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BETRIEBSFERIEN – vierzehn Buchstaben, die zur Qual werden können. BETRIEBSFERIEN – vierzehn Buchstaben, die die Halbpension in unserem eigentlichen Landgasthof zu Übernachtung mit Frühstück degradieren. Wer zum ****** hat das denn gebucht?! Die trotz der vierzehn Buchstaben anwesende Hausdame unseres Landgasthofs fragten wir nach einer Alternative, die sich mit folgenden Schlagworten beschreiben lassen sollte: gut, nicht allzu weit weg, preislich Mittelfeld und nicht gerade... weiterlesen philatelistenfreundliche Kleinstportionen, die sogar auf einem Unterteller eher verloren wirken.
Ohne zu zögern empfahl man uns den Landgasthof Hubertus, sechs Kilometer, einige Straßenrandkühe und eine Ortschaft entfernt im Ortsteil Apfeltrang gelegen. Jetzt ist essen gehen mit sieben Personen „auf gut Glück“, noch mehr Hunger und ohne Reservierung ein eher optimistisches Unterfangen, aber Versuch macht bekanntlich kluch. Also die ganze Meute á la Tetris in den VW Bulli verladen, den Fahrer ausknobeln und dem Abstinenzler des Abends eine Runde Mitleid vorkichern.
In Apfeltrang angekommen, ist der Landgasthof nicht zu verfehlen. Ein top renoviertes Gebäude mit Nebengebäuden und schön ausgebauter Scheune…. Und mit einem riesigen Parkplatz, der mindestens 60 Fahrzeuge locker einstallt, während deren Besitzer sich den Bauch vollschlagen. Für allzu große Bierseligkeit hat jeder Parkplatz eine Nummernplakette angebracht. Verlaufen ausgeschlossen…
Über den barrierefreien Zugang erreicht man das proppevolle Lokal und unsere Hoffnung auf Abendessen bröselt. Eine Nachfrage bei der bedirndlten Kellerschar führte zu einem kurzen Gespräch, einem äußerst erfreulichen Nicken und dem Gang durch ein Labyrinth von Gasträumen bis in die große Scheune, wo wir einen wunderbaren Tisch in modern-alpinem Ambiente zugewiesen bekamen. Viel Filz, viel helles Holz, warme Beleuchtung, rundum gelungen.
Unsere dienstbare Dirndlgeistin des Abends brachte eiligst einen Satz in Filz gebundener Karten und Pawlow wäre vor dem versammelten Sabber-Reflex in Ehrfurcht erstarrt. Nach langem Überlegen wähle ich einen Schweinerücken „Hubertus“ in Kräuterpanade, gefüllt mit Räucherschinken und Bergkäse, dazu Knöpfle (die übrigens „bottomless“ sind… man kann immer neue nachordern) und eine Rahmsauce mit frischen Pfifferlingen. Dazu gibt es einen kleinen gemischten Salat. Das Vergnügen kostet 15,80 Euro. Da alle Anwesenden mit Eispfoten nach zehn Stunden Freilandarbeit bei acht Grad und Regen zu kämpfen hatten, wählten die meisten noch eine Vorabsuppe… So auch ich: Kraftbrühe vom Tafelspitz mit Brätknödeln und dem sehr zivilen Preis von 3,20 Euro.
Nach kurzer Zeit trudelte ein Gruß aus der Küche ein – selbst gebackenes Brot mit Griebenschmalz für alle Hungerleider am Tisch. Die Getränke kamen zeitgleich und hierzu muss man noch ein paar Kleinigkeiten anmerken… Hubertus braut sein eigenes Bier, besonders populär ist das so genannte „Apfeltrang Dunkel“. Ich bin keine Freundin von Dunkelbier, aber das habe sogar ich gemocht. Mein bestelltes Pils war ein Aktienbräu aus Kaufbeuren – ebenfalls sehr süffig und gut. Mein Versuch, eine Flasche „Apfeltrang Dunkel“ nach Hause zu exportieren, war leider nicht von Erfolg gekrönt.
Die Brauerei ist so klein, dass sie nicht in Flaschen abfüllt, sondern nur in Krüge und Glasbottiche, die man mitnehmen kann. Allerdings muss man das edle Tröpfchen dann innerhalb von zwei Tagen aufbrauchen und es darf kein Verschluss drauf, da sonst – Gärung sei Dank- das ganze Gedöns einfach detoniert.
Die inzwischen angekommene Suppe schmeckt delikat und wärmt die Knochen wieder so richtig durch. Die Brätknödel sind schön bissfest, die Salzigkeit ist perfekt und die Gemüsestreiflein in der Brühe sind auch nicht zu Mulz gekocht. Ich kann meine Finger wieder spüren!
Das Hauptgericht ist ein Gedicht. Das unglaublich magere Schweinefleisch aus Anbau mit Lokalkolorit ist von einer Panade aus Semmelbröseln und Kräutern kross eingehüllt. Die Panade knackt so richtig beim Schneiden. Eine chirurgisch präzise Öffnung erlaubt den Blick auf den Schinken und cremig-zerlaufenen Bergkäse. Am Tisch bricht gefräßiges Schweigen, unterbrochen von mmmmmh und hmmmm aus. Die herrlich eierlastigen Knöpfle süffeln hervorragend die feine Rahmsauce auf und die etlichen beigefügten Pfifferlinge haben nicht nach ihrer Geburt in polnischen Wäldern das Innere einer Dose erblickt, sondern sind ebenfalls mit Lokalkolorit – regional gepflückt. Gibt es keine Pfifferlinge mehr, wird laut Aussage der Dirndlgeister auf Paprikarahmsauce gewechselt. Für den Moment sind alle erschlagen von der schieren Leckerlichkeit des Essens.
Als die Teller leer sind und die nächste Runde Bier geordert ist, beginnt die Liebäugelei mit der Dessertkarte… Man gönnt sich ja sonst nichts. Meine Wahl fällt auf hausgemachtes Schoko-Bier-Eis auf Sauerkirschspiegel und auch hier wurde ich nicht enttäuscht. Perfektes Eis, lauwarme Sauerkirschen, ein selbstgemachter Mandel-Knabberchip, auf den ich auch hätte verzichten können. Ein wunderbarer Abschluss für ein wunderbares Essen. Der Preis für den Nachtisch war irgendwas um die fünf Euro. Genaueres weiß ich nicht mehr, da spontan alles Blut den Kopf in Richtung Magen verlassen hatte, um das Mahl zu verarbeiten.
Der Service funktioniert perfekt, wieselflink und sehr zuvorkommmend und auch die chaotische Abrechnung für verschiedene Töpfe wurde ohne Murren und Knurren erledigt.
Als kleinen Sightseeing-Tipp empfehle ich einen Besuch der Flure und der Toilette. Hier ist ein Brunnendesigner am Werk gewesen und hat alles, aber auch alles mit Zimmerbrunnen dekoriert. Auch das anfänglich missverstandene Dauergeplätscher auf der Damentoilette entpuppte sich als kleiner Zimmerbrunnen und nicht als Blase mit 50 Litern Inhalt. Sogar die Stöpsel in den Waschbecken sind im Corporate Identity Design gehalten und zeigen einen Hirsch.
Von mir gibt es glatte fünf Sterne. Einen sechsten kann ich leider nur vergeben, wenn auch noch ein „rollt den Gast zum Auto zurück“ Service angeboten wird.[verkleinern]
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