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Ausgezeichnete Bewertung
Erneut ist es ein Brunnen vor einem Krankenhaus (hier des vom Roten Kreuz geleiteten in Kassel), den ich bei einem (einsamen) Spaziergang, der mein Interesse geweckt hatte. Wie so oft erlebt, hatte ich den Eindruck gehabt, dass in der Form, wie es sich darstellt, „etwas“ nicht ganz stimmig mir dabei vorgekommen ist. Vor Ort war es, sagen wir mal „Bauchgefühl“, der mich dazu bewog, sich auf eine „Spurensuche“ zu begeben, die mich hinterher seht verblüfft hatte! Bereits an der Stelle kann ich... weiterlesen
aber verraten, dass die beiden Anfangs erwähnten Gegebenheiten einen gemeinsamen „Nenner“ besitzen, auf den ich etwas später zu sprechen komme.
Schaut man sich die Konstruktion an, stellt man schnell fest, dass es zum einen den Abschluss einer (parkartigen) Anlage ist, als auch, dass es sich um einen schlichten Becken aus Ziegelsteinen handelt, der im starken Kontrast zu der Krankenhausfaßade dahinter steht. Hinzu kommt auch, dass es mitten auf einer Treppe eingelassen wurde. Nicht wirklich ein direkter Verweis, was es damit auf sich hat!
Die meisten (historischen) Brunnen sind so konzipiert, dass eine Figur (in diesem Fall eine Ente) in deren Mitte, bzw. wenn es sich um eine Gruppe handelt, deren äußerer Gestalt angepasst wird / werden. Hier ist es (leider) nicht der Fall. Wenn man das von der Stufe darunter betrachtet, erkennt man, dass es einzig die Brunnendüse es ist aber nicht der Vogel :-/. Von der beschriebenen Stelle aus, liegt es mehr am linken Rand des Beckens. Wie man es sehen kann, der „Rest“ (was reichlich viel ausmacht) ist „nackt“…
Das Tier an sich ist schon ein Objekt, der wirklich sehr ansprechend aussieht! Da merkt man, dass es mit viel Liebe fürs Detail geschaffen worden ist! Es erschien mir schon kurios, dass die Ente auf einer Kugel sitzt, denn es würde in dem Becken, in dem sie jetzt zu finden ist, meiner Meinung nach, auch ohne auskommen! Nach einigen Recherchen habe ich auch den Grund dafür gefunden!
Nicht nur heute, in den Zeiten der knappen Kassen ist Unterstützung dritter (heute auch als Sponsoring bekannt) gerne willkommen! Dabei haben private Initiativen und vor allem Stiftungen dazu beigetragen, dass „Gemeinwohl“, trotz Gesetzreform (speziell im 19. Jahrhundert) einen angemessenen Stellenwert erhielten. Es war schon bitter, wenn ein Familienmitglied (vor allem, wenn es der Hauptverdiener gewesen ist) dauerhaft aus gesundheitlichen Gründen auf keine finanzielle / sonstige Unterstützung hoffen durfte. Wie heute auch, wurde diese nach einer gewissen Zeit durch die Krankenkasse eingestellt und der Mensch war auf sich / Familie angewiesen. Häufig führten solche Beeinträchtigungen zu prekären Situationen, die mit sozialer Verelendung einhergingen. Verwahrlosung und weitere negative Umstände begünstigten solche „Abwärtsspirale“, die von den Zeitgenossen sehr angeprangert wurden. Welch deprimierende Aussichten, wenn man sich so etwas in den Großstädten um 1900 anschaut! Zum Glück gab es mutige Menschen, die sich etwas einfallen ließen, damit solcher Elends-Kreis gar nicht entstehen konnte.
Über 100 Jahre lang waren die „Henschelwerke“ der größte Arbeitgeber Cassels gewesen, wie es bis ins Beginn des 20. Jahrhunderts geschrieben wurde, der ab 1894 von einer Frau geleitet wurde. Ihre Biografie ist zu der Zeit schon einmalig! Hier möchte ich nur einige Besonderheiten erwähnen, denn der Brunnen ist nämlich Sophie Henschel gewidmet. Es ist nicht das einzige Denkmal, das die Stadt ihr zur Ehren aufstellen ließ. Mehr über ihre (besondere) Vita an der passenden Stelle!
Nicht nur, dass sie ein etabliertes Unternehmen mit 2.500 Mitarbeitern zu einem (wie man es heute bezeichnet) „Global Player“ in Sachen Eisenbahnbau mit allen Produktionsschritten dazwischen bis zum mehr als 4-fachen dessen bei ihrem Ableben 1915 werden ließ. Ihr Wirken in der deutschen Kaiserzeit war geprägt von den Stiftungen, die sie ins Leben rief: Krippen für die Kinder der Werksarbeitenden, Haushaltskurse für die jungen Mädchen und was hier am wichtigsten ist, dass sie eine eigene Gesundheitsfürsorge etabliert hatte, für den sie ein großzügiges Grundstück zur Verfügung gestellt hatte. Sie war die erste, die ein überkonfessionelles Krankenhaus gegründet hatte, wo die Menschen kostenlos behandelt wurden. Für Sophie war Geld kein Selbstzweck, sondern als eine „Verpflichtung“, die mit sozialem Engagement einhergeht. Die liberale Gesinnung, die sie schon ihrem Elternhaus im preußischem Minden mitbekommen hatte, hatte schon dort das Wohl anderer einen hohen Stellenwert genossen. Das kann man als ihr Lebensmotto verstanden werden!
Bis weit in die Industrialisierungszeit war es keine Selbstverständnis, dass die Ausbildung auch für die unteren Schichten grundsätzlich ermöglicht werden sollte. In den meisten Branchen war noch lange danach eine „Hürde“, dass dafür (im Gegensatz zu Jetztzeit) ein Lehrgeld an seine „Meister“ entrichtet werden mussten. Um Chancengleichheit in diesem Punkt zu schaffen, hat sie in ihrem Unternehmen (ebenfalls als eine der ersten) darauf verzichtet! Die Familien stärken, damit sie aus eigener Kraft bessere Ausgangsvoraussetzungen fürs künftige Leben auf den Weg gebracht wurden! Mit einfachen Worten war es Hilfe zur Selbsthilfe!
Die selbstbewusste Mäzenin war eine politisch motivierte Gestalt, ohne das ihr eine entsprechende Position inne zu haben. Frauen war es noch etliche Jahre nach Sophies ableben gar nicht möglich gewesen, dies überhaupt tun zu können, weil es ihnen völlig verwehrt geblieben ist! Noch heute wird sie (laut einer vor wenigen Jahren abgehaltenen Umfrage), dass sie die erfolgreichste Unternehmerin in Kassel war, die die Stadt nachhaltig geprägt hatte! Auch wenn die Werke seit über 50 Jahren nicht mehr existieren, die von ihr gegründeten Vereine / Einrichtungen existieren weiterhin bis heute!
Sophie Henschel eine tüchtige Frau, über die ich noch wesentlich mehr berichten könnte, doch an der Stelle möchte ich zurück zu ihr gewidmetem Brunnen und Platz zurückkehren. Wenn man sich alte Aufnahmen von diesem Bereich anschaut, wird man feststellen, dass einst bis zum 2. Weltkrieg es einen anderen Vorgänger gegeben hatte. Dort wurde folgende Inschrift angebracht: „Frau Sophie Henschel In Dankbarkeit die Stadt Cassel“. Davon kann heute keine Rede mehr sein :-(. Statt einer Mauer, auf der die namensgebende Ende sich befand und in ein Becken unterhalb das Wasser spie, sieht es so wie beschriebenen aus :-/. Es gibt eine Interessengemeinschaft, die sich dafür einsetzt, dass es (das einige Teile vorhanden sein sollen) diese Form erneut erhalten soll. Hier kann man sich ein Bild davon machen: https://www.hna.de/kassel/zurueck-alter-schoenheit-2889851.html.
Dort habe ich gelesen, dass es die Stadt selbst 1924 in Auftrag gegeben hatte. Über die damit verbundenen Details, sowie der ausführende Künstler gewesen ist, konnte ich keine weiteren Angaben finden. Für den Engagement, das mit Sophie Henschel verbunden ist, wirkt ein solches Denkmal nicht wirklich angemessenen… Vor allem, wenn man bedenkt, dass es nicht mal ersichtlich ist, dass es diesen Hintergrund besitzt :-(. Mehr als 3 Sterne sind leider aus meiner Sicht nicht drin…
Das DRK Krankenhaus vor dem es steht, liegt einige Querstraßen vom Bundessozialgericht (bzw. der gleichnamigen Haltestelle) entfernt. Von dort ist es bestens ausgeschildert. Nur aus diesem Grund lohnt sich ein weg dahin aber nicht.
Erneut ist es sehr lange geworden, doch ich mag solche „Herausforderungen“, für die ich mehrere Tage beschäftigt haben ;-). Weiße Flecke mag ich nicht, sodass es mir alles in allem angemessenen erscheint! Eure Kulturbeauftragte.[verkleinern]