Eine wundervolle Vorstellung, ist es nicht? Leger doch adrett maritim gewandet im Kreise lieber Freunde, die Teetassen gezückt angetreten an Deck eines eleganten Wunderwerks aus Stahl, Teak und Segeltuch, den Blick schwelgerisch auf den sich nähernden mediterranen Küstenort gerichtet… sagen wir Antibes oder San Remo. Denn Monaco und St. Trop sind bereits hinreichend zu Lande erkundet und außerdem – ach Gott, wem sage ich das – dermaßen überlaufen, dass man auf Jahre hinaus keinen adäquaten... weiterlesen
Liegeplatz bekommt. Soviel Realitätssinn muss sein und schadet niemandem.
Schon eigentlich immer fühle ich mich dem Meere, maritimen Themen und auch der feineren Lebensart zugetan. Und so verwundert es etwas, dass ich es erst kürzlich erstmals auf die hierfür bestens passende Großveranstaltung im löblichen Nachbarort geschafft habe. 1800 Aussteller aus 65 Ländern tummeln sich in den 17 Hallen des örtlichen Messeveranstalters. Warum also nicht auch ich?
Denn die kostenlos dargereichte Postille ‚Boot aktuell‘ vermeldet 20 Erlebniswelten. Nachgezählt hab ich nicht, obwohl natürlich eine vollumfängliche und erkennbar ergiebige Begehung von geschätzt 3sm (Seemeilen) Gesamtlänge unternommen wurde. Wobei die World of Kajak, das künstlich bewindete Kleinsegelrevier oder der mit vielen Beobachtungsbullaugen versehene Tauchertank natürlich einen Blick wert sind. Zum aktiven Mitplanschen bin ich freilich nicht hier erschienen. Auch die seltsamen Funsport – Darbietungen entlocken dem halbwegs gediegen auftretenden Herrn allenfalls ein amüsiertes Schulterzucken.
Gleich zu Beginn immerhin das bemerkenswerte knallgelbe Forschungsschiff Aldebaran mit eingebauter multimedialer Sendestation und Bordvertestung alternativer, umweltverträglicher Technologien. Ein ähnlicher Ansatz wird beim Kleinkreuzer Green-Bente verfolgt, der dem Vernehmen nach zu 90% aus wiederverwertbaren Rohstoffen wie Flachsfaser und Kork besteht. Zugegebenermaßen dient letzteres Material allenfalls der Abdichtung der Champagnerflaschen an Bord der von mir präferierten Bootsklassen.
Gar wundervolle Segelyachten bis hin zur 19-metrigen Swan 60s aus Finnland. Ein freundlichen Herr, den ich um Bootsfotografiererlaubnis bitte, fragt nach meiner ‚Sailing Experience‘. Oh well, magere 2sm vor Ste Maxime: eine Bespaßung im Rahmen der legendären Abifahrt, die mit Mastbruch und motorisierter Errettung aus dem Mare Nostrum endete. Gelinde Heiterkeit: ‚So just keep on trying‘
Genau – wobei die schnittigen Zwei- und Dreirumpfkonstruktionen natürlich eindeutig zu ungemütlich für mich sind. Dasselbe gilt für die Krawall-Abteilung Formel 1 zur See: hier verblüfft ein Geschoss, das mit 2 x 720 PS zwar glaubhaft motorisiert ist, dafür jedoch erkennbarerweise (!) weder über ein Sonnendeck, noch einen Teesalong noch eine Umkleide verfügt. Was mag in einem Hirn vorgehen, das solchen Blödsinn entwirft?
Wat ha’mer noch: Urlaubsplanung zur See im Cruise Pavillon, Halle 14. Allerhand Zubehör und Weiterbildung zu allen Bereichen inklusive korrekter Tauverknotung, kompetenter Entsalzung des Außenbordantriebs oder fortgeschritten perfider Angeltechnik werden geboten. Maritime Kunst sorgt für farbenfrohe Abwechslung. Desgleichen die … modische Bekleidung für Segler oder Taucher.
Auch das Thema Sicherheit kommt natürlich zum Zuge. Vielerlei starkfarbige Ausrüstung zur Bewahrung von Leib und Leben ist hier zu sehen. Inzwischen ist natürlich auch eine Rettungsdrohne erfunden: diese könnte zwar allenfalls den über Bord gegangenen Schiffskater aus dem Wasser ziehen, meldet aber die exakte Position unfreiwillig Badender an den nächsten Seenotrettungskreuzer und wirft auch noch eine Schwimmhilfe ab.
Jetzt aber endlich zum Bereich des eigentlichen Hauptinteresses: der sagenumwobenen Halle 6, die jedes Mal mit spektakulären Sonder-Landtransporten bestückt wird. Das Motto könnte hier durchaus ‚Rule Britannia‘ lauten, denn die Anbieter Princess of Plymouth und Sunseeker of Poole dominieren das Geschehen mit etlichen Preziosen aus dem jeweiligen Produktkatalog. Auch Prestige/Jeanneau de France und Drettman aus Bremen sind hier dankenswerterweise gut vertreten.
Das allhier Dargebotene – Luxusyachten zu deutlich siebenstelligen Anschaffungskosten – wird zunächst von außen begutachtet, wobei eine halbhoch umlaufende Hallen-Empore reizvolle Perspektiven ermöglicht. Sodann begibt man sich erwartungsfroh ans Ende der gottlob kurzen Interessentenschlange. Es dauert ein wenig bis auf die erhöht platzierte Luxusplattform, denn natürlich werden nur wenige Herrschaften zeitgleich an Bord gelassen. Sehr weise - man stelle sich ein straßenbahnmäßiges Gedränge an Bord von bb-dd’s frisch erworbener Princess 75 vor – undenkbar! Der Aufenthalt wird weidlich ausgenutzt und ganz nonchalant werden auch noch fast alle anderen Exemplare – nicht nur das huldvoll zugewiesene Wasserschloss – inspiziert.
Die richtige Einstellung angesichts des vorherrschenden Luxus ist natürlich heitere Gelassenheit - Sozialneider und Klassenkämpfer sind hier völlig falsch. Das Auge des Kenners schweift also entzückt über lederne Wohnlandschaften, schnucklige Kemenaten und ausladende Sonnendecks – bleibt aber auch an einigen Nachlässigkeiten hängen, die in dieser Preisklasse überraschen: der ein oder andere Niedergang ist ein wenig grob zurechtgezimmert, an Deck dominiert dieses unsägliche spiegelnde Teak-Imitat und als ‚Krönung‘ der Prinzessin leider ein Cockpit in Hartplastik-Vollausstattung à la 80s Panda. Kinder! Da legt man gefälligst ein wenig mehr Liebe zum Detail an den Tag, auch wenn das Ganze dann in die nächste Million hinaufrutscht. Aber wir wollen mal nicht so sein und sind ja auch gerade in milder Stimmung: der sehr hübsche, erhabene Rundblick auf die glitzernden Nachbarpreziosen und das staunende Messevolk, dem ich just entstiegen bin, hat schon etwas außerordentlich anheimelndes.
Fast achtstellig wird es dann in der Tat auf dem Flaggschiff der Veranstaltung, der 30 Meter langen und folglich so heißenden Princess 30M. Der Zutritt wird diesmal – immerhin äußerst charmant – verweigert. Der Eigner – Angehöriger des skandinavischen Geldadels – lässt nur persönlich geladene Gäste an Bord und ahnt offensichtlich nicht, wer ihn soeben zu beehren gedenkt. Dann also ausnahmsweise unverifiziertes Munkeln: reichlich Edelgehölz (hoffentlich auch am Cockpit) fünf Schlafgemächer, ausfahrbare Balkone und als kleines Extra ein Verladekran fürs hinter Plexiglas verwahrte Rettungsmotorrad. Kein schlechter Auftritt, der Herr. Und weil es natürlich jedesmal immer extravaganter werden soll, gibt es demnächst sicher ein richtiges Privatschiff der Abramowitsch-Klasse.
Publikum mit Niveau, ausgesucht höflicher Umgang sowohl seitens der hier platzierten Aussteller, als auch unter uns weltgewandten Boat People. Es braucht ja niemand zu wissen, dass mein Scheckbuch gerade von der (ebenfalls charmanten) Arbeitsberaterin verantwortet wird. Und unter uns gesagt: spätestens ab der hier aufgefahrenen Bootsklasse geht auch sonst niemand mehr so wirklich für sein Geld arbeiten – Solidarität!
Umherschwelgen kann freilich hungrig machen: die Häppkes in der Lounge und den Bordrestaurants sind vermutlich ortsüblich bepreist. Dies wurde wegen sportlichem Inspektionsprogramm nicht näher untersucht. Außenbords (der Messehallen) sind volksnähere Imbissanbieter vorhanden. Toiletten zahlreich und gepflegt. Die Öffnungszeiten: 10 bis 18 Uhr habe ich ziemlich vollständig genutzt.
Gibt es was zu meckern? Nun gut, man sieht sich einer verwirrenden Vielzahl orangenfarbiger Pfeilchen gegenüber und es ist kein wirklicher Rundgang möglich. So muss der zahlende Gast doch tatsächlich ab und zu ins Freie treten und bei leichtem Nieselregen die Entfernung zwischen den noch dazu recht hässlichen Hallenkomplexen überwinden. Möglichkeiten zum Abchillen sind dünn gesät bis nicht vorhanden - es sei denn, man möchte auf hartem Plastikgestühl einem Fachvortrag über Wasserschutz oder irgendwelchen insiderigen Taucher-Dönekes lauschen.
Diese kleinen Widrigkeiten werden jedoch mehr als ausgeglichen: nicht nur durch gewisse spektakuläre Exponate sondern auch durch den vorzüglich organisierten, eng getakteten und humorig bemannten Shuttle-Busverkehr. Originalzitat meines Chauffeurs: 'Junge Frau - janz ruhisch, dat hab isch doch schon erklärt: hier ist P1, Feld 2, nächster Halt ist überraschenderweise Feld 3. Kommen Sie damit zurecht?'
Eintritt 22 Euro, im sinnvollen Online Vorverkauf 16 Euro. Halbtagskarten kosten 14 bzw. 11 Euro. Dazu 8 Euro Standgeld fürs Automobil. Als Mitglied des www.boot.club erhielte man weitere 2 Euro Vergünstigung, Zutritt zur chilligen Clublounge, einen Begrüßungsdrink und höchstwahrscheinlich jede Menge Reklamemails.
Sonntag, der 31.1. ist letzter Tag - aber diese Betrachtung wird im Wesentlichen auch auf künftige Aufführungen der weltgrößten Wassersportmesse anwendbar sein. Für mich eine überaus lohnende Veranstaltung, randvoll mit großartigen Anregungen fürs nächste Leben.
Mit vorzüglicher Hochachtung, Sir Thomas
... und für Gleichgesinnte direkt mal zum Weiterlesen:
http://www.prestige-yachts.com/brand.html
http://www.princessyachts.com/
https://www.sunseeker.com/en/
*** Update 20.1.2019 ***
und weil's so erquicklich war, weil es die güldene Jubiläumsedition der Veranstaltung und zudem die persönliche Lieblingsbesprechung ist, also gleich nochmal:
Inzwischen tummeln sich 2000 Aussteller und das Online-Ticket schlägt mit 19 Euro / offline 25 Euro, das Parkieren mit 10 Euro zu Buche. (eine Anreise per rumpeliger S-Bahn, noch dazu ohne Haupteingangs-Shuttle wäre für mich als Großyachten-Inspektor irgendwie unpassend) Außerhalb des Hauptinteresses erfreut diesmal die 'Beach World' in Halle 8A, auch wenn sich das Tele-bewehrte männliche Auge etwas mehr versprochen hat. Auf der dort installierten stehenden Welle von 1,50m Höhe x 9,00m Breite wird nämlich eifrig windgesurft und wakegeboardet - oder dies zumindest versucht. Bemerkenswert ist ferner die neueste Erfindung eines wasserdüsengetrieben Surfbretts sowie der Ultra-Kleinsegler Tiwal 3.2, der sich zerlegterweise in zwei größeren Sporttaschen, mithin sogar im Kleinwagen transportieren ließe und binnen 15 Minuten einsatzbereit sein soll. Das wäre beim überaus prächtigen Großsegler Oyster 675 (Halle 16) ungleich schwieriger. Ansonsten ist alles ganz ähnlich wie oben bereits dargelegt, also schnell zu den normalen Leuten, sprich: Halle 5 und 6.
Wer freundlich fragt, kömmt auch an Bord - zunächst bei Jeanneau / Prestige, deren 40- und 45- Fuß (=übliches Längenmaß) Angebote sich im Raumangebot verblüffend deutlich voneinander unterscheiden. So dass ich mir nur im ersteren Modell das Köpfchen stieß. Gediegene Verarbeitung, definitiv zum Wohlfühlen, nicht aber als Residenz geeignet. Daher flugs weiter zu den britischen Platzhirschen, zwischen denen sich in jeder Hinsicht ein kaum für möglich gehaltener Klassenunterschied auftat: bei Princess herrschte diesmal strenges Regiment: die Kleingruppe wurde recht zügig übers Wasserschloss gescheucht und hatte sodann umgehend die Plattform zu räumen, also kein zwangloser Gesamtüberblick wie zuletzt.
Der Tagessieg geht daher eindeutig an den Rivalen Sunseeker: nicht nur hatte man mit der S86 (wir erinnern uns: Bootslänge in Fuß) diesmal das größte Exemplar am Start, knapp vor der Princess Y85... Nein! Die Charmanz und Gelassenheit der jungen Aufseherinnen war auch eine ganz andere: ungestörtes Flanieren von Bord zu Bord, Schwelgen in unaufdringlicher und bis ins Detail edler Opulenz. Also kein Hartplastik und auch sonst keine Nachlässigkeiten (vgl. weiter oben) die das Auge beleidigen. Meinen bündig abschließenden Fachkommentar 'Das sieht hier aber besser aus als bei Firma P.' kommentierte die junge Dame: 'Na, das will ich doch hoffen!'
Klare Charter... ach was: Kaufempfehlung pro Sunseeker also. Denn preislich tun sich die Platzhirsche nicht viel: 'auf Anfrage (inkl. Verhandlungstalent)' heißt es übereinstimmend. So machen wir das halt ab einem gewissen Niveau.
Mit vorzüglicher Hochachtung, Sir Thomas[verkleinern]