Kurzfassung: Currywurst Pommes im Schnellgang. Beeindruckende Verkäufer. Wurst okay lecker, Sauce auch, Pommes frisch. Der nächste, bitte.
Man muss mir zu Gute halten, dass ich es einmal beim Vorbeigehen geschafft habe zu widerstehen. Aber wollen hätte ich schon mögen, nur dürfen habe ich mich nicht getraut. Konterkariert eine fette Curry-Wurst doch meine Abnehm-Strategie. Außerdem hat mein Rucksack ziemlich gedrückt und den wollte ich folglich zuerst im Hotel zwischenbunkern.
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Hotelzimmer tauchten in meinen Gedankengängen aber immer öfter Kartoffelstäbchen auf, die in blutrotem sämigen Saft badeten und eine wilde Party um eine Currywurst-Schlange feierten. Ich rechnete mir vor, dass ich ja einfach danach noch ein bisschen spazieren gehen konnte, um den Genuss wieder abzulaufen. Eine Stunde würde reichen, bei dem heute schon absolvierten Pensum. Ich lief, nein, rannte schon fast los, mit dem Vorsatz, ganz bestimmt etwas besseres zu entdecken, doch mein Blick prallte an gesünderer Kost einfach ab wie ein falsch gepolter Magnet.Wie auf Schienen rollte ich durch den schon dunklen Abend auf die winzige, hell erleuchtete Bude mit dem Schriftzug „Curry 36“ zu.
Schließlich fand ich mich am Ende einer Schlange von Menschen wieder, die sich vorm Curry 36 herumdrückte. Um es vorweg zu nehmen: Die Wurst und die Pommes waren nicht so besonders toll, allenfalls ganz okay, aber die Performance der Verkäufer hat einfach mal Spaß gemacht.
Normalerweise schrecken Schlangen mich ab, doch während der Schluss der Schlange noch denkt: „Oh, das ist ja eine Sch…“ fragt der Verkäufer dich schon: „Was darf’s sein?“ Und wenn das passiert, hast du es verka__t. Denn fast unausgesprochen herrschte eine Atmosphäre des schnellen Taktes. Es ging einfach so schnell, dass niemand mit langem Grübeln, ob es nun ein oder zwei Würste, mit oder ohne Darm, mit Ketchup, Majo oder nichts oder alles doppelt sein sollte, den Takt vermasseln wollte. Jede Bestellung kam wie aus der Pistole geschossen, möglichst ohne dem Verkäufer auch nur den Hauch einer Chance zu bieten, dass er noch was fragen muss. Denn dann ginge der schöne schnelle Takt ja verloren - und DU wärst schuld mit deiner Tranfunzeligkeit.
Also hieß es schnell lernen, was geht in Berlin. Was mir sehr gut gefiel: Etwaige Schwächen in der Entschlussfreudigkeit von - vorwiegend touristischen - Käufern der Ex-Kanzler-Platte bügelten die Verkäufer mit animierender Lautstärke und Fröhlichkeit weg. So ging im Schnitt zwei bis drei Würste (oder Curry-Buletten) pro Minute übern Tresen, zappzerapp, schnippschnapp, weg isse. Currywurst, ohne, mit Pommes Majo, für dreisechzig.
Dann schnell einen der umliegenden Meatall-Tische ansteuern, die heiße Fracht abstellen und losstechen. Neben dir steht eine russische Touristin mit blitzender Rolex (oder was so aussieht), rechts ein ungepflegter, wie im Delirium vor sich hinbrabbelnder Mann, der am Ende des Napfes noch einen Tauchgang eine Etage tiefer in den Abfalleimer macht, die Pfandflaschen heraus zu angeln. Rechts und links hetzen Menschen vom oder zum Bahnhof Zoo
An einem anderen Tisch echauffieren sich zwei Anzug-Fuzzies über ihren Chef, an der Wand des Verkaufsraums haben einige Mampfgäste ihr Essen auf eine winzige Ablage gestellt und essen ihre mutmaßlich täglich dritte Ration. Zwischendurch immer wieder der Blick zum Tresen, wo vier Hände im Takt des Currywurst-Tangos ihre Kundschaft mit den begehrten Magenschmeichlern versorgen.
Es war ein Erlebnis, nicht das Essen. aber alles drumherum. Billiger als eine Kinokarte allemal.[verkleinern]