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Ausgezeichnete Bewertung
Wie hört sich das denn an: ein idyllisch gelegenes Wasserschloss mit mehreren Räumen, Dienerschaft, einer eigenen Kapelle und Empfangsraum und zwar quasi als „Dienstwohnung“! Für unsere Ohren schon nach einer Luxusimmobilie, die man sich gerne „unter den Nagel“ gerissen hätte, doch die adeligen Jungfern waren da einer anderen Einsicht gewesen! Für eine Tochter vom hochadeligen Geblüht, die mindestens den „Dienstgrad“ (vor dem Eintritt ins Konvent) der einer Comtesse besessen hatte oder einer... weiterlesen
Prinzessin oder mehr, allerbestes eine Zweitwohnung mit schlechtem Beigeschmack!
Das Schloss Borbeck gehörte über Jahrhunderte hinweg als eine Domäne zum Stiftsbezirk in Essen. Dessen Gebiete sind ab dem 9. Jahrhundert nachweisbar, als ein gewisser Ritter Hermann von Borbeck 869 in einer Urkunde namentlich erwähnt wurde und dieser bezeichnet bis heute dieses Stadtteil im Westen von Essen.
Wenn man davor steht, kann man sich dem Charme kaum wiedersetzen, denn es ist ein rechteckiger Bau mit zwei Ecktürchen, die jeweils mit einer kleinen Laterne oben drüber versehen ist. Der Mittelteil wird durch einen geschweiften Giebel abgeschlossen. Das einzige Schmuckelement ist zugleich ein Hoheitszeichen, denn das Wappen einer der letzten Fürstäbtissinnen ist von der Pfalzgräfin Franziska Christina von der Pfalz, deren vollständige Titelsammlung nur ihr zu erwähnen wichtig erschienen...
Damals schrieb man das Jahr 1744, so sollte es nur noch fortan für ein halbes Jahrhundert als sommerliches Sitz, doch es blieb nur ein seltenes Ereignis. Das liegt nicht nur daran, dass man dort keine Gäste unterbringen konnte, sondern auch, wie eine der Äbtissinen zu ihren Bruder meinte: “es ist eine Zumutung in dem alten Kasten sich aufhalten zu müssen”... Das war der richtige Stichwort, denn jene war tatsächlich Franziska Christina, dem sie ihr heutiges Aussehen verlieh.
Da das Leben in der Barockzeit eh wenig Klösterlich oder gar zurückgezogen verlaufen ist, residierten die adeligen Damen in einem der anderen Häuser, die sehr weit verstreut gewesen sind, denn seit dem frühen Mittelalter, als das Privileg der Damenstifte ausgesprochen wurde, bis zu deren Niedergang Anfang des 19. Jahrhundert, wuchs ein Gebiet zusammen, der nur bildlich darstellbar ist! Von Münster, (natürlich Essen), Köln, Gerresheim bis zum heutigen Hessen... Das ist auch heute (höchstens in Höchstgeschwindigkeiten) in wenigen Stunden zu schaffen, die Distanzen miteinander zu verbinden! Hier findet man eine Karte der Region: https://de.wikipedia.org/wiki/Stift_Essen#/media/File:Grafschaft_mark_1681_sanson.jpg
Das “Amt” war vielen Familien aus dem Hochadel so wichtig, dass sie für ihre Töchter den geistigen Weg geschickt haben. Es war sehr lange Zeit ein Ort der Bildung und der Spiritualität gewesen. Man könnte theoretisch in Ruhe leben, wenn es... keine Auseinandersetzungen bezüglich der Äbtissinnen geben würde. Wie z. B. in den Jahren 1426 und -41 es der Fall gewesen ist. Damals wurde die Vorgängerburg vergeblich belagert. Wie man es sich denken kann, durch die Begehrlichkeiten, die die Besitzungen bei den Männern hervorgerufen haben, weil sie sie gerne selbst besessen hätten, wurde es im Laufe der Zeit doch zerstört. Ein weiterer Grund war dass die “falsche” Jungfer zur Oberin ernannt wurde... 1493 ging die Vorburg in Flammen, ein Jahrhundert später gab es erneut Krawalle, als die spanischen Truppen sich im heutigen Park “breit” gemacht haben.
Die Zeit verging, doch sie wurde nicht friedfertiger: wüst ging es zu, kaum war die Burg hergerichtet worden durch die Äbtissin Elisabeth von Manderscheid-Blankenheim 1591/92 und einem Ausbau zu einer Sommerresidenz, marodierten zum einen die jeweiligen Truppen, die während des niederländisch-spanischen Erbfolgekriegs. Kaum war das überstanden, wütete der 30-jährige Krieg auf diesem Gebiet. Keine guten Aussichten, wenn man es von der Seite betrachtet.
Der Rest ist schnell erzählt: nach der Säkularisation wurde das ganze Gut mit den Nebengebäuden und dem Park, den ich nicht besucht habe, an verschiedene Adelsfamilie über, die während des 19. Jahrhunderts gewechselt haben.
Der letzte Besitzerfamilie hieß jedenfalls Fürstenberg, die es 1941 an die Stadt Essen veräußert hatte. Der 2. Weltkrieg ging leider an dem Gebäude nicht spurlos vorüber, doch das was danach geschah, ist mit einem Skandal gleich zu setzen: statt die Überreste der antiken Möblierung zu behalten, wurde kein Wert darauf gelegt, sodass diese den Restaurierungsarbeiten zum “Opfer” gefallen sind.
Vielleicht wäre es im Sinne der letzten Äbtissin der Tochter von August dem Straken von Sachsen - Maria Kunigunde, die sich am liebsten bei ihrem Bruder Clemens Wenzeslaus abwächselnd in Trier bzw. Koblenz am liebsten aufgehalten hatte, denn sie fühlte sich hier nie wohl und hielt nie mehr als wenige Tage am Stück im Schloss Borbeck aus... das ist jedenfalls meine Spekulation.
Mein Besuch liegt schon mehr als 1,5 Jahre zurück, dennoch konnte ich aus einem persönlichen Grund nicht mal die Fotos anschauen, die ich dort gemacht habe, geschweige denn darüber schreiben, sodass ich es als meinen 1250. Beitrag zum Besten bringen möchte!
Erstes mal, als ich nach Borbeck gekommen war, habe ich ein Hinweisschild erspäht, der zum Schloss hinwies, sodass ich sofort bei einer Freundin der Familie danach fragen musste, doch es hieß nur: “Mädel, vergiss es, ein nettes Gebäude ist das, der Weg lohnt deswegen nicht, es ist mit einem längeren Fußweg verbunden...” Es sah nicht danach aus, dass ein genauer Blick möglich wäre und nur von außen sehen, ich weiß nicht. Da ich auch noch Minderjährig war und bis zu einer bestimmten Uhrzeit zu Hause sein sollte, musste ich davon abstand nehmen.
Jahrelang habe ich mich nicht mal damit beschäftigt, bis... eines Tages die Innenaufnahmen zu sehen gab mit einer wenig aussagekräftiger Bewertung darüber bei dem bekannten, nicht mehr existierenden Bewertungsportal erschienen ist. Das hat mich sehr neugierig gemacht, doch es zog sich recht lange hin, bis ich wirklich mich auf den Weg begeben habe, um es mir selbst anzusehen und ich bereue es wirklich nicht!
Trotz der bewegenden Geschichte hatte es bis 1999 gedauert, dass man für das Schloss erneut ein Nutzungskonzept gefunden hatte: hier werden musikalische und sonstige kulturelle Veranstaltungen abgehalten. Für mich war aber das kleine, aber feine Museum interessanter gewesen, das in der 1. Etage zu finden ist.
Es sind zwar reguläre Öffnungszeiten angegeben, doch da es nur durch ehrenamtliche Betreut wird, kann es passiren, dass man den langen Weg um sonst auf sich genommen hatte und das wäre sehr schade!
Wenn man, wie ich sich neugierig zeigt, kann einige Details mehr erfahren, als das was auf den Tafeln & Co zu lesen ist, doch da soll man sich selbst auf den Weg machen ;-)
Man kann unterschiedlicher Meinung darüber sein, dass es sich nicht um die originale handelt, denn diese kann man in der Domschatzkammer bewundern, doch für einen allgemeinen Überblick über die besondere Geschichte des Ortes und des Konvents.
In mehreren Stationen wird auf die Punkte eingegangen, die ich in diesem Text angesprochen habe: Glauben, adeliges Leben und das was damit verbunden ist. Das kurioseste Exponat ist sicherlich der Balettschuh, der in einer der Vitrinen zu sehen ist. Falls mehr Interesse bestehen sollte, verweise ich auf die Fotos, die ich dort gemacht habe, sowie die hier angegebene Internetseite, denn es ist schon genug zur Tage gekommen, sodass ich an der Stelle Schluss machen möchte mit dem Hinweis, dass bei mir noch etliche Highlights auf ein Plätzchen hier “Warten”![verkleinern]
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