Dieser Bahnhof im Stadtgebiet Chemnitz liegt an der seit 1869 komplett in Betrieb befindlichen Eisenbahnstrecke Dresden-Hof, also an einer Hauptstrecke.
Könnte man meinen.
Da vor allem die Region um Chemnitz vom überregionalen Eisenbahnverkehr weitestgehend abgeschnitten ist, hat die Strecke lediglich noch bessern Vorortcharakter. IC oder ICE sind als Züge unbekannt, man beschränkt sich auf Regional- und Regional-Express ( einziger Unterschied, letztere halten nicht an allen... weiterlesen
Unterwegsbahnhöfen , sind daher etwas schneller unterwegs ), immerhin fährt man während der Hauptverkehrszeiten im 30-Minuten-Takt.
Nun steigt man also in "Mitte" - dem früheren Nikolai-Bahnhof, da in der gleichnamigen Nikolaivorstadt gelegen - aus dem Regionalzug ( der überregionale hält hier nicht ) und wird vom Charme der 1920er Jahre begrüßt.
Wobei "begrüßt" viel zu positiv klingt.
Denn, und das ist das fast einzige positive, sauber ist es hier schon. Die Bahn hat Unternehmen beauftragt, die für die Reinhaltung des Bahnsteigs sorgen. Neben einem funktionierenden Ticketautomaten und zwei Sitzbänken für Wartende ist damit aber auch schon Feierabend in Sachen "gut".
Der Bahnsteig selbst hat nicht die passende Höhe, um barrierefrei aus- bzw. einzusteigen. In den modernen Zügen, die auf dieser Strecke fahren, wird vor der Ankunft per Sprachansage auf diesen misslichen Umstand hingewiesen.
Also Vorsicht, Höhenunterschied beachten und nicht stolpern. Rollstuhlfahrer sind auf Hilfe angewiesen.
Über dem Bahnsteig zieht sich eine alte Holzdachkonstruktion als Wetterschutz entlang. Erneuerung oder wenigstens ein neuer Anstrich wären wünschenswert.
Barrierefreiheit Teil 2 ist weiterer Punkt im Negativkatalog. Hat sich ein gehbehinderter Mensch aus dem Zug gequält, fehlt ein Aufzug, um vom Bahnsteig nach unten zur etwa 8 Meter tiefer liegenden Straße zu kommen.
Es gibt nur eine lange Treppe. Und hier geht der Grusel erst richtig los.
Was früher ein schönes Gebäude im Jugendstil war, sehr belebt ( weil früher mehr Kunden die Bahn nutzten ) und mit einer guten Mitropa-Gaststätte sowie Fahrkartenschalter bestückt, zeigt sich heute als verfallendes Bauwerk.
Da klaffen schon mal weggerissene Mauern wie das Maul eines hässlichen Untiers, die Wände sind teilweise mit Schmierereien verunstaltet, erstes Grün erobert sich das Mauerwerk als Natur zurück.
Einem gängigen Stereotyp folgend würde ich sagen: hier nachts als Frau alleine durchgehen ? Eine beängstigende Vorstellung.
Kann man sich nur vorab bei jedem Touristen entschuldigen, der zufällig diesen Bahnhof als erstes Date mit Chemnitz gewählt hat.
DAS ist nicht das wahre Chemnitz, die Stadt ist andernorts wesentlich schöner und liebenswerter.
Einen kleinen Pluspunkt möchte ich als versöhnlichen Abschluß noch anfügen.
Wenige dutzend Schritte vom Ausgang des Bahnhofsgebäudes entfernt befinden sich am Niklasberg bzw. an der Zwickauer Straße jeweils Haltestellen der Straßenbahn. Taktung tagsüber alle 10 Minuten !.
Das ist allerdings kein Verdienst der Bahn, sondern liegt in der Regie der Chemnitzer Verkehrsbetriebe CVAG .[verkleinern]