In der kalten Jahreszeit, wenn es schnell dunkel wird, können die eigenen Sinne einem einen Streich spielen! So lief ich nichtsahnend durch die kleinen verwinkelten Gassen „Schnoors“, um mich irgendwo niederlassen, aufwärmen und vor allem etwas zu mir nehmen konnte. Das gestaltete sich zäh bis gar nicht :-(! Vom vorherigem Besuch wußte ich, dass das sich mitunter schwer sein dürfte, weil die Häuschen nicht selten nur über eine „handvoll“ Plätze überhaupt verfügen oder diese (aus welchen Gründen... weiterlesen auch immer) bereits belegt gewesen sind. Wie ich einst schrieb, wurde ich hinterher auf einem der Weihnachtsmärkte fündig… Das ist aber eine andere Geschichte ;-). Jedenfalls im Laufe des späten Nachmittags bin ich eher zufällig zu dieser lebensgroßen Figur gelangt. Aus dem Augenwinkel hatte ich den Eindruck gehabt, dass ich mit jemand anderem zu tun hätte, als einem Bremer „Original“. Das habe ich auch am Anfang damit gemeint.
Man sagt zwar „in der Nacht sind alle Katzen grau“, doch aus der ferne und vom Nieselregen benetzten Brillengläsern hatte ich eine völlig „verrückte Assoziation“ gehabt: es ähnelte für mich von der Stelle, wo ich stand – zwischen dem Theater, auf das ich zusteuerte und der Straße, die Richtung Weser führte, den Komiker Charlie Chaplin erkannt zu haben! Der Gedanke schien mir gleichzeitig als absurd, denn was sollte er denn einst mit Bremen zu tun gehabt haben? Aus alten Darstellungen aber kann man es sich erschließen, dass in den früheren Jahrhunderten nicht viel bedürfte, um so zerlumpt auszusehen, wie dieser Mann hier! Bei „Heini Holtenbeen” war es ein Arbeitsunfall während seiner Ausbildungszeit, der ihn „sonderlich“ werden ließ. Das was ich für den „richtigen Namen“ gehalten habe, ist richtig betrachtet, eine Umschreibung seines Gangs…
Der in Böhmen geborene hieß eigentlichen Jürgen Heinrich Keberle. Dennoch wuchs er bereits als Kind in der Gegend auf. Im frühen 19. Jahrhundert war es keine Seltenheit, wenn man nicht aufpasste, dass man sich schwerwiegend verletzt oder gar sein Leben dabei verloren hatte. Bei ihm war es eine (massive) Kopfverletzung, die zu seinem „eigenartigen“ Benehmen führte und der hinkende Gang, der ihm den besagten Spitznamen einbrachte. Es ist ein plattdeutscher Ausdruck für „Holzbein“. Die Mitmenschen sind jedenfalls davon ausgegangen. Es verhielt sich aber ein wenig anders: durch seinen Sturz von einer Dachluke blieb dieses seitdem steif…
Schaut man sich diese „Erscheinung“, so hat man einen Mann vor sich stehen, der leicht gebeugt vor einem steht, zusätzlich gestützt auf ein Stock. Der Mantel ist voller Flicken
und scheint reichlich ausgebeult aus. Über die Schulter wurde ein Beutel (bzw. heute würde man von einem Rucksack sprechen). So konnte man ihn auf dem Marktplatz vorfinden. Dort bat er die Geschäftsleute von der Börse um die Reste ihrer Zigarren. Diese „verarbeitete“ er zu Hause und verkaufte sie dann später weiter. Damit hatte er gleichzeitig sein Lebensunterhalt verdient. Was mich zu dem vorher erwähnten Vergleich aus einer gewissen Distanz „inspiriert“ hatte, ist die Kopfbedeckung – eine damals modische Melone, als auch die recht krausen Haare (meine persönliche Deutung ;-) ), sowie der verschmitzte Gesichtsausdruck und die ein wenig geneigte Kopfhaltung… Jemand würde dann zu mir sagen: „Ein Fall von blühender Phantasie“ ;-). Bekanntlich liegt die Kunst im Auge des Betrachters.
Was ihn zu einem "Original" werden ließ, waren seine lustig-lockeren-Sprüche, die er den "Spendern" gegenüber von sich gab. Trotz seines schweren Schicksals hat er den Sinn für Humor nie verloren, das habe ich wenigstens so gelesen! Jedenfalls, man soll ihn nie sagen hören, dass er bettelte, sondern um einen "Darlehn" bat. Das (wie könnte es anders sein) im hiesigen Dialekt!
Die lebensgroße Bronze soll, unweit der ärmlichen Wohnung im Schoor, zu finden sein. Das war aber nicht sein letzter Aufenthaltsort gewesen: seine letzte Lebensjahre verbrachte "Heini" in verschiedenen Armenhäusern, wo er auch 1909 mit ca. 74 Jahren verstarb. So traurig möchte ich die Ausführungen aber nicht beenden... An dieser Stelle steht das Werk von Klaus Homfeld seit 1990. Mir hat es ausgesprochen gut gefallen! Falls man dort unterwegs sein sollte, unbedingt anschauen![verkleinern]