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Manche Kunstwerke werfen Fragen auf, die man gar nicht so einfach beantworten kann. Bei einem langen, erfüllten (Künstler)Leben gibt es mitunter Phasen, die gleichwohl hinterfragt werden können, weil sie in eine Epoche fallen, die von den Nachfolgegenerationen kritisch betrachtet werden! Innerhalb eines Jahrhunderts, vor allem wenn mehrere „Systemwechsel“ vollzogen wurden, ist es gar nicht so einfach, jemanden in eine „Schublade“ zu stecken, die einem in den Sinn kommt! Wenn auch das Talent in... weiterlesen der Familie über mehrere Generationen ersichtlich ist, wie es bei verschiedenen Verwandten von Fritz Klimsch der Fall war, liegt es nahe, dass auch er in diese Richtung gehen wird. Bereits sein Großvater Ferdinand Karl war in Frankfurt als Kunstmaler seit 1812 tätig. Der am 10.2.1870 dort geborene Fritz erhielt schon früh Unterricht beim Vater Louis (1852–74) als auch Patenonkel Friedrich Schierholz (1840 – 1894). In einem solchem Kontext und einem Sohn der Stadt kann ein Urteil über eine solche Person, sowohl sehr wohlwollend ausfallen, als auch sich als eine sehr negative Kritik darstellten! Wie immer (bei mir) gilt. Man muss einen Menschen nach der Zeit und den „Gegebenheiten“ beurteilen, die die Person „geprägt“ und beeinflusst haben, als auch welcher „Stellenwert“ heute bei den „Experten“ ihnen beigemessen wurde! Herausforderungen sind meine „Spezialität“, sodass ich mir selbst ein Bild von seiner Vita machen möchte, bevor ich zum eigentlichem Kunstwerk kommen werde.
Biografien können sowohl gradlinig verlaufen, als auch mit Höhen und Tiefen versehen sein. Bei Fritz Klimsch war von beiden Seiten etwas dabei gewesen! Bei einem „Schulabbrecher“ hat man sicherlich keinen Knaben vor Augen, der seinen Neigungen folgend, sich an einer (königlichen) Akademie (in diesem Fall der Bildenden Künste in Berlin mit gerade 16 Jahren einschreibt! Wie bei seinem Patenonkel sollte es die Bildhauerei sein, die er bei vielen namhaften Künstlern dort absolviert hatte. Es ist dennoch erstaunlich, dass nicht seine Professoren ihn in seiner Kunstauffassung geprägt haben, sondern ein genialer Kollege!, den er während seines Aufenthaltes in Paris kennenlernt hatte: August Rodin (1840–1917)! Wie bei ihm, als auch seine Reisen nach Italien und Griechenland haben dazu geführt, dass sich bei seinen Werken vorwiegend um Aktdarstellungen handelt, wie es auch bei der „Jugend“, die hier zu sehen ist, handelt.
Eine seiner frühesten Skulpturen, die sich noch bis heute erhalten haben, befinden sich weiterhin in Berlin. Diese kenne ich persönlich nicht! Es ist eine Würdigung der Verdienste von Rudolf Virchow (1821-1902) das er zusammen mit Alfred Messel (1853-1909) in den Jahren 1906-10 realisiert hatte. Die Darstellung, das man in Berlin Mitte auf dem Karlsplatz finden kann, soll ihm eine große Anerkennung eingebracht haben. Es sollten viele öffentlich und private Aufträge folgen. Daneben gibt es einige Kleinplastiken, die sich noch heute großer Beliebtheit bei den Sammlern erfreuen. Einige unter ihnen kann man in namhaften Museumssammlungen im In- und Ausland nach wie vor finden. Noch bevor es so weit gewesen war, schloss er sich 1898 zusammen mit den Malern Max Liebermann (1847–1935) und Walter Rudolf Leistikow (1865–1908) zur „Berliner Sezession“ und 1904 riefen sie den „Deutschen Künstlerbund“ in Weimar zusammen. Es muss ein „Privileg“für Klimsch gewesen sein, als er 1910 selbst zum Professor in der gleichen Akademie in Berlin wurde. Weitere Titel / Ämter sollten dann bis 1921 folgen, als er an die Hochschule für freie und angewandte Kunst in Berlin berufen wurde. Mit der Zeit und einer steigenden Popularität erhielt er auch Aufträge und Einladungen zur Ausstellungen mit seinen Werken weit über das deutschsprachige Gebiet hinaus! Durch solche Reisen (vor allem wo man die klassische Antike bewundern kann) entwickelte er seine Vorliebe für den weiblichen Akt. Bis ins hohe Alter blieb er bei seinen Abbildungen einer solchen Anatomie treu, auch wenn man bei der Betrachtung der „Jugend“ einer anderen Auffassung sein dürfte! Machen wir nun einen Sprung in die Zeit, in der diese nackte Frau entstanden ist – die unrühmliche Ära des Nationalsozialismus.
Eine Tätigkeit, als frei schaffender Künstler kann sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringen. Fritz Klimsch hat beide Seiten erlebt. Zeitweise war er auf finanzielle Hilfe durch reiche Freunde / Gönner (gleichzeitig auch Auftraggeber) angewiesen. Viele harte Schicksalsschläge haben partiell dazu geführt, dass er nur durch einen großen Fleiß und große Entbehrungen bewerkstelligen konnte: der eine Sohn Reinold fiel im ersten Weltkrieg, der älteste Uli geriet für 3 Jahre in der gleichen Zeit in die Kriegsgefangenschaft, sowie eine schwerstkranke Tochter, die permanent auf fremde Hilfe angewiesen war und zeitlebens aus diesem Grund bei ihren Eltern blieb, um versorgt werden zu können! Durch eine Strecke bedingt, in der es keine nennenswerten Aufträge gegeben hatte, sowie durch hohe Inflation war das, was zur Verfügung stand, kaum der Rede wert, als auch der bis dahin geführte Lebensstandard! Auch, wenn ich die Berliner Knesebeckstraße bestens kenne, gibt es keinen Verweis dort, dass er dort unter der Hausnummer 93 (heute ein französisches Restaurant im EG) gelebt hatte, weil er sich seine große Wohnung in der Bismarckstraße (mir aus B Charlottenburg bekannt) nicht mehr leisten konnte. Für eine so gesellige Person, wie Klimsch beschrieben wird, der mit anderen Kollegen gerne verkehrte und zum Teil ebenfalls unterstützt hatte, war es sicherlich eine einschneidende Erfahrung gewesen! In den 20er/30er Jahren war er eher dafür bekannt, dass er als Entwerfer für die Porzellanmanufaktur Rosenthal tätig gewesen ist. Es ist hart zu wissen, dass diese von der Situation sogar profitiert hatte, weil selbst die Modelle Fritz selbst gehört hatten, sondern aufgrund der geltenden Verträge sie der besagten Auftragsstellerin bis heute gehören und noch über eine sehr lange Zeitspanne weiterhin in der gleichen Form fortgeführt wurde!
Neben der „Jugend“ gibt es einige Kunstwerke von Fritz Klimsch Frankfurter öffentlichem Raum. Jene, die hinter dem heutigem Gierschmuseum zu finden ist, kenne ich dennoch nicht! Eine unter den Aktdarstellungen wird bis heute weiterhin eher negativ bewertet. Hier sind wir erneut beim Farbenhersteller IG Farben, dem Nachfolger der Cassella Farbwerke Mainkur AG. Der liegende Akt „Am Wasser“ (was ich selbst nicht kenne) gehört zu jenen Werken, die eine Nähe zu den Machthabern für sich beanspruchen kann. Es heißt zwar, dass Klimsch sich nicht als politischer Mensch angesehen hatte, dennoch hat er sich nicht von ihnen nicht distanziert. Mehr noch: er hatte von ihren Aufträgen ab 1935 sogar profitiert! Aus heutiger Sicht wird seine Teilnahme an den regelmäßigen Ausstellungen "Große Deutsche Kunstausstellung im Haus der Deutschen Kunst München" kritisch betrachtet. Was man ihm zu gute halten soll, dass trotz dieses Umstands, er (laut eigenen Angaben) nie der NSDAP beigetreten war. Historiker verweisen darauf, dass sowohl sein Berliner Wohnhaus in der Knesebeckstraße, als auch (Angabe nicht bestätigt) das Archiv der besagten Partei komplett zerstört wurden, ist es schwierig einen „stichhaltigen Beweis“ zu finden, das diese Aussage bestätigt! Gleichzeitig heißt es aber auch, dass sich seine Kleinplastiken bis heute einer sehr großen Beliebtheit erfreuen. In einem solchem Zusammenhang wird stets auf entsprechenden Seiten auf ihre hohe Qualität hingewiesen. Sie wird meistens als „klassisch antik“ umschrieben und nicht, wie in jener Epoche „gewünscht“ war – heroisch und monumental! Auch die junge Dame, mit der wir es hier zu tun haben, wirkt auf mich sehr zierlich und irgendwie schüchtern.
Kunstwerke sind immer ein Spiegelbild der Zeit, in der sie entstanden sind. Bei der „Jugend“ kann ich nicht mal sagen, in wessen Auftrag es realisiert wurde. Da es sich im Vorgarten des Gierschmuseums befindet, liegt es nahe, dass es zu den Exponaten gehört, die Anlässlich einer Ausstellung im Jahr 2010/11 über Klimsch und seinen Kollegen und Freund August Gaul (22. Oktober 1869 Hanau - 18. Oktober 1921 Berlin) erworben wurden. Vielleicht, wenn sich (in nicht absehbarer Zeit) eine Gelegenheit dazu bieten sollte, werde ich diesen Hintergrund beim besagten Museum hinterfragen.
Die junge Frau wirkt auf mich sehr sportlich, was auch dem damaligen Zeitgeschmack entsprach. Sie steht etwas erhöht auf einem kleinem Sockel, direkt neben dem Eingangstor. Es scheint so, als ob sie durch die Blickrichtung nach Links auf das Mainufer schauen würde. Da es sich um eine Aktdarstellung handelt, empfehlt es sich sie in ihrer ganzen Erscheinung zu betrachten. Aus einer gewissen Perspektive wirkt es so auf mich, als ob die ihre Hände zu Fäusten geballt hätte. Beim genauem Hinsehen, wird man aber feststellen, dass diese nicht gänzlich geschlossen sind. Gleichzeitig durch ihre Beistellung hat man den Eindruck, als ob sie schreiten würde ;). Andere Sichtarten sind ebenfalls möglich. Ein weiteres Detail sind ihre Haare, die kurz vor den Schultern enden.
Das Leben von Fritz Klimsch war voller Höhen und Tiefen. Nachdem sein Haus in Berlin angebrannt war, zog er für wenige Jahre nach Salzburg. Das dortige Mozartbrunnen stammte aus dieser Zeit. Nach dem Krieg wurde er aus dem Land ausgewiesen. Die letzten Jahre verbrachte er sowohl in Frankfurt aber verstorben ist er am 30. März 1960 in Freiburg im Alter von 95 Jahren! Was aber für ihn spricht, dass im gleichem Jahr ihm der Bundesverdienstkreuz verliehen wurde, was für gewöhnlich auf besondere Verdienste einer Person hindeutet. So möchte ich auch hier bei der „Jugend“ nicht zu hart urteilen. Meiner Begleitung hat es ausgesprochen gut gefallen, sodass auch hier solide 4 Sterne mir angemessen erscheinen![verkleinern]