Kurzbewertung: als „lost place“ 5 Sterne, als Kulturdenkmal 1 Stern
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Bei einer Wanderung im Raum Fissau/Eutin kommen wir an der Malenter Straße entlang. Von der Straße sieht man durchs Gestrüpp in ca. 100 Meter Entfernung auf einer kleinen Anhöhe Mauerwerk… einen Turm? Das lässt mir ja nun keine Ruhe und wir suchen nach einem Weg.
Aber… es gibt keinen. Das hindert mich nicht daran, quer durch die Wildnis in Richtung Turm zu stapfen. Wir krabbeln mehr schlecht als recht einen Abhang... weiterlesen hinauf, dann: Brombeerranken noch und nöcher, Büsche, Bäume, Spinnweben, Mücken – wir sind irgendwo im Urwald gelandet, denn nicht mal ein versteckter Trampelpfad ist zu finden. Hier muss seit Jahr und Tag kein Mensch gewesen sein. Doch nun sind wir hier und machen ein paar Fotos.
Erst zu Hause recherchiere ich, was es mit dem Turm oberhalb des Kellersees auf sich hat. Es ist der Kaiser-Wilhelm-Turm und ich lese (auszugsweise) bei wikipedia folgende interessante Informationen:
• Im Jahre 1879 gründeten Veteranen aus den Einigungskriegen in Fissau bei Eutin einen Kriegerverein.
• Am 1. April 1888 (Bismarcks Geburtstag) haben sich Kriegervereinsmitglieder aus Fissau und Eutin im Garten des damaligen Hotels Schubach in Fissau versammelt, um dort eine Bismarck-Eiche zu pflanzen.
Bei dieser Gelegenheit entsteht der Gedanke, zum Andenken an den verstorbenen Kaiser Wilhelm I. ein Denkmal zu errichten.
• Der kleine Fissauer Kriegerverein konnte wegen der erheblichen Kosten das Vorhaben nicht ausführen. Ein Denkmal-Ausschuss übernahm daher die Durchführung des Denkmalbaues.
Dabei wurde die Anregung aufgegriffen, kein Denkmal, sondern einen Turm aus Felsen, einen so genannten „Lug ins Land“, zu bauen.
• Für den projektierten Turm stellte ein Ehepaar einen Platz auf ihrer Koppel in der Nähe des Kellersees unentgeltlich zur Verfügung.
• Die Baukosten von 9.681Mark wurden u.a. aus freiwilligen Spenden bestritten, die fleißige Sammler in Haussammlungen zusammentrugen.
• Am 18. Oktober 1890, dem Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig und gleichzeitig Geburtstag des verstorbenen Kaisers Friedrich III. wurde mit dem Bau begonnen.
• Am 30. April 1891 wurde der fertiggestellte Turm eingeweiht und entwickelte sich aufgrund des schönen Ausblicks über die Seen und die Hügellandschaft der Holsteinischen Schweiz zu einem beliebten Ausflugsziel. Der Eintrittspreis betrug anfangs 10 Pfennige.
• Im Jahre 1893 löste sich der Denkmalsausschuss auf; aus dem Ausschuss geht die Kaiser-Wilhelm-Turm-Gesellschaft hervor.
• Während des ersten Weltkrieges wurden wegen Brennholzmangels alle hölzernen Innenausbauten des Turmes, so auch das ganze Treppengerüst, gestohlen.
• Besonders in der ersten Nachkriegszeit wurden Turm, Fenster und noch vorhandene Türen von einer „zuchtlosen Jugend“ so stark demoliert und die Umgebung so verwüstet, dass es nicht möglich war, den Turm wiederherzustellen.
Wegen des stark zurückgegangenen Fremdenverkehrs konnten auch keine Mittel zur Restaurierung des Turmes mehr erbracht werden.
• 1926 wurde der Turm unter Denkmalschutz gestellt.
• Durch Regierungsverfügung wurde die Kaiser-Wilhelm-Turm-Gesellschaft 1934 aufgelöst.
Nun, der Turm ist wirklich nur noch eine Hülle, hat aber inmitten der verwilderten Umgebung einen gewissen Reiz.
Fazit: ein „lost place“, der hoffentlich doch noch vor dem endgültigen Verfall gerettet werden wird.[verkleinern]