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Ausgezeichnete Bewertung
Die Idee einer nationalen Kunstsammlung am Ort der ehedem Bundeshauptstadt ist so alt wie die Republik. Aber irgendwie war es auch hier dem seinerzeit geschäftsführenden Regierungsmitglied Helmut Kohl vorbehalten, Geschichte zu schreiben und 1989 den Grundstein für dieses Institut zu legen. Das von Gustav Peichl entworfene Haus wurde dann im Jahre 1992 eröffnet - etwa zeitgleich mit dem benachbarten Kunstmuseum, mit dem es über eine weitläufige Museums-Plaza verbunden ist.
Eine elegante,... weiterlesen
wenn auch zweckfreie Stelenreihe entlang der Straßenfront, markante Licht-einlassende Kegelaufbauten auf dem begrünten Flachdach und die geschwungene Eingangsfassade sprechen auch hier für den verantwortlichen Architekten. Der hier üppige 127 Millionen Deutschmark verbauen durfte.
Der offiziös-staatstragende Arbeitstitel dieses Institutes zeugt vom Anspruch, den weltoffenen Kulturbegriff unserer Nation zu untermauern Dementsprechend ist die thematische Breite und die Qualität des hier gezeigten außerordentlich. Es geht hier nicht nur um die Kunst aller Epochen und Weltgegenden, sondern auch um Themen wie Archäologie, Ethnologie, Film, Technik oder Ökologie.
Die Kunst- und Ausstellungshalle verfügt über keine eigene Sammlung als Dauer-Schau, sondern es laufen ständig mehrere Ausstellungen parallel oder zeitlich versetzt. Seit Eröffnung des Hauses waren es bereits über 220. 'Kunst der Elfenbeinküste' habe ich bei meinem letzten Besuch am Museumsmeilenfest knapp verpasst.
Dafür gab es:
Abenteuer Orient
Der Kölner (!) Bankierssohn und Forschungsreisende Max von Oppenheim begibt sich 1899 ins heutige Syrien und entdeckt dort den aramäischen Fürstensitz Tell Hallaf. Eine 3.000 Jahre alte Kultur, die ein wenig im Schatten Babylons und Assyriens liegt. Steinreliefs, Großfiguren und Grabbeigaben kommen ans Tageslicht, werden nach Berlin verbracht, im Kriege fast zerstört, restauriert und schließlich in Bonn ausgestellt. Dazu kostbare orientalische Gewänder und andere 'Orientalika' als Leihgaben aus Köln, Berlin, Paris und London.
Kasimir Malewitsch (Ausstellung inzwischen leider beendet)
Multitalent der russischen Avantgarde. Im Laufe seines Lebens (1879-1935) durch etliche künstlerische -ismen gegangen und den Suprematismus (reine, gegenstandslose Kunst) gar selbst erfunden. Wobei dem Meister weitaus ansprechendere Werke gelungen sind, als das Ratlosigkeit erzeugende 'hellweiße Kreuz auf dunkelweißem Grund' - oder war's umgekehrt...? Hat sich nicht völlig dem vom Genossen Stalin.. ähem .. 'angeregten' Sozialistischen Realismus' à la, 'frohgemute Sowjetmenschen / kraftstrotzende Traktoristin / Idyll in blond' angeschlossen. Die Ausstellung zeigt 300 Werke aus Malerei, Grafik und Skulptur. Die feinziselierten 'Architekturmodelle' erinnern an die Filmkulissen aus 'Metropolis' oder frühe New Yorker Wolkenkratzer.
Demnächst: Outer Space - Faszination Weltraum, ab 3. Oktober
Es herrscht strenges Fotografierverbot. Nachfrage, weshalb nicht wie im geografisch nahegelegenen Kunstmuseum oder im thematisch nahegelegenen Pergamonmuseum (blitzlos) fotografiert werden darf, wurde von der - sehr freundlichen - Schergin mit 'Tradition ... is so' beantwortet. Vermutlich hat man hier mehr urheberrechtliche Bedenken als anderswo.
Auch wegen der ambitionierten Preisgestaltung ein Stern Abzug.
Tageskarte für eine Ausstellung: 10 / ermäßigt 6,50 Euro.
Tageskarte für alle Ausstellungen: 15 / ermäßigt 10 Euro
Da legt man am besten noch ein paar Euro drauf und kommt dann für
18,90 / ermäßigt 11,50 Euro auch noch ins benachbarte Kunstmuseum
(Außer man genießt während des Museumsmeilenfestes allüberall freien Eintritt)
Geöffnet Dienstags und Mittwochs von 11:00 bis 21:00, Donnerstags bis Sonntags 11:00 bis 19:00
Neben dem erwartbaren Programm - nämlich Führungen, Kurse und Workshops - finden im Bundeskunsthallenforum regelmäßig Konzerte, Lesungen und Diskussionen statt
Es gibt eine Cafébar im Foyer und ein richtiges Restaurant namens 'Speisesaal' jenseits der Treppenhalle. Letzteres steht auch Nicht-Kunsthallenbesuchern offen und bietet unter anderem auch thematisch an den Ausstellungen orientierte Speisen an.
Es befindet sich ein großes Parkhaus in unmitterlbarer Nähe. Ansonsten Anreise per U-Bahnlinien 16, 63 oder 66 bis Haltestelle Heussallee/Museumsmeile.
Regelmäßiger Besuch durchaus lohnend (Jahreskarte: 60 Euro)
mit freundlichen Grüßen, Sir Thomas
Ergänzung 21.02.:
Outer Space - Faszination Weltraum 3.10.2014 - 22.02.2015
Dies ist keine reine Technikausstellung - es geht scho au um die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Sonne Mond und Sterne, angefangen mit einer Video-Reproduktion von Rubens' Entstehung der Milchstraße.
Die Tradition des Countdowns vor einem Raketenstart wurde aus Fritz Langs Stummfilm 'Frau im Mond' von 1929 übernommen. Auch sonst etliches an Paläo-Sci-Fi aber auch neuere space oddities und Raumschiffsmodelle. Die Enterprise ist in der etwas klobigen B-Variante aus 'Treffen der Generationen' vertreten, C3PO und R2D2 wirken seltsam billig und angestaubt. Das 'Alien', das bei Ridley Scott immer so hektisch umherspringt, lässt sich hier endlich mal in Ruhe betrachten: es wirkt seltsam humanoid und grazil, abgesehen natürlich von den bekannten Sonderausstattungen. Ansonsten etliche Artefakte und Schnittmodelle aus der bemannten Raumfahrt, sogar die originale, erschreckend beengte Einmannkapsel 'Liberty Bell' aus dem Mercury Programm der NASA. Nicht gerade wie im Orlando Space Center aber für Bonn nicht übel.
Die Existenz Gottes konnte (völlig überraschend) auch astronomisch noch nicht nachgewiesen werden, aber dafür gibt es ja eine Etage höher
Der Göttliche - Hommage an Michelangelo 6..2. 2015 - 25. 5. 2015
Vom Meister selbst werden nur Abgüsse und fotografische Reproduktionen einiger Werke gezeigt, dafür aber etliche Nachahmerwerke in gemalter und gemeißelter Form. Durchaus reizvoll: mehrere Variationen desselben Motivs, z.B. 'Der Traum' von verschiedenen Künstlern gegenübergestellt. Ebenfalls reizvoll: die Abwesenheit von Kleinkindern und Kinderwagenmuttis - im Gegensatz zum sehr gut besuchten Erdgeschoss. Am reizvollsten die virtuosen Darstellungen des wohlgeformten menschlichen Körpers. Nicht nur die üblichen Verdächtigen wie Herkules oder die Himmelsstürmer, sondern auch das meiste figurativ dargestelle Weibsvolk (Leda mit dem Schwane) präsentiert sich in ausgezeichnetem Trainingszustand. Da holt der inspirierte Ausstellungsbesucher doch gleich mal die verstaubten Hanteln unter dem Bett hervor.
Ergänzung 3.3.2019
Das musste natürlich sein - gerade für mich als 'Regisseur' ;-) In Zusammenarbeit mit der Deutschen Kinemathek (Potsdamer Platz, Berlin) und ergänzt durch vielerlei erstmals gezeigte Leihgaben präsentiert man das Kino der Moderne. Damit ist das technisch auf Weltniveau befindliche und künstlerisch geradezu eruptive Filmschaffen zur Zeit der Weimarer Republik gemeint. Die kurzfristige Abwesenheit einer staatlichen Zensur führt aber neben expressionistischen Filmexperimenten wie 'Das Cabinet des Dr. Caligari' oder dem hier fast überpräsenten 'Metropolis' auch zu einer - sagen wir - wechselseitigen Durchdringung der Geschlechterrollen. Rauchendes, Hosen- und Zylindertragendes, Automobilpilotierendes und sogar künstlerisch selbstständiges Weybsvolk ?!? Es hatte sich zu Kaisers Zeiten ein erheblicher Modernisierungsstau gebildet, jetzt also mitreißende Aufbruchstimmung, die auch noch vom rasant einsetzenden technischen Fortschritt befördert wird. Der Stummfilm flüchtet sich zumindest nochmal kurz in grandioses Traumtheater, zur Freude des amüsierwilligen Publikums.
Gleichzeitig öffnen die neuen Formen des politischen und des 'proletarischen' Films den Blick auf die Realitäten jenseits des Glamours. 'Mutter Krausens Fahrt ins Glück' wäre hier zu nennen. Angesichts des frisch erinnerlichen Kriegsgrauens und des rasanten allgemeinen Wandels spielt auch das Thema Psychologie im Weimarer Filmschaffen eine gewisse Rolle. Die Ausstellung präsentiert auf vielen Bildschirmen und Projektionsflächen Filmausschnitte, dazu viele zeitgenössische Artefakte, Handschriften, Filmplakate und Divenbekleidung. Zu letzterem Thema - Diven und Göttinnen - (es gab ja nicht nur unseren Weltstar Marlene, sondern z.B. auch das Lieblingsbrigittschen) hätte ich mir ein bisschen mehr Input gewünscht. Dafür erfreut dann die 'Filmwerkstatt' umso mehr: Technik und Produktionsschritte in der Kinematographie der 1920er werden bis hin zum Nachbau eines Filmstudios anschaulich gemacht. Auch von den freundlichen Aufsichts-Schergen sind einige gar prächtig im Stile der Epoche gewandet. Eine großartige Sache, die entgegen sonstiger Hausgepflogenheit sogar fast vollständig abphotographiert werden darf - und wurde. Leider endet die Schau bereits am 24. März. Aber andererseits sind es von da an ja nur noch wenige Monate bis sie wieder da sind, die zwanziger Jahre, regardons....
Im Obergeschoss war letzter Tag der entsprechend sehr gut besuchten Kirchner-Ausstellung. Auch hier geht es recht expressionistisch und mir persönlich oft etwas zu farbintensiv zu. Ernst Ludwig Kirchner hat zwar nie die deutschsprachigen Territorien verlassen, war aber auf der Suche nach Exotischem und Ursprünglichem geistig weltweit unterwegs - daher der Ausstellungstitel 'Eträumte Reisen'. Unter den 180 Exponaten, die - wiederum - zum Teil fotografiert werden dürfen, befinden sich zur Freude des Besuchers gar etliche Zeichnungen und Skizzen der besonders augenfreundlichen, ja beglückenden Art.
Ich hatte nie einen schöneren Karnevalssonntag
mit freundlichen Grüßen, T.[verkleinern]
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