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Ausgezeichnete Bewertung
Der perfekt inszenierte Medienhype. So was braucht der Möbellutz, wenn er eine neue Filiale aufmacht. Damit auch jeder das merkt. Weil der überdimensionale rote Stuhl vor der Tür, der fällt ja nur dem auf, der eh schon davor steht.
1. Akt: Lutz kauft Mann und erbt dabei gezwungenermaßen die dahinsiechende Abhol-Filiale in Freiburg. Teure, aber defizitäre Immobilie. Nicht mal der SC Freiburg auf verzweifelter Standortsuche will die Scholle haben. Also mit Getöse umfirmieren und leise... weiterlesen
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2. Akt: "Möbelmeile" gründen. Da haben wir ja schon zwei Möbelriesen am Flugplatz, den Schweden und den Schwaben. Da paßt die Lutze aus Österreich doch prima daneben!! In dem Zuge wird die Stadt Freiburg auch ihr Altlastenproblem mit dem französischen Schießstand aus Besatzungszeiten los, hoffentlich wurde kein Sprengstoffbunker im Untergeschoß übersehen...
3. Akt: Bauphase medial begleiten! Gefühlt jeer zweite eingerammte Betonpfeiler wird mit einer la-ola-Welle der örtlichen Presse begleitet, die Inseratsverträge machen hier vieles möglich, was in echten Metropolen deutlich mehr kosten würde.
4. Akt: Große Eröffnung! Alle regionalen Briefkästen werden randvoll mit Eröffnungsangeboten zugestopft, der normale Postverkehr kommt zum Erliegen. Jedes Auto wird mit Gewinnspielaufklebern zugemüllt, ein regionaler Rundfunksender überträgt live vom Parkplatz. Ein bundesweit bekannter Schunkeljockel und eine popoläre Deutschrockband dürfen mit ihrem Auftritt ihre letzte Wohnzimmereinrichtung abzahlen und haben Anwesenheitspflicht. Und die Massen strömen...
Jetzt, ein knappes Jahr später, Zeit für eine Bestandsaufnahme. Der rote Stuhl steht noch. Das mehrgeschossige Möbelhaus hat eine ansprechende Glasfassade, hinter der kalendertürartig Musterzimmer Einblick gewähren. Der Parkplatz ist zu klein, die Fahrspuren unfallträchtig eng und die Parktaschen bestenfalls smarttauglich.
Möbel hats, in jeder Etage und fast allen Preisklassen. Nach unten verweist man auf´s mömax, den kleinen Billigableger am alten Standort. Nach oben - tjaa, da fehlt noch was im Sortiment der Lutze. Bleibt also genug Raum für die Konkurrenz auf der "Möbelmeile"? Nicht ganz, die bedienen ja ebenfalls die Mittelschicht...
Also müssen die Lutze mit Service punkten. Gute Beratung, Produktverfügbarkeit, schnelle und günstige Lieferung, kostenloser Aufbau... da fällt einem ja viel ein.
Den Lutzen nicht. Zu wenig Personal, nur der jeweilige Abteilungslutz hat wirklich Ahnung vom Sortiment, und weiß, daß das gewünschte Möbel erst bestellt werden muß. Lieferzeit 6 - 8 Wochen. Aufbauservice? Nee, nicht wirklich, aber einen Transporter kann man günstig mieten...
Kein Umsatz heute also. Und König Kunde spielt den echten Vorteil der Möbelmeile aus: Raus aus Lutz und rein zum Schweden. Oder zum Schwaben. Das Auto steht beim roten Stuhl...
2014 - mal wieder da gewesen. Für eine Party brauchten wir kurzfristig noch ein halbes Dutzend Klappstühle. Also nach Büroschluß schnell zum roten Stuhl und rein.
Schon im Eingangsbereich erwartet mich eine junge Dame und präsentiert mir einen Flyer - Prosecco für umme. Brauch ich jetzt nicht, nachher gibts selbstgemachte Hugos daheim - jetzt brauch ich nur schnell Stühle. Das geschäftsmäßige Lächeln der Mitarbeiterin verblasst ob meiner Standortfrage. Sie kann nur Prosecco, keine Möbel...
Klappstühle sollten in so einer Art Mitnahmebereich stehen, sind doch Kleinartikel. Fehlanzeige. Immerhin weiß der dort umherhuschende Lutz, dass Klappstühle im 3. OG sein müßten - Konjunktiv inklusive.
Also hoch, mir pressierts, die ersten Gäste kommen um Sechs und wollen sitzen! Drei Abteilungslutze im angeregten Gespräch gestört: "Klappstühle? Da ganz hinten (war ja klar!), neben der schwarzen Wand."
YES! Eine ganze Batterie Klappstühle, zwei dekorativ aufgeklappt und festgeschraubt - einer schwarz wie gewünscht, der andere Ostereierfarbenblau.
Mein prüfender Blick über den Bestand - alle in diesem allergieauslösenden Blau. Ich brauch Schwarz! Zum Glück kommt da ein Lutz, der sogar am Rechner den Lagerbestand checken kann. "Wieviele? Sie haben Glück, ich hab genau noch sechs Stück am Lager!" Auftrag ausgedruckt, niemand vor mir an der Kasse, bezahlt und ruckzuck zum Abhollager - geht doch richtig flott beim Lutz!!
Aber was ist hier los? Wild geparkte Autos mit ladebereit geöffneten Heckklappen, Kunden stehen, sitzen oder palavern herum, keine erkennbare Aktivität. Egal, rein ins Büro, Zahlungsbeleg gezeigt, her mit der Ware! Stattdessen erhalte ich eine Wartenummer. Das erklärt die Kundenmassen draußen. Wie lang kann Warenausgabe gehen?
Die Antwort kommt prompt: Ein Paket wird nach draußen gerollt. Lauter Applaus der Kunden brandet auf, der glückliche Gewinner kann noch schnaufen; "Über eine Stunde gewartet!" bevor er in sein Auto steigt und verschwindet.
Über eine Stunde?!? Und vor mir noch sicher zwanzig Kunden! Hätt ich doch bloß den Prosecco genommen - meine Hugos werd ich so verpassen!
Das muß doch auch anders gehen. Als ein krawattierter Lutz auftaucht, spreche ich ihn auf die desolate Abholsituation an. Das sei eine andere Abteilung, hier mache jeder seine Arbeit, da könne er nichts tun...
Leuts, ich brauche die Stühle JETZT, das soll doch keine Stehparty werden! Unter Mißachtung der zahlreichen Verbotsschilder das Abhollager betreten, ein (in Zahlen: 1!) Mitarbeiter sitzt vor einem Wust von Abholscheinen und sortiert diese nach Farbe oder Datum. Meine Stühle seien noch nicht dran, das richte sich nach der Reihenfolge der Zahlung an der Kasse. Ob ich ihm beim Sortieren oder Suchen helfen könne wird auch verneint. Ich steigere meinen Lästigkeitsfaktor mit der Frage nach dem Abteilungslutz.
Plötzlich steht ein Paket mit meinen Stühlen vor mir. Mit durchaus schlechtem Gewissen dränge ich mich damit durch die wartende Kundschaft und entschwinde.
Nie wieder XXXL-Abhollager, denn da ist die Personallage XXXS...
Wir schreiben das Jahr 2018 - die Lutze hatten also Zeit satt, ihre "Anfangsschwierigkeiten" zu beheben - immerhin ist die Investition in Freiburg inzwischen zur Hälfte abgeschrieben.
Mein Stuhlkauf von 2014 beschäftigt mich noch immer. Ein Stuhl war nämlich leicht an der Sitzfläche beschädigt. Reklamation und Rückgabe im bereits beschriebenen Abhollager - Wartezeit inkl. - "Nein, einen Ersatzstuhl haben wir nicht auf Lager, muß bestellt werden." Papierkrieg, - "wir melden uns."
Ich gestehe, ich hatte den Stuhl inzwischen vergessen. Beim Autosaugen fiel mir aber neulich der Rücknahmeschein aus dem Handschuhfach. Wollten die nicht anrufen?
Hin, Wartezeit, - "Oh, haben Sie noch keine Nachricht bekommen? Das muß ich neu anstoßen, die Stühle haben wir gar nicht mehr..."
Nach insgesamt vier (in Zahlen: 4!) Jahren habe ich dann den versprochenen Anruf bekommen. "Ihr Stuhl ist da." Wieder hin, Wartezeit - "Ich hab Ihnen den schönsten rausgesucht!" Daheim aufgestellt, Frau ubier fällt natürlich gleich der kleine Fehler an der Sitzfläche auf...
Ob ich da nochmal hinfahre? Warenwert 20 €, Fahrtkosten bisher, Wartezeit und Nerven - da kommt ein vielfaches zusammen.
Aber der Unterhaltungswert für Euch - XXXXL, oder?[verkleinern]