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Die meisten historischen Friedhöfe muss man im Kontext ihrer Zeit gesehen werden. Bei dem in Kassel, das sogar zwei Bezeichnungen besitzt – der Altstädter bzw. Lutherplatz Friedhof. Bei diesem ist es aber aus meiner Sicht eher schwierig. Es ist einer von jenen, die zwar lange bestand gehabt hatte, dennoch bereits vor Jahrhunderten mit seiner Funktion abgelöst wurde. So hart, wie die Vorschreiberin kann ich darüber nicht urteilen, weil ich keine „illegalen“ Aktivitäten entdecken konnte. Dieser... weiterlesen Areal ist eng mit der Geschichte Kassels verbunden. Allgemein bekannt ist sicherlich, dass einige Mitglieder der Familie Grimm hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben aber es gibt einiges mehr (trotz das er über eine sehr begrenzte Fläche verfügt) zu entdecken, als sie!
Es ist nicht das erste mal, dass nach einem Ende einer Nutzung die jeweiligen Flächen anderweitig genutzt werden. Wie vor einigen Jahren in Frankfurt / Main erwähnt, bleibt es nicht aus, dass aufgrund von geänderter Sichtweise, ein Teil dessen „geopfert“ wird. Hier wurde ein großer Bereich des einstmals ca. 15.000 m² großen Geländes für den Bau der evangelischen Lutherkirche benötigt. Ursprünglich lag es davor vor den Toren der Stadt. Das war jedenfalls in seiner Nutzungszeit 1561 bis 1843 der Fall gewesen. Eine Besonderheit möchte ich bereits jetzt mitteilen: kenne zahlreiche vergleichbare Orte im In- und Ausland. Kann mich aber an keine einzige erinnern, auf der sowohl die „einfachen“ Einwohner der Stadt, als auch am Rand der Anlage ein Mausoleum für das zuvor regierende Herrscherhaus (hier mehrerer Familienmitglieder [Fürst?] von Hessen-Kassel) gegeben hatte. Die mir bekannten waren meistens in Kirchen / Klöstern bzw. in der in der Nähe der Adelssitze zu finden. Das eingezäunte Mausoleum wurde im Auftrag des letzten amtierenden Regenten Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Hessen-Kassel (1820–1884) gewesen, der im Exil gestorben war. Auf einer Tafel wird das auch angezeigt. Vielleicht kann man es als ein Kuriosum bezeichnen aber dort sind nicht nur seine beiden Ehefrauen zu finden, sondern auch seine Geliebte Luise von Hessenstein (1766-1847). Es soll einer jener „Geheimnisse“, die man bei einem Themen-Rundgang, das von der Touristeninformation (jedenfalls vor Corona) angeboten wurde. Sonst verweise ich auf die anderen Bewertungen zu diesem Thema!
Schaut man sich das schematische Bild der Anlage an, wird man feststellen, dass es die Form eines Pfluges besitzt. Was mir bis dato nicht bekannt gewesen ist, dass jene „wertvolle“ Grabmale, die die Stadt Kassel aus konservatorischen Gründen entfernt hatte, sich im Sepulkral Museum (Bestattungskultur) befinden! Hier kann ich keine weiteren Angaben machen, weil ich diesen nie besucht habe.
Friedhöfe kann man als eine Art aufgeschlagenes Buch der Geschichte(n) bezeichnen, die aber für einen zum Teil „fremd“ wirken können. Da kann der „Zahn der Zeit“ dran „Schuld“ sein oder die mangelnde Kenntnis welche Bedeutung eine solche Ruhestätte gehabt hatte. Heutzutage ist es eher mit einer (weiteren) Grünanlage gleichzusetzen, die nach belieben (und nicht nur im übertragenen Sinne) mit den Füssen getreten wird. Ehrlich gesagt, da ich wusste, dass mein Partner solche Orte nicht mag, haben wir diesen eher durch Zufall bei einem Rundgang in der Stadt entdeckt. Bei einer geänderten Nutzung ist es immer ein Spagat, was die „anderen“ daraus machen. Auf mich hatte es schon einen befremdlichen Eindruck gemacht, dass die jungen Menschen (aber nicht nur) es als eine Art „Partyzone“ wahrgenommen haben. Ihre Anzahl sprach schon dafür, dass es such um einen belieben Treffpunkt von ihnen handelte. Von der Lautstärke waren sie weder zu überhören und je näher man ihnen gekommen ist, auch nicht zu übersehen :(. Habe mich ein wenig unwohl gefühlt, weil ich befürchtete, dass einer von ihnen (bei pubertierenden Jungs, kann man es nie wissen) meine Knipsversuche „missdeutet“ und es auf sich selbst bezieht… Mag sein, dass es eine subjektive „Kopfsache“ ist aber wenn das individuelle Sicherheitsgefühl nicht stimmt, dann ist ein hinterfragen einer solchen Situation die Folge. Wenn selbst mein Partner das lautstarke grölen, das aus einer gewissen Distanz als eine (vermeintliche) Schlägerei gedeutet hatte und aus diesem Grund, als ein kräftiger Manna das „weite“ suchen wollte, ohne das ich mich überhaupt umschauen konnte, zeugt, dass auch er das ganze als unangenehm empfunden hatte. Nicht alles, was man zu sehen glaubt, muss bei genauer Betrachtung auch stimmen, wie es sich hinterher herausgestellt hatte. Kann mir vorstellen, wenn man zu einer früheren Uhrzeit dort sich befindet, man die wenigen Zeugnisse der Vergangenheit für „sich“ haben. Nun möchte ich mich denen Zuwenden.
Noch heute kann man sagen: je „ausgefallener“ / imposanter (trotz der geltenden Vorschriften) ein Grabmal, desto vermögender war(en) die / der Auftraggeber. In der Regel bei den historischen handelt es sich um welche, die unter (besonderem) Denkmal stehen. Zu den gehören definitiv jene, die in ihrer Erscheinung architektonische Merkmale aufweisen. Da wäre der sog. „Reichenbachgrab“ bei dem die unehelichen Kinder des vorher erwähnten Kurfürsten mit der gleichnamigen Gräfin beerdigt wurden. Das ist zugleich das markanteste Grabmal überhaupt mit dem Gitter rund herum mit den kleinen Engeln in den Ecken des „Käfigs“, sowie einer Mariendarstellung (s. Foto). Bei einem (auch wenn es für einige makaber klingen mag) musste ich richtig grinsen: besser gesagt die Assoziation („Kopfkino“) hat mir einen Streich gespielt. Jene, die an die Eheleute von Schmerfeld erinnert, kam mir wie eine, wenn man den Blick nach oben wendet, überdimensionierte Badewanne auf einem ebensolchen Sockel angebracht war. Wenn ein solches Detail mir das erste mal untergekommen wäre, dann könnte ich es besser nachvollziehen aber eben spielen die eigenen Sinne einem selbst einen „Streich“ ;-)!
Bei den wenigen Dutzend an historischen Grabmalen ist es eine kurzweilige Angelegenheit sie alle sich nacheinander anzuschauen. Was mich ein wenig nachdenklich machte, wie „schlicht“ das der Mutter der beiden Schriftsteller Jacob und Wilhelm Grimm, Dorothea ( 20.11.1755- 27. 5.1808) anmutet. Leider habe ich kein Foto davon gemacht. Das lag daran, dass die Tafel, die darauf hinweist, wurde vor diesem im Gras angebracht und die Stele dahinter ein wenig „überwuchert“ war. Hingegen das dessen Schwägerin Elisabeth (eine Reihe dahinter) ist an dem kleinen kniendem Engel mit der Palmette erkennbar. Zusätzlich ziert diesen, in die Grabplatte eingelassene Bronzeplatte, in der ein Blumenkranz plastisch das ganze ziert. Im Gegensatz zu dem ihrer Schwiegermutter kann man anhand einer weiteren Tafel wird der familiäre Hintergrund bestens erläutert. Es mag für Außenstehende kaum nachvollziehbar sein aber ihr Mann (dem deutscher Maler, Radierer und Kupferstecher) Ludwig Emil und die beiden vorher erwähnten Wissenschaftler sind auf dem heutigem „Zentralfredhof“ zu finden. Dennoch ist es erwähnenswert, dass es einen ähnlichen Grabmal für die Schwester (Lotte) Amalie verheiratete Hassenpflug gibt. Kann sein, dass ich mich vertue aber einigen Quellen zufolge, soll es diesen gar nicht mehr geben und es eine Verwechslung meinerseits handelt.
Nun möchte ich zu dem Punkt kommen, der mich selbst am meisten überrascht hatte: es handelt sich um eine Steintafeln, die man sonst „übersehen“ könnte. Auch dieses steht unter Denkmalschutz. Es ist dennoch eins der wenigen das aus weißem Marmor besteht. Für gewöhnlich wurde eine solche Entscheidung (entweder bereits) zu Lebzeiten durch den, der an jener Stelle liegt bzw. seine Angehörigen getroffen. Das an welches ich denke, verhielt es sich ein wenig anders! Es gibt mitunter Menschen, die auf andere einen großen Eindruck gemacht haben, ohne dass sich jene je begegnet wären! Das trifft auf den Historiker und „Patriot“ den in der Schweiz in Schaffhausen geborenen Johannes Müller der Fall gewesen. Bei dem Stifter handelte es sich um keinen geringeren als den bayerischen König Ludwig I. der Anlässlich des 100. Geburtstages des besagten im Jahr 1852 für eine „Aufwertung“ sorgte. Durch die Tatsache bedingt, dass Ludwig als junger Mann in Kassel noch als Kronprinz studiert hatte, konnte er ermessen, welche „Leistung“ dieser vollbracht hatte, indem Johannes Müller mit der Forschung über die Hintergründe des „Schweiz-Mythos“ in Prosaform veröffentlichte. Diese wurde auch zum lesbarem Sinnspruch zusammengefasst:
„Was Thukydides Hellas, Tacitus Rom, das war er seinem Vaterlande. Dieses Grabmal setzte der Bewunderer seiner Geschichtswerke Koenig Ludwig I. v. Bayern"
Friedhöfe sind Orte, die unterschiedlich wahrgenommen werden können. Manchmal aber auch Werke, die man erst in Nachhinein „lesen“ kann, wie dieses in Kassel. Mir fiel es schwer das ganze so darzustellen, dass nicht der Eindruck entsteht, dass man diesen besser meiden soll, aufgrund dessen was ich vorher beschrieben habe. Vielleicht habe ich bei einigen von euch die Vermutung nahe gelegt, dass es ggf. eine bessere Benotung als ein OK geben würde. Jeder macht seine Erfahrungen und hier hat es nicht zu etwas „besserem“ gereicht. Wie immer gilt: sich am besten ein Bild vor Ort machen und sich das seine denken...[verkleinern]