Was für ein Schrecken!
Dass unser Sohn heiraten wollte, fand ich ganz in Ordnung, wenn man auch heutzutage dank großzügiger Geschenke der Politik und des Bundesverfassungsgerichtes die Vorteile einer Ehe genauso ohne deren nachhaltige Verpflichtungen haben kann. Doch es geht ja um Liebe und nicht um Materielles.
Aber er sagte Knall auf Fall und ohne eine Spur von Rücksichtnahme: Auf meiner Hochzeit wird getanzt und Du, lieber Papa, tanzt mit meiner Braut!
Na klar waren meine Frau und ich... weiterlesen
als 14jährige zum Grundkurs in der Tanzstunde gewesen. Die sporadischen Reste dessen, was wir damals gelernt hatten, mussten wir dann auf unserer eigenen Hochzeit anwenden. Lang ist es her, und trotzdem erinnere ich mich noch gut an die skeptisch prüfenden Blicke der alten Tanten. Gnadenvoll gesellten sich meine Schwiegereltern alsbald zu uns auf die Tanzfläche und lenkten von uns ab.
Ab da war Schluss. Auf Partys haben wir uns, wenn es an‘s Tanzen ging, an die Bar verdrückt oder sind gleich nach Hause geflüchtet. Und immer wenn ich in der Zeitung die Heiratsanzeigen studierte - man muss ja die Marktlage kennen - pflegte ich zu bemerken, dass Frauen, die einen tanzwütigen Partner suchen, unweigerlich Singles bleiben.
Und nun??? Lange haben wir es vor uns hergeschoben. Ein paar Prospekte von Tanzschulen hingen am Schwarzen Brett, aber der Gedanke paralysierte uns, wir trafen keine Entscheidung, kamen nicht weiter.
Dann fuhr dieser Smart vor uns her und auf dem stand etwas von Personal Dance Training. Da wir im Zufall das Glück sehen und im Glück unsere Chance, waren meine Frau und ich wie elektrisiert. Ein Wink des Himmels führte uns ganz in die Nähe. Wir merkten uns die Webadresse und was wir dann auf der Homepage sahen, ließ uns feuchte Händchen bekommen. Pia David, stand da, 5fache Deutsche Meisterin im Standardtanzen, 2. der Weltrangliste, Sportlerin des Jahres 1998.
Aber ich habe es gewagt, ich habe angerufen, und das obwohl uns Freunde sagten „Pia David - die hat vor 15 Jahren versucht, uns im Tanzsportclub den Paso Doble beizubringen, ein schrecklich ungeduldiges Mädchen war die“.
Ist sie nicht, und mit dem Hinweis, sie mache auch therapeutisches Tanzen mit Alzheimerpatienten, nahm sie uns den letzten Rest von Lampenfieber. Aber natürlich stellte sie Ansprüche und offenbarte auch eine gewisse Strenge, wenn sie mir zuflüsterte: Bauch einziehen.
„Noch acht Wochen bis zur Hochzeit? Kein Problem“, meinte sie, „bis dahin bringe ich Ihnen so viel bei, dass Sie sich mit Langsamen Walzer und Disco-Fox auf der Tanzfläche sehen lassen können“. Sieben Mal waren wir dann zum Einzelunterricht dort. Unserem immer nervöser werdenden Sohn erzählte ich derweil, wir erprobten ein paar Schritte anhand des Kompendiums „Merkwürdiges von A-Z“, das ich vor 50 Jahren zum Zwecke der Menschwerdung von einer Sparkasse geschenkt bekommen hatte.
Im letzten Juli war die Hochzeit, ein rauschendes Fest. Und was soll ich sagen, obwohl ich drei Tage vorher noch einen Fuß verstaucht hatte, habe ich mich auf die Tanzfläche gewagt und meine Frau ebenso.
Der frisch gebackene Ehemann und sein kleiner Bruder reagierten mit einem erstaunten „Ihr habt geübt“, das traf es, und das ist so ziemlich das Größte an Kompliment, was man von unseren Nestflüchtlingen erwarten konnte.
Ja liebe Frau David, ganz herzlichen Dank - das haben Sie toll hinbekommen. Wir trainieren das Erlernte zuverlässig weiter. Ob wir es aber noch ausbauen? - na da bin ich doch etwas skeptisch. Aber es hat wirklich viel Spaß gemacht.[verkleinern]