Die einstige Hansestadt Herford ist aus meiner Sicht ein lohnendes Ausflugsziel in OWL. Die kleinen Gassen und die schönen Plätze laden dazu ein sich das ganze aus der Nähe anzusehen. Unter ihnen ist mir der ehemalige Wulferthaus besonders aufgefallen. Es ist ein Bild, das bei mir Assoziationen an die Weserrenaissance erinnern. Ein lang gestreckte Seite Richtung Neustadtplatz und was für einen gewissen "Waw-Effekt" sorgt, ist definitiv die wunderschöne Faßade. Der Giebel ist voller Details, die... weiterlesen
man sich genauer anschauen: ein markantes dreieckiger Aufbau, bei dem die einzelnen Teile durch Bänder weiter unterteilt werden. Wie man es sich denken und hier sehen kann, ist es eine Kombi aus unterschiedlichen geometrischen Figuren, die zusätzlich auch unter einander verbunden sind. Dieser Bereich sticht ebenfalls dadurch aus, dass man noch dahinter auch noch die hier verwendeten Backsteine erkennen kann. Dafür scheint der Erker darunter etwas neueren Datums zu sein.
Unter den Gebäuden, die ich in der „Neustadt“ entdeckt habe, dieses zu den ältesten zu zählen. Die erste urkundliche Erwähnung erfolgte, als der heute präsente Kaufmann und Ratsherrn Jobst Wulfert es im Jahr 1560 errichtet hatte. Diese Bezeichnung war aber nicht durchgängig verwendet worden. Später wurde es auch „Biermannsches“ oder „Deutsches Haus“ genannt. In dieser frühen Phase ist es einer der ersten Beispiele der sog. „Lipper Renaissance“, die eine Variante der oben genannten Bauart darstellt.
Solche Prunkbauten waren ein Zeichen der Macht und damit verbundenem Selbstbewußstsein als erfolgreicher Geschäftsmann. Durch den Vergleich mit anderen Bauten der Zeit in der Region liegt es nahe, dass es sich bei dessen Architekten um den namentlich bekannten Meister Johannes von Brachum handeln könnte, der für die Schlossbauten in Assen, Hovestadt, Holtfeld und Overhagen verantwortlich gewesen war.
In der Folgezeit, als sich die Vorlieben geändert hatten, wurden etliche der erwähnten Details entweder versteckt oder dauerhaft entfernt. Ab 1820 war es dann eine „Kantine“ für das preußische Regiment aus Minden.
Erneut haben sich die Eigentumsverhältnisse am 20. April 1894 durch die zuvor erwähnte Familie „Biermann“ und das hat sich bis heute nicht geändert. Im Gegensatz zu dem Äußeren. In den Jahren 1977-79 ging es dann mit den Restaurierungs- und Wiederherstellungsarbeiten los. Es soll schon eine Überraschung gewesen sein, als unter einer dicken Schicht Putz die wunderschönen Verzierungen zum Vorschein kamen. Das gleiche gilt für den nun rekonstruierten Erker, von deren Vorgänger ebenfalls deren Reste gut erkenntlich gewesen sind. Zu dieser Zeit hat man es einem Vorbild dem „Wippermann-Haus“ in Lemgo, der aus der gleichen Zeit stammt, nachempfunden und es dementsprechend errichtet.
Erwähnenswert halte ich auch, dass bis ins 20. Jahrhundert hinein in dem Wulfertshaus die Stadtwaage untergebracht gewesen ist. Die meiste Zeit seiner Existenz war es ein Krämerladen gewesen, was er jetzt erneut ist. Der Unterschied ist, dass es nun Geschenkartikel sind. An der Stelle, wie mehrmals zuvor, wurde von der Stadt Herford diskutiert, ob es „sinnvoll“ wäre das ganze Gebäude abzureißen, um eine „günstigere“ Verkehrsführung zu schaffen. Zum Glück wurde dieses Vorhaben niemals realisiert! Für mich ist es kaum nachvollziehbar, wie es überhaupt zu einem solchen Vorschlag gekommen ist?! Jedenfalls wäre die Stadt um eine Attraktion ärmer!
Trotz aller Bemühungen konnte ich nicht herausfinden, ab welchen Zeitpunkt das Haus seine ursprüngliche Bezeichnung erhalten hatte. Im Vergleich zu früheren Darstellungen ist es heute nicht mehr zur einer Seite offen, sondern es grenzt an weitere Bauten. Durch die enge Bebauung rings rum, war es mir ebenfalls nicht möglich ein Gesamtbild davon zu machen, als auch weil die Sonne sehr ungünstig fürs knipsen gestanden hatte. Was mich ebenfalls wundert, dass es auf dem Giebel Bibelszenen geben soll, die ich bei den vorher beschriebenen Gegebenheiten erst gar nicht bemerkt habe. Vielleicht ergibt sich mal, dass ich Herford erneut besuchen werde, dann kann ich mir dieses Detail genau anschauen!
Das Wulfertshaus ist schon was besonders! Leider an dem Teil, den ich nicht abgelichtet habe, merkt man, dass der Zahn der Zeit nicht an dem Gebäude vorbeigegangen ist. Das ist der einzige Grund für eine Abwertung. Es gehört aber zu meinen Favoriten dort! Wenn man in der Stadt sein sollte, unbedingt anschauen! Meine Empfehlung und ein weißer Fleck weniger hier![verkleinern]