Bei besonderen Lichtverhältnissen bekommt das nordfriesische Wattenmeer, diese Landschaft von Inseln und Halligen, eine unirdische Schönheit. Erfahren kann man das, mit dem traditionsreichen Ausflugsschiff „Hauke Haien“, das ich im Januar 2012 auf dem Büsumer Reparaturslip wiedersah und dessen Geschichte ich hier beschreiben möchte. Ein schönes Foto des Schiffes findet sich auf der Homepage der Reederei.
1951 gründete der junge Kapitän August Jakobs zusammen mit seinem Vater eine Reederei... weiterlesen
und nahm einen Fährbetrieb vom Festlandhafen Bongsiel über Hooge und seine Heimathallig Langeneß zur Insel Amrum auf. Eingesetzt wurden die etwa 16 m langen ranken Schiffe „Ambronia“ und „Hilligenlei“. Komfort gab es nicht an Bord und bei Seegang kam reichlich Wasser über. Aber es ging äußerst familiär zu, wobei sich der Kontakt zwischen Mannschaft und Passagieren schon daraus ergab, dass bei beiden Schiffen die ständig verstopfenden WC‘s nur vom Steuerhaus aus zu erreichen waren. Ich liebte besonders die Ambronia, die auf dem kleinen Oberdeck einen zweiten Steuerstand hatte, an dem man während der Überfahrt stehen und sich groß fühlen konnte.
1960 gab es Veränderungen. Der Hauke-Haien-Koog war fertiggestellt. Damit war Bongsiel vom Hafen zum Hinterland geworden. Neuer Fährhafen wurde Schlüttsiel und Jakobs übernahm ein stolzes Schiff, die knapp 34 m lange „Amrum“, die heutige „Hauke Haien“, einen bildschönen komfortablen Neubau.
Gleich zwei Herausforderungen hatte sie zu bestehen:
- Der wachsende PKW-Verkehr zur Insel war ungeahnt. Auch die konkurrierende Wyker Dampfschiffs-Reederei (WDR) disponierte ihre Neubauten falsch und wurde von den Anforderungen überrannt. Nur drei PKW passten auf das Vordeck der „Amrum“. Über Holzplanken wurden sie aufs Schiff gefahren und dann durch „wuppen“ seitlich auf ihren Platz versetzt (vier Mann, vier Ecken). Um dem Andrang zu genügen und Geld zu verdienen wurden später weitere drei PKW auf das Oberdeck verladen. Das war abenteuerlich. Steil hoch ging es, erst über eine improvisierte Rampe, dann wieder über die Planken. Kein Wunder, dass meistens die Mannschaft gebeten wurde, das Fahrmanöver zu übernehmen. Und gut, dass die Autos noch eine deutlich höhere Bodenfreiheit hatten. Meine Sorge galt immer der Stabilität des Schiffes, denn auch es hatte einen ranken Riss, der hoher Beladung entgegen stand.
- Die Sturmflut 1962, die so viel Leid über Hamburg brachte, war auch verheerend für das Wattenmeer. Kapitän Jakobs und seine „Amrum“ waren intensiv im Rettungseinsatz.
Der Bedarf für Kraftfahrzeug- und insbesondere LKW-Kapazitäten ließ die „Amrum“ schnell unzeitgemäß werden. Schon 1968 brachte Jakobs ein kombiniertes Personen- und Autofährschiff in Fahrt, das als Flaggschiff wieder den Namen „Amrum“ bekam und heute als „Vitte“ Hiddensee versorgt. Die alte „Amrum“ wurde zur „Stadt Husum“ und, nachdem Jakobs seine Reederei zunächst in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und dann mit der WDR fusioniert hatte, 1983 nach Eckernförde verkauft. 1988 kam sie als „Hauke Haien“ ins Wattenmeer zurück.
Inzwischen ist das Schiff technisch umfangreich modernisiert worden. Der alte Dieselmotor, der mit seinen nur 200 PS bei stärkeren Winden und höherem Seegang recht überfordert wirkte, ist einem mehr als doppelt so starken Nachfolger gewichen, ein Bugstrahlruder wurde nachgerüstet und der Oberdecksaufbau umfangreicher und schützender gestaltet. Aber es ist das alte Wattenschiff geblieben, rank, elegant und mit geringem Tiefgang.
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Update vom 14.07.2015
Da war die Hauke Haien mal wieder im Rettungseinsatz - vergeblich:
http://www.welt.de/regionales/hamburg/article143917017/Aufgelaufen-Adler-Express-muss-in-die-Werft.html
Für die Touristen war es sicherlich ein Aufreger, von der
DGzRS abgeborgen zu werden; für die Halligbewohner, die es gewohnt sind, dass ihr Schiff mal für Stunden stecken bleibt, eher eine Lachnummer.[verkleinern]