die mittelalterlichen Baumeister dessen Konstruktion bewerkstelligt haben, ist bis heute Statikern und Architekten ein Rätsel. Ähnlich wie die Kuppel des Florentiner Doms widerspricht der Freiburger Turmhelm den Gesetzen der Statik. Wahrscheinlich deswegen wird die ewige Baustelle wohl auch eine solche bleiben. Jetzt ist bereits das Baugerüst baufällig, die eifrig modernden Gerüstbohlen mußten kürzlich ausgetauscht werden - Baustelle in der Baustelle...
Das Münster selbst wird es mit Gleichmut zur Kenntnis nehmen. Bauarbeiten sind hier fast häufiger als Hochmessen - auf jeden Fall dauern sie länger. Zu den heute noch im Querschiff erkennbaren romanischen Anfängen aus dem 13. Jahrhundert wurde nach mehreren Unterbrechungen zunächst ein gotisches Langhaus, sodann der aktuellen Baumode folgend ein langgezogener spätgotischer Chor hinzugefügt. Als eine der wenigen gotischen Kirchen Europas wurde das Münster noch im Mittelalter mit der Vollendung des Turmes Mitte des 16. Jahrhunderts fertiggestellt.
Seither reißen jedoch die Bauarbeiten nicht ab: Ergänzungsbauten, Sanierungen, Kriegsschäden, Luftverschmutzung, ätzender Taubendreck - die Münsterbauhütte hat seit jeher die sichersten Arbeitsplätze in Freiburg.
Auch im Inneren ist das Münster sehenswert. Zwar nutzen viel Freiburger die Seiteneingänge gern für eine schnelle Querung über den Münsterplatz, mit Sicherheit wird dabei aber ein Blick in das hohe, lichtdurchflutete Mittelschiff und auf den Hochaltar des Dürer-Schülers Hans Baldung Grien geworfen. Erst 2013 wurde mit einem sensationellen Konzert die neue Orgel in Betrieb genommen, deren Pfeifen an vier verschiedenen Stellen im Münster plaziert ein unvergleichlich plastisches Klangerlebnis vermitteln.
Die über die Jahrhunderte angesammelten Reichtümer der katholischen Kirche werden in der 1821 zum Bischofssitz aufgewerteten Stadtpfarrkirche mit dezentem Stolz präsentiert. Am auffälligsten ist sicher das monumentale Triumphkreuz im Chor, das dort (bzw. in den Vorgängerbauten) bereits seit 1200 hängt.
Besonders erwähnenswert ist die Portalhalle unter dem Turm. Zu meiner Studentenzeit (also kurz nach Fertigstellung des Münsters) grundsätzlich verschlossen und als eigentlicher Haupteingang nicht nutzbar, wurden die hunderte biblischer und allegorischer Figuren aus dem 13./14. Jahrhundert in den letzten Jahren aufwändig saniert und sind jetzt wieder allgemein zugänglich.
Meine ganz speziellen Freunde sind aber die Wasserspeier, die rund um das Münster das anfallende Regenwasser von der Kathedrale wegführen. Jeder Wasserspeier hat eine ganz individuelle Gestalt und meist verzerrte Züge. Einer hängt gar verkehrt herum, hier kommt das Wasser nicht aus dem Maul...
Das Freiburger Münster ist letztlich zwar keine Kirche der Superlative - zur Zeit schon mal gar nicht - aber der lebendige Mittelpunkt Freiburgs. Ein Attribut, das der Kirche auch woanders gut anstünde...
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