Schöne Zeiten waren das, als ich noch jedes Jahr meine Siebensachen packte und nach Asien "rübermachte"!
Mangels Masse wurde zunächst mit allem geflogen, was Tragflächen hatte und günstig war. Non-Stop ab Amsterdam mit China Airlines; incl. Zugfahrt und 10 Stunden schlaflosem Nikotinentzug. Mit Gulf, Royal Brunei, Philippine und dergleichen. Selbstverständlich Holzklasse; je nach Airline mit Sitzabständen, die mir das Aufheben der runtergefallenen Brille ohne Aufstehen unmöglich machte (und... weiterlesen
ich bin weder groß noch dick). Aber egal, man stand das halt irgendwie durch. Wenn es notgetan hätte, wäre ich auch im Stehen geflogen und hätte mich mit einem selbstgepackten Picknickkorb verpflegt.
Doch dann kam der erste Flug mit Emirates. Luxus kann einen ja schlagartig so verweichlichen, daß man plötzlich den Gedanken an kaputte Foltersitze, die sich nicht zurückklappen lassen, doofe Filme und ungenießbares Essen nicht mehr erträgt und sogar bei allem Geiz bereit ist, doch ein Schüppchen Kohle nachzulegen, nur um mit Emirates zu fliegen.
Vernünftige Sitze! Je nach Modell sogar eine Fußraste! Und das Schönste: Das Entertainment-Programm, welches man dank eigenem Bildschirm selbst steuern kann. Der Flug vergeht wie im Flug! Im Anfang wurde ich fast hektisch und wußte nicht, was ich zuerst machen sollte: Ballerspiel? Film? Lesen? Nachrichten gucken? Schlafen?
Mir unbekannt auch (zumindest anfangs, inzwischen ist das wohl bei den meisten Airlines Standard) die Menüwahl und die Möglichkeit, jederzeit ein Getränk mit oder ohne Sprit zu bekommen. Das Essen immer sehr lecker und vor allem reichlich. Bordpersonal so freundlich, daß man sich fast wie ein VIP fühlte. Auf den Toiletten Parfüm und Bodylotion. So laß ich mir die Sparfuchsklasse doch gefallen!
Natürlich besorgte ich mir sofort die Skywards-Card, da man im Gegensatz zu anderen "Sammelkarten" ziemlich schnell genug Punkte zusammen hat, um eine anständige Prämie einzusacken. Meistens haben die Vielfliegerprogramme ja den Haken, daß man schon dreimal im Jahr nach Australien fliegen muß, um eine bescheuerte Duschhaube abzugreifen und die Punkte auch ratzfatz verfallen sind. Außerdem konnte man mit der schicken Karte vorab seinen Wunschsitzplatz reservieren.
Bald war dann auch das erste Upgrade auf die Business-Class für die Strecke Hong Kong-Bangkok drin. Herrlich! Ruckzuck hatte man "auf dem blauen Teppich" eingecheckt und schritt am mittellosen Pöbel vorbei. Stufe 2 der Verweichlichung war erreicht. Komisch, war mir vorher noch nie so aufgefallen, aber: Dieses Economypack hat ja immer riesige Gepäckballen dabei und braucht eine Ewigkeit, bis es endlich verarztet ist-während wir bereits ein Glas Champagner schlürften und das unwürdige Treiben in der Holzklasse (und die neidischen Blicke aus derselben) beobachteten..
Stufe 3 und gleichzeitig die Krönung: Der letzte Flug, das letzte Upgrade, Weiterflug von Bangkok nach Hong Kong und das Glück, in einem nagelneuen Boeing-Flieger zu Gast sein zu dürfen. Wir waren zu dritt; eine Mitreisende hatte verpeilt, sich ihre Meilen gutschreiben zu lassen-und sich schwarz geärgert. Denn gegen diese BC war alles vorher dagewesene wirklich Pillepalle.
Wir ruhten in Lederfauteuils, die so geschickt in Halbschalen gearbeitet waren, daß man sich fast ganz flach hinlegen konnte! Eine Edelholztrennwand ersparte bei Bedarf den Blick auf den Sitznachbarn! Ein richtig gemütliches Kissen lag bereit! Riesige Bildschirme! Eigene Bordvideothek mit Auswahl ohne Ende und noch mehr Spiele! Während das gemeine Volk sich noch entnervt durch unsere luxuriös-breiten Gänge Richtung Sparsitze, Salzkekse und Tomatensaft schleppte, ließen wir uns schon die Massagefunktion unserer Edelsessel angedeihen und das zum Champagner gereichte Edelnußsortiment schmecken. Mein Mitreisender probierte neben mir grunzend sämtliche Sitz- und Liegefunktionen seines Sesselterminals aus, da fiel mir plötzlich auf:Wir fielen auf!
Denn wie wohl alle armen Schlucker, die zufällig mal ein bißchen Upperclass-Luft schnuppern dürfen, dachten wir natürlich, daß "der Reiche" selbstverständlich alle Annehmlichkeiten nutzt, die ihm hier für ein Heidengeld geboten werden. Warum sonst so viel für ein Flugticket berappen? Wir irrten!
Die BC war gut gefüllt. Aber außer uns saßen alle im Umkreis während des ganzen Fluges dösend und stocksteif in "aufrechter Landeposition". und würdigten die Liegefunktion nicht. Obwohl einige sichtlich schon seit Dubai im Flieger saßen und so immerhin schon eine mind. 10-stündige Reise abgerissen hatten. Ausgeschlafen sahen die jedenfalls nicht aus. Auch die jedem zur Verfügung stehenden "Wellness-Kulturbeutel" ruhten offenbar ungenutzt in den Edelholzvorrichtungen. Alles trug korrektes Schuhwerk, die bequemen Emirates-Schluffen lagen eingeschweißt unter den Sitzen. Der Stewardess (die beim Champagnernachschenken nur kurz mit hochgezogener Augenbraue meine bloßen Füße und die achtlos hingeschmissenen, abgelatschten Thaischlappen musterte..) war natürlich sofort klar, daß es sich bei uns nicht um seriöse frequent-flyers, sondern um per Meilenprogramm eingewanzte Plebejer handelte. Sie blieb freundlich. Ein Profi eben.
Aber wir entdeckten weiter Irritierendes: Außer uns trank kein Aas Champagner, obwohl der doch für lau war! "Die Reichen" nippten an einem Gläschen Stille Quelle oder O-Saft. Gegessen hat außer uns auch kaum einer und garantiert hat keiner auch nur ansatzweise überlegt, wie man unauffällig den obligatorischen Löffelklau einstielen kann. Jetzt weiß ich wenigstens, warum man in der Thromboseklasse, wenn das Wunschessen "aus" ist, meistens vertröstet wird auf eventuell übrigbleibende Essen aus der BC und das auch in der Regel klappt. Die zum Kaffee gereichten köstlichen Neuhaus-Trüffel wurden verschmäht, die Bildschirme blieben aus-unglaublich. Aber ich vermute: Das ist eine Art Ehrenkodex! Schlemmen und Schwelgen ist out! Heute zelebriert man wohl eher, des ganzen Luxus überdrüssig zu sein (nicht schon wieder Champagner!). Ich versteh es nicht..Wir genossen jede einzelne Sekunde und jedes Krümelchen, denn wir ahnten es ja schon:
Der Rückflug holte uns wieder auf den Teppich. Fühlten wir uns nach dem Businessflug fast schon wie privilegierte, über den Dingen stehende, coole Typen-echte Vielflieger eben- hockten wir nun wie eh und je zwischen schreienden Kindern und krakeelenden Sauftouristen, neidisch starrend in die BC, wo gerade der Schampus gereicht wurde. Erinnerten uns in all dem Chaos ("Sir, is this your trolley?") wehmütig an die göttliche Ruhe im Edelabteil-leise klassische Musik, höchstens ab und zu ein kaum hörbares Laptopklappern aus den anderen Reihen. Kein Geschrei, kein Geschwätz, kein Schweißmief und man mußte niemals jemanden ausgerechnet dann aufs Klo lassen, wenn man gerade eingenickt war.
Trotzdem: Auch die Holzklasse läßt sich bei Emirates mehr als gut aushalten. Auch wenn ich seit dem letzten Flug vor 3 Monaten den Eindruck habe, daß der Bordservice ein klein wenig nachgelassen hat.
Aber was ist ein etwas trockener Hals gegen die Unannehmlichkeiten eines verpaßten Fluges, wenn die Fluggesellschaft nicht astrein performt? Diesmal isses nämlich passiert.
Da unser für den Flughafentransfer gebuchter Taxi-Service uns versetzt hat, war der Flieger quasi schon auf dem Weg zur Startbahn. Keine Chance. Eng war es bei unseren Fliegereien schon öfter. Aber irgendwie schafften wir es meistens ganz knapp doch noch. Diesmal nicht.
"Sorry, Ma'am."
Danke. Wir sahen uns schon den Gesamtpreis des nächsten Urlaubs an Emirates löhnen, für die Umbuchung auf den nächsten, schlimmstenfalls erst Wochen später verfügbaren Flug-denn die Mühlen auf der Strecke Bangkok-Dubai sind meistens voll. Wir sahen uns bereits mit gekündigten Jobs das Ersatzticket vom ALG abstottern. Eine ganze Woche Erholung drohte in Sekunden den Bach runter zu gehen. Wir waren mit den Nerven am Ende und sahen wohl auch so aus. Die perfekt geschminkten Gesichter der Bodenpersonaldamen zeigten jedenfalls angemessenes Mitgefühl. Und sie schritten sofort zur Tat bzw. griffen nach ihren Walky-Talkies und hackten auf den Computer ein.
Dem langwierigen Telefonat konnte ich nicht folgen, da mir streßbedingt meine Englischkenntnisse vorübergehend abhanden gekommen waren. Die Minuten dehnten sich zu Stunden, wie man so schön sagt. Uns war schlecht.
Nach einer gefühlten Ewigkeit dann die Erlösung: Es war gelungen, uns in eine nur 1,5 Std. später startende Maschine aus Sydney einzuwanzen. Ohne Aufpreis!! Wir konnten unser Glück kaum fassen.
So mußten wir zwar leider auf den Airbus A380 verzichten, aber sei's drum. Zur Not wären wir auch mit einer Propellermaschine nach Dubai gegurkt. Dafür sind wir aber wirklich mit einem blauen Auge davongekommen, ohne uns ruinieren zu müssen.
Danke, Emirates! Da habe ich von gewissen Airlines schon ganz andere Geschichten vom Umgang mit verspäteten Passagieren gehört. Hier kann ich nur sagen: Absolut top. Auch "in der Krise".
In einem letzten Anfall von Verweichlichung und Größenwahn checkte ich zuhause übrigens mal die Aufpreise, die für das Upgrade fällig würden, ohne Meilen. Ernüchternd. Mit "einem Schüppchen" ist es da nicht getan..
Leider kann ich nicht mehr so oft "rübermachen" wie seinerzeit; für's nächste Upgrade muß ich noch ordentlich sammeln. Oder ein Lottogewinn muß her. Aber sollte das klappen und ich irgendwann auch als "Reicher" unterwegs sein, werde ich wohl trotzdem kein Gläschen und Tellerchen ablehnen, barfuß abliegen und vermutlich sogar weiterhin erwägen, ob ich die feinen Pfeffer- und Salzstreuer aus Porzellan mit Emirates-Emblem, die sich tierisch gut in meiner Küche machen würden, nicht doch unauffällig entwenden kann.
Auch dann wird mein Rückreisegepäck mindestens 2 Kilo in den Hotels eingesackte Duschgelfläschchen, Ohrenstäbchen und "Sewing-Kits" enthalten.
Oder doch nicht?!?
Je eher ich es erfahre, desto besser:-))[verkleinern]