommt noch die 8,30 m hohe und 35 Tonnen schwere Siegesgöttin. Mit der Umsetzung zum Großen Stern kam 1938 das viertes Säulenelement dazu, so daß die Gesamthöhe heute knapp 67 m beträgt.
Trotz der heftigen Kämpfe um Berlin überstand die Siegessäule den 2. Weltkrieg. Nach der Teilung der Stadt in 4 Besatzungszonen beantragte Frankreich im Alliierten Kontrollrat den Abriß der Siegessäule. Da die Siegessäule vor dem 1.8.1914 errichtet wurde, lehnten Briten und Amerikaner ab, die UdSSR enthielt sich der Stimme.
Nun beschloß aber der von der SED dominierte Magistrat von Groß-Berlin eigenmächtig den Abriss des Denkmals bis Mitte 1946. Es gelang allerdings, den Abriß bis zur demokratischen Wahl des Magistrats zu verzögern, welcher den Abriß nicht weiter auf seiner Agenda hatte. Erst 1987 gab Frankreich die verschollenen Bronzereliefs zurück. Eine umfassende Restaurierung der Siegessäule dauerte bis 1989. Zwei Jahre später, am 15.1.1991 verübten die linksterroristischen „Revolutionären Zellen“ einen Sprengstoffanschlag auf die Siegessäule. Da der Sprengsatz nicht komplett zündete, entging die Siegessäule einer größeren Beschädigung (Ziel war es, die „Goldelse“ abzusprengen).
Fazit: Sehenswertes, unter Denkmalschutz stehendes markantes Berliner Denkmal und Sehenswürdigkeit vom Beginn der Kaiserzeit, heute wieder mit durch keine Mauer verstellten Blick in alle Himmelsrichtungen auf Berlin.[verkleinern]
