Warum braucht der Mensch eigentlich Lebensmittel? Wenn sie schmecken, machen sie meistens dick. Und das Schlimmste: Man muß sie kaufen. Wertvolle Feierabendzeit damit vergeuden, durch die wenig ansprechenden Läden gewisser Handelsketten zu schlappen und anschließend die Tüten mühevoll in die Wohnung zu schleppen. Besonders ärgerlich und ätzend finde ich diese Einkaufstouren, wenn das, was man dringend braucht, natürlich in Laden A nicht mehr da ist und man sich auch noch in Laden B quälen muß.... weiterlesen
Nach der Schicht, todmüde und endlich auf die Couch wollend.
Einer der Gründe, warum ich ab und zu mal Lotto spiele: Die starke Motivation, die von der herrlichen Vorstellung ausgeht, diese lästigen Einkaufspflichten nebst Bügeln, Putzen und anderen Gräßlichkeiten endlich an Personal delegieren zu können. Kurz: Ich hasse Einkaufen.
Und für immer mal wieder aufkommende Supermarktschwärmereien im Bekanntenkreis fehlte mir bisher jedes Verständnis. Was mir aber beim angestrengten Weghören irgendwann auffiel: Das Wort „Edeka“.
Edeka-war das nicht mal so eine Art Minimarkt? Die typische Versorgungsbutze in Walacheikäffern, meist zwischen der „Landwirtschaftlichen Genossenschaftsbank“ und dem großen Nichts positioniert? In der Glotze präsent mit den zuweilen originellen Werbespots?
„Da MUSST du mal hin. Ein Angebot haben die-der Hammer. Und gar nicht sooo teuer.“
Und das aus dem Mund einer Düsseldorfer Großverdienerin. Fein. Da muß ich garantiert nicht hin. Ist von meinem Kiez aus auch nur mit dem Auto zu erreichen. Brauch ich nicht. Über nicht vorrätige oder abgelaufene Lebensmittel kann ich mich auch bei Rewe, Kaisers und Konsorten umme Ecke ärgern, ohne vorher stundenlang durch die Baustellen zu kriechen.
Dann kam der verhängnisvolle Tag.
„Wir fahren jetzt zu Edeka!“
„Mööönsch, muß das sein? Schon wieder einkaufen? Bin so müde. Es ist doch noch Brot da, und Tomatenfisch..“
„Nein. Edeka Paschmann. Ich war vorhin kurz drin; der Knaller. Du ahnst es nicht. Der Laden ist genial. Der wird dir gefallen. „
Ich füge mich, heimlich seufzend. Wir rollen auf den großzügigen Parkplatz (90 Minuten frei Parken, immerhin).
Der Einkaufstempel mit dem schreienden Zusatz „Essthetik“ wirkt schon von außen nobel und modern. Flankiert wird er von einem Tierfutterhandel und einem – hurra – Schuhparadies. Um der Einkaufstour was Positives abgewinnen zu können, falle ich dort natürlich zuerst ein und annektiere ein Paar schicke Schuhe-dramatisch reduziert. Jetzt bin ich milde gestimmt und schlagartig hellwach. Geht doch nix über die Schuhkauf-Therapie..
Also auf zu Edeka Paschmann. Der Eingang ist hell und einladend gestaltet; nicht von lamentierenden Dosenbiertrinkern umlagert wie die gewohnten Einkaufsbaracken. Und im Innenbereich fällt mir sofort die ansprechende Ballonlampen-Beleuchtung auf. Hilfe, das sieht alles sehr nobel aus. Kein Vergleich mit der schäbigen Neonausfunzelung, die mir in meinem speziellen Haßsupermarkt immer das Gefühl vermittelt, in der Gerichtsmedizin einzukaufen.
Wir wollen ja nur mal gucken und vielleicht 'ne Kleinigkeit zum Abendessen holen. Also schnappen wir uns ein Einkaufskörbchen. Nach wenigen Schritten sticht mir auf ein Uhr eine irritierende Kühltheke ins Auge.
„Angebot! Frischer Quark mit ganzen Früchten und Schokostücken! 0,79 ct der Becher!“ Der sieht köstlich aus. Für die morgige Mittagspause. Gekauft.
Frisches Obst im Schokomantel! Erdbeer-Marshmallow-Spießchen! Wo gibt’s denn so was? Gekauft.
Es ist Kürbiszeit. Und bei Paschmann sind diese Gewächse natürlich hübsch Halloweenmäßig auf einem Strohballen arrangiert. Ich hatte doch mal so ein tolles Kürbissuppenrezept..
Die Obst-und Gemüseabteilung ist von gigantischem Ausmaß; alles wirkt unglaublich frisch und ist appetitlich aufgebaut. Das fällt sogar mir auf, obwohl ich diesen Bereich sonst keines Blickes würdige.
Wir sind noch keine 10 m voran gekommen, schon müssen wir das Körbchen gegen einen Großkorb-Trolley tauschen. Das kann noch heiter werden.
Sehr angenehm: Es gibt keine stinkenden Bierlachen auf den blitzblanken Böden. Es gibt keine Kesha-Beschallung und auch keine nervigen Jingles nebst Stimme aus dem Off, die irgendwelche Angebote anpreist.
Paschmann hat das nicht nötig. Ist denen doch schnuppe, über welche Ware der Kunde sich mit raushängender Zunge wirft. Wer hier erst mal drin ist, kauft.
Staunend stehe ich vor den Kühlregalen mit dem Ausmaß der Startbahn am Flughafen. So viele Sorten Ziegenkäse auf einem Haufen hab ich noch nie gesehen. So viele Sorten Lachs auf einem Haufen hab ich noch nie gesehen. Und gewisse Produkte hab ich überhaupt noch auf keinem Haufen gesehen.
„Kucksu! Gü-Desserts im Gläschen! New York Cheesecake, ichkrichjadieTürnichzu!“ jauchze ich.
„Nimm mit!“
„Knackeraufschnitt! Den’s beim Rewe so gut wie nie gibt!“ jubelt es ein Regal weiter.
„Nimm mit!“
Der Trolley ist fast voll, als wir die Frischfleischtheke erreichen-und somit noch nicht mal den halben Laden abgegrast haben. Jetzt wird’s richtig schlimm.
Maredo-Ribeye vom argentinischen Rind, im Angebot! Schweinefleischtaschen mit Tzaziki-Krautsalat-Käsefüllung! Frische Lammlachse, fein mit Zitronenscheiben garniert! Ausgefallene Salatsorten; nicht in verbeulten Alugefäßen, sondern in formschönen Porzellanschüsseln dargeboten! Wir kaufen und kaufen. Bei freundlichen und fachkundigen Verkäufern, die tatsächlich den Eindruck vermitteln, daß sie Lebensmittel lieben.
Antipasti und Tapas, in nie gesehener Hülle und Fülle. Und an der nächsten Ecke droht eine wieder sehr ansprechend dekorierte und verheißungsvolle Käsetheke.
Endgültig zusammen breche ich angesichts der Auswahl an „Prodotti“.
An sich hab ich mit Italien nicht so viel am Hut. Vogelmord, Touristenabzocke und Fußballbeschiß. Das mag ich alles nicht. Aber eins muß man den Italienern lassen: Im Kreieren der großartigsten Kalorienbomben liegen sie ganz weit vorn. Und hier bei Paschmann bekommt man sie, die importierten „Prodotti“ aus Bella Italia. Wie die ganz vorzüglichen Focaccias von „Nonno Pepi“. Ich sacke ein, was nicht niet-und nagelfest ist.
Die gourmetgerecht gestylte riesige Weinabteilung (in der auch schon mal Feinschmecker-Verkostungen stattfinden) lassen wir links liegen und asten schnaufend unsere Beute zur Kasse.
„Reichen drei Tüten?“
So viel zum Thema „eine Kleinigkeit zum Abendessen einkaufen“.
High-Tech beim Bezahlvorgang: Hier berappt man nicht der Kassierkraft in die Hand, sondern in den Klingelgeld-bzw. Geldscheinautomaten. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber warum nicht?
Im angrenzenden Getränkemarkt nehmen wir auch noch ein paar feine Säfte mit und wundern uns, daß diese doch recht preiswert sind..
Selten hat mir eine Einkaufstour so viel Spaß gemacht. Selten hab ich so viel Geld in einem schnöden Supermarkt gelassen.
Das Abendessen wurde zelebriert. Statt der guten „Ristorante-Pizza Tonno“ aus der Hand und zwischendurch einem Schluck O-Saft aus dem Tetrapak, stehend am Kühlschrank runtergegluckert, genehmigten wir uns (vom guten Geschirr;-) eine köstliche Focaccia mit Schinken-Käse-Füllung. Dazu wurde am Kelch mit feinstem naturtrübem Apfelsaft von ökologisch einwandfreien Streuobstwiesen genippt. Ein Dinner bei Schnösels-schuld war nur der Edeka.
Ja, es war ein teurer Spaß. Aber - vorausgesetzt, man verfügt über die nötige Disziplin - das muß nicht sein!
Hier meine Überlebenstipps. Bandscheibe (wegen Schlepperei;-)) und Bankkonto werden danken:
1. Gehe NIE NICHT mit Kohldampf zu Paschmann. Besser: Mit Übelkeit nach einer zünftigen Freßorgie.
2. Wie überall gibt es auch hier eine preiswerte Hausmarke; nennt sich „Gut und Günstig“. Ist auch nicht teurer als bei Billigdiscountern, aber oft besser!
3. Auf zum Schnäppchenmarkt: In der unteren Reihe des ersten Kühlschranks für abgepacktes Fleisch wird bei Paschmann alles reingeschmissen, was in ein paar Tagen abläuft-krass reduziert. Da kann man schon mal den teuersten Parmaschinken für kleinstes Geld abgreifen. Merke:In der Not schmeckt die Wurst auch ohne Brot!
4. Wenig Bares mitnehmen und die EC-Karte zuhause lassen.
Ich für meinen Teil übe noch, diese Ratschläge in die Tat umzusetzen;-)[verkleinern]