Holla! Fünf Sterne für diesen über 400-jährigen, arg konventionellen Ziegelbau (abgesehen vom etwas später auf den Treppenturm gesetzten goldgeflügelten Ford des H.A. Schult), die ehedem kölnische Waffenkammer? Der ebenso wie die benachbarte 1840 entstandene quittengelbe Alte Wache eine ziemliche bauliche Herausforderung für neuzeitliche Ausstellungskonzepte darstellt? Der also nicht im Entferntesten über die exquisite architektonische Raffinesse eines Kolumba und auch nicht über die... weiterlesen weltberühmten Sammlungen eines Ludwig verfügt?
Seescher dat, denn: es handelt sich beim allhier untergebrachten Kölnischen Stadtmuseum - neben Dom und Stadion - um einen der drei magischen Hauptorte Kölner Identitätsstiftung. Schon beim Betreten der Dauerausstellung, welche sich linker Hand des Kassenbereiches über zwei Ebenen erstreckt, wird der Besucher mit der so überaus angenehmen Fähigkeit der Kölner vertraut gemacht, sich selbst auf die Schippe zu nehmen. Eine Fänshopartige Vitrine enthält allerley Devotionalien wie Plüschdom und Kronkorken, gefolgt von den Figuren des Hänneschen-Stockpuppentheaters, karnevalistischen Kultobjekten, Kölnisch Wasser, weiteren bahnbrechenden Kölner Erfindungen oder einer Pyramide aus leeren Kölschgläsern.
Es folgen zwei historische Automobile, darunter ein Exemplar des als 'Badewanne' in die Geschichte eingegangenen Ford 17M, flankiert von zwei lebensgroßen, modern gewandeten (und übrigens äußerst arbeitsscheuen) Charakteren des obengenannten Puppentheaters: 'Tünnes' als Meschaniker, 'Schäl' als unbedingt vertrauenswürdiger Autohändler
In einem etwas harten thematischen Bruch gelangt man nun zur Installation 'Bombenkrieg' und einer Großaufnahme der gründlich verwüsteten Colonia nebst Original-Lore zum Abtransport der Trümmerberge. Weitere Vitrinen enthalten Erinnerungsstücke an die Nazizeit. Weiter in die Vergangenheit verweisen einige Panoramagemälde, die das Wachstum der Colonia im 19. JH verdeutlichen. Im Bereich des Treppenhauses sind wir bereits im Mittelalter angelangt, welches anhand der hierbey unvermeidlichen Heiligenbüsten sowie Handwerkszeug und weiterer Alltagsobjekte repräsentiert ist. Hervorzuheben wäre hier der Verbundbrief von 1396: unsere für damalige Verhältnisse sehr fortschrittliche Stadtverfassung.
An der Fensterfront entlang begibt man sich nun wieder in Richtung Neuzeit, wobei das große Stadtmodell von 1571 und die spätritterliche Waffeninstallation inkl. Pferderüstung nähere Betrachtung verdienen. Die Original-Steinfigur des Schneyderweybs steht für die Legende um die größte Katastrophe der Kölner Stadtgeschichte. Nämlich die Vertreibung der hilfreichst jede Arbeit übernehmenden Heinzelmännchen aus der Stadt. Wer darob Trübsal empfindet, delektiere sich an den Gemälden, inkl. Jan von Werth und Wilhelm II oder dem prächtigen Kölner Ratssilber.
Der Treppenaufgang erfreut mit einer Gemäldegalerie coellnischer Lokalgrößen. Das unverdientermaßen oft schlecht besuchte Obergeschoss enthält sogleich mein persönliches Ausstellungshighlight, nämlich den prachtvollen güldenen Stempel des Großsiegels der örtlichen Hochschule aus dem Jahre - bitte ein Moment der Andacht - 1392. Das Thema Rheinschifffahrt wird unter anderem durch ein 'Holländerfloß' von fast der Fläche eines modernen Flugzeugträgers gewürdigt. Hier natürlich nur als Modell. Im weiteren Verlauf stoßen wir auf einige interessante Arrangements zu den Themen Gelehrsamkeit (Globen und wissenschaftliches Gerät), jüdisches Köln, Industrie, Handel, Arbeitswelt, Wohnkultur, Eisenbahn u.v.a.
Die Gesamtausstellung ist thematisch äußerst vielseitig, könnte aber einen etwas stringenteren roten Faden brauchen. Aus früheren Besuchen hatte ich das Ganze allerdings als wesentlich sammelsuriger in Erinnerung. Dieser Eindruck hat sich im Zuge einiger Neu-Arrangements weitgehend verflüchtigt. Einer solchen Neugestaltung sind allerdings die beiden Kanonen zum Opfer gefallen, die man seinerzeit boshafterweise genau auf das sehr nahegelegene Regierungspräsidium ausgerichtet hatte. Aber dort residiert ja jetzt auch nicht mehr der schillernde 'Kurfürst' sondern eine ehrbare und respektgebietende Dame.
Einheimische und Besucher verlassen diese Räumlichkeiten im Bewusstsein, einer bedeutsamen Vergangenheit nachgespürt zu haben. Wenn schon die Colonia der Gegenwart nicht ausschließlich damit beschäftigt ist, sich mit Ruhm zu bekleckern.
Montags geschlossen
Dienstags geöffnet: 10 bis 20 Uhr, sonst 10 bis 17 Uhr
Eintritt Dauer- bzw. Sonderausstellung: 5,00 / ermäßigt 3,00 Euro.
Eintritt Dauer- plus Sonderausstellung: 7,50 / ermäßigt 5 Euro
Wer möchte, kann zur Bewertungshalbzeit erstmal Lesepause machen, denn wir begeben uns nun in die aktuelle (noch bis 24.10.) Sonderausstellung 'Achtung Preußen!', untergebracht in der zur Preußenzeit errichteten Alten Wache. Dem Genius loci entsprechend kommt auch diese Schau nicht ohne augenzwinkernde Pflege und Gegenüberstellung der gängigen Klischees aus, etwa Frohsinn vs. Disziplin, Großkreuz der Ehrengarde vs. Pour le Mérite, Kölnisch Wasser vs. Berliner Luft....
Anlass dieser ebenso reizvollen wie gelungenen interkulturellen
Betrachtung ist natürlich das Begängnis der vor genau 200 Jahren stattgehabten Einrichtung der Rheinprovinz als Bestandteil des Königreiches. Wovon beide Seiten zunächst erkennbar unbegeistert waren.
Zu Berlin hatte man sich vom Wiener Kongress geografisch
nähergelegene territoriale Arrondierungen erhofft. Stattdessen hatte man nun irgendwelche abgelegenen, wenig erforschten, erzkatholischen und zu allem Überfluss auch noch deutlich frankophilen Landstriche am Halse. Zu Coellen, welches erst kurz zuvor unter französischer Anregung einen fulminanten Entwicklungsschubs vom immer-noch-Spätmittelalter ins 19 JH erhalten hatte, wurden ebenfalls Bedenken laut: 'Do hieroode mer ävver in en ärm Famillich' (da heiraten wir aber in eine arme Familie) lautet der berühmt gewordene Ausruf des Bankiers Abraham Schaafhausen zum Thema.
Abgesehen davon hatte man sich blitzartig an die neuen bürgerlichen Freiheiten und den Code Napoleon (die wohl bedeutendste zivilisatorische Errungenschaft unseres liebsten Nachbarlandes) gewöhnt und erkannte im Junker- und Ständerecht preußischer Prägung - und auch sonst - erhebliche Ungemütlichkeiten. Allein schon dieser Rechtstitel von 1815: 'Besitzergreifungspatent'...
Um es kurz zu machen: der Start war holprig, denn natürlich wurden alle bedeutenden Verwaltungs- und Militärposten mit Leuten aus den Ostgebieten besetzt. Auch in den Hungerwintern im Nachgang einer verheerenden Vulkanexplosion in noch ferneren Ostgebieten glänzte die neue Herrschaft keineswegs mit Fürsorge oder Effizienz. Man fremdelte arg. Erst im Laufe der Bismarckschen Eroberungsfeldzüge und der pompös gefeierten Dombauvollendung 1880 kam so etwas wie reichspatriotische Bejeisterung auf. Auf einmal waren diese unduldsamen Preußen tüchtige Burschen, denen es durchaus nachzueifern galt. Und diese zotteligen Rheinländer mutierten sodann zu geliebten Landeskindern Seiner kaiserlichen Majestät.
Siehe einige der preußischblauen Inschriften im Treppenhaus der Neuen Wache. In der Tat haben sich die neuen Machthaber auf vielerlei Art in der Colonia verewigt: die Ausstellung enthält etliche Fotografien baulicher Hinterlassenschaften. Abgesehen von Militär- und Eisenbahnanlagen, wären dies etwa die erste protestantische Kirche auf heiligem Boden oder der Palast des Oberlandesgerichtes. Aber auch so Sachen wie der Fußballverein 'Borussia' Kalk. Die Schatzkammer im Obergeschoss birgt schimmernde Prunkstücke, etwa einen Harnisch mit schnittigem Helm, eine Bismarckbronze oder jene potthässliche Gedenkvase, die Hindenburg den treuen Rheinländern einst zum Geschenk machte. Was aber haben die Preußen sonst je für uns getan?
Natürlisch: die Vorlage für den rheinischen Karneval geliefert. Denn dieser ist ja als Persiflage auf den evidenten Militarismus der neuen Obrigkeit entstanden.
Wir wollen also nicht undankbar sein. Und vielleicht schaffen wir es auch irgendwann, das Reiterstandbild des seinerzeit verantwortlichen Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III auf dem sehr zentralen Heumarkt in einen würdevollen Zustand zu versetzen.
Gewidmet dem hochverehrlichen grubmard, Chefhistoriker und Lieblingspreuße,
mit vorzüglicher Hochachtung, Sir Thomas[verkleinern]