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Ein bisschen paradox ist es schon, dass der Förderverein für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses seinen Sitz 250 km Luftlinie von Berlin entfernt in Hamburg hat.
Gegründet wurde der Verein 1992 unter dem Namen „Förderverein für die Ausstellung: Die Bedeutung des Berliner Stadtschlosses für die Mitte Berlins – eine Dokumentation e.V.“.
2003 wurde er in „Förderverein Berliner Schloss e.V.“ umbenannt.
Geschäftsführer ist der Unternehmer Wilhelm v. Boddin (*1942), der nach der... weiterlesen deutschen Wiedervereinigung mit fast schon missionarischem Eifer die Idee vom Wiederaufbau des kriegszerstörten und 1950 von der DDR-Regierung gesprengten Berliner Stadtschlosses der preußischen Könige und Deutschen Kaiser initiiert und bis zur Verwirklichung vorangetrieben hat.
Zunächst aber musste das Schloss erstmal wieder in den Fokus der deutschen und Berliner Öffentlichkeit gerückt werden, denn die Anzahl derer, die das unzerstörte Schloss, die Ruine und die Sprengung der Ruine noch bewusst miterlebt hatten, war zu diesem Zeitpunkt auch schon begrenzt. Und so stand die Mehrzahl der Deutschen einem Wiederaufbau eher kritisch bis ablehnend gegenüber.
Um den Berlinern und Berlin-Besuchern und der ganzen Welt zu zeigen, wie das Schloss mal ausgesehen hat, ließ der Verein 1992 auf 10.000m² Plane in Paris die Fassade des Schlosses malen und hängte diese Fassadenmalerei an einem riesigen Gerüst vor dem damals noch stehenden Palast der Republik aus DDR-Zeiten auf.
Durch diese anschauliche Darstellung des Schlosses im Maßstab 1:1 kippte die ablehnende Stimmung bei großen Teilen der Bevölkerung sowie bei Politikern in Land und Bund.
Boddin und sein Verein trieben die Planungen, die Gunst der Stunde nutzend, voran. Der Palast der Republik wurde abgerissen, der Schlossneubau geplant und finanziert. Es sollten allerdings bis zur Grundsteinlegung noch 20 Jahre vergehen.
2013 wurde der Grundstein für den Neubau des Schlosses auf den Fundamenten und in der Ausdehnung des bis ins 15. Jahrhundert zurückgehenden alten Schlosses gelegt.
Aufgabe des Vereins ist es nun, Spenden zu sammeln um die Nord-, West- und Südfassade im historischen Stil zu gestalten. 55 Millionen €uro muss der Verein dafür aufbringen – finanziert durch Mitgliedsbeiträge, Spenden, Schenkungen und Sponsoring.
Die ursprüngliche Planung, auch wenigstens die Prunkräume des Schlosses, wie z.B. den Weißen Saal, wieder zu rekonstruieren, musste nicht zuletzt aus finanziellen Gründen erstmal aufgegeben werden. Allerdings hat man die Raumgrundrisse im Neubau so gestaltet, dass ein späterer Umbau noch möglich ist.
Falls der Verein ein Mitspracherecht beim Gesamtgestaltungskonzept hatte, dann hat er in meinen Augen beim Ostflügel (ehemals Renaissanceflügel – der älteste Teil des richtigen Schlosses) völlig versagt. Dieser wuchtige, an einen Bunker mit Fenstern erinnernde Neubauflügel zerstört in meinen Augen den Gesamteindruck der nach historischem Vorbild gestalteten anderen 3 Gebäudeflügel. Gegen diese Fassade war die des Palastes der Republik fast filigran zu nennen.
Durchgesetzt hat man sich dagegen was die Kuppel über dem westlichen Eosander-Portal betrifft, die ursprünglich aus Kostengründen nicht gebaut werden sollte. Auch die Frage, ob die Kuppel wieder ein Kreuz tragen soll, ist nun wohl geklärt. Der rot-rot-grüne Senat und die alternative Multikulti-Szene in Berlin hatten mit aller Macht versucht, das Kreuz zu verhindern. Pikanterweise hatte sich in der Debatte der Zentralverband der deutschen Muslime für das Kuppelkreuz ausgesprochen ….
Fazit: Dem Verein ist es in den 25 Jahren seiner Existenz gelungen, die Idee von einem Neubau des Schlosses an alter Stelle in die Tat umzusetzen.
Ob Berlin den Schlossneubau braucht, ist eine andere Frage.
Durch die zu ¾ historische Fassadengestaltung bekommt Berlin in seinem Ursprungsgebiet einen Teil der im 2. Weltkrieg verloren gegangenen Identität wieder. Ohne die rekonstruierten barocken Fassaden wäre das Humboldt-Form nur ein weiterer gesichtsloser Stahl-Beton-Neubauklotz, wie es in Berlin schon etliche gibt.
Und den Einwand, es sei ein Symbol des preußisch-deutschen Militarismus, den schon die DDR als Begründung für Schloss-Sprengung anführte, lasse ich nicht gelten. Dann müssten auch die Hohenzollernstammburg in Hechingen, die Potsdamer Schlösser und Gärten in Sanssouci, die Siegessäule und das Brandenburger Tor in Berlin abgerissen werden (um nur einige zu nennen)!
Noch ist Fassade neu und hell, aber die schlechte Berliner Luft wird dafür sorgen, dass die Fassade bald Patina ansetzt – und die Berliner und Berlin-Besucher werden sich ans neue Schloss gewöhnen.[verkleinern]