Es lebe das Empire! Hätte ich aus naheliegendem Grunde liebend gerne ausgerufen. Aber daraus wird in diesem Falle nichts, wie wir noch sehen werden.
Die Restaurant-Rubrik meiner Hauspostille äußert sich recht lobend über dieses neu eröffnete Lokal und auch auf anderen Bewertungsportalen sind vorwiegend enthusiastische Rezensionen zu sehen. Sonst wäre meine Anregerin womöglich gar nicht auf dieses Etablissement gekommen. Aber mit den Bewertungen, die außerhalb unserer hochwohllöblichen... weiterlesen Plattform auf die Öffentlichkeit losgelassen werden, ist das ja ab und zu so eine Sache...
Jedenfalls erwartete man mich an einem eher kleinen Tischlein mitten in der dicht möblierten und also trubeligsten Zone des Hauses und hatte einen leider arg abgestandenen Prosecco vor sich. Nicht dass ich mich wahnsinnig verspätet hätte, natürlich. Der war schon vorher kaputt, ganz ganz ehrlich.
Mit den indischen Kochtraditionen bin ich nicht sehr vertraut und daran wird sich auch so bald nichts ändern. Gut also, dass ich hier nicht nur charmanten sondern auch kompetenten Beistand hatte.
Vorspeisen: dort Gemüsefrikadellen Harabara Kabab, hier marinierter Weichkäse Maneer Tikka jeweils unspektakulär. Mein Kerala Mutton Curry war solide und für mich angemessen 'mittel' verschärft, ohne dass jedoch zur Begeisterung Anlass bestanden hätte. Als kulinarischer Tiefpunkt des Abends erwies sich das Chicken Tikka Masala der lieben Gegenüberin. Jene ist ein großer Fän dieser Spezialität, die - so wurde mir versichert - andernorts mit großer Rafinesse zubereitet wird. Hier jedoch: erstens viel zu scharf (es wurde 'mild' bestellt) zweitens geschmacklich Ratlosigkeit erzeugend (auch bei mir, denn: geteiltes Leid...) und drittens mit Paprikastücken versehen, die hier nichts verloren haben und womöglich als Füllmaterial dienen.
Davon abgesehen enthielt unser gemeinsames Reisschälchen eindeutig nicht den auf der Speisekarte annoncierten Basmati.
Das Garlic Naan aus der indischen Brotauswahl ist im Vergleich zum sonst Kredenzten fast schon als Highlight des Abends zu feiern. Angenehm knusprig und völlig wohlschmeckend, solange man es nicht mit der hoffnungsvoll mitbestellten Mint Sauce in Berührung bringt. Bei jener haben wir uns leider auf den Geschmacksbefund 'medizinisch' einigen müssen - Spuren von Minze sind allenfalls bei höchster Konzentration und in Kenntnis des Saucennamens zu erahnen.
Immerhin wurde der zweite Prosecco offenbar einer frisch geöffneten Flasche entnommen und war entsprechend um Längen genießbarer als der erste Versuch - ebenso mein Montepulciano (im Nachhinein wäre das hier ausgeschenkte Früh Kölsch die passendere Wahl gewesen) Dazu teilten wir uns eine sehr schicke dunkelblaue Flasche voller Mineralwasser.
Die Speisekarte enthält unter anderem eine solide Auswahl an Currys: vegetarisch/vegan, mit Hähnchen, Lamm, Rind und Fisch, vieles aus dem Tandoori Ofengrill und auch Ayurvedisches. Die Hauptmahlzeiten liegen zwischen 10 und 15,90 Euro - zumindest preislich kann man nicht meckern.
Der Service ist flink und charmant, kommt einem bei der Bearbeitung des Nachbartischleins allerdings ziemlich nahe - es geht hier schon ein wenig beengt zu. Mangels Begeisterung bei der Abrechnung wollte man uns noch einen Friedenstee anbieten, aber wir hatten das dringende Bedürfnis, die Soirée in ruhigeren Gefilden fortzusetzen, was übrigens auch gelungen ist.
Die Räumlichkeit ertrinkt nicht in Orient-Kitsch, auch wenn der klassische Glücks-Elefant natürlich nicht fehlen darf. Man wird behaupten dürfen, dass sich dies an ein jüngeres, lärmunempfindliches und möglichst nicht allzu anspruchsvolles Publikum richtet. Der Betreiber hat vor, in Zukunft noch einige Filialen über die Colonia zu verstreuen. Ein Versprechen ist das nach bisherigem persönlichen Eindruck nicht.
Die Hausbar macht eigentlich einen vielversprechenden Eindruck. Vielleicht führt auch die eine oder andere Suppe dereinst zum Drittstern. Bloß: das mit der Zweitvertestung dauert wohl noch. Aber der Hindu glaubt ja an die multiple diesseitige Wiedergeburt und fasst sich dementsprechend in Geduld.
mit Grüßen, Sir Thomas[verkleinern]