Bis jetzt war es ein prächtiger, gelungener Abend. Aber was jetzt kommt, führt bei einem Großteil der lokal Musikkundigen zu feuchten Augen und anschließend zu einer Ovation, wie sie diese Lokalität noch nicht allzu oft erlebt hat. Wir befinden uns im Zugabenteil des Chinesischen Neujahrskonzertes, dargeboten vom überaus hervorragenden Orchester des Musikkonservatoriums zu Shanghai. Und es erklingt, etwas fremdartig instrumentiert, doch unverkennbar: die alte Kölner Stadthymne 'Heimweh noh... weiterlesen
Kölle'. Eine Sternstunde (!) Die bei späteren Besuchen aus gleichem Anlass, aber anderen fernöstlichen Ensembles nicht wiederholt werden konnte. Doch an sehr (z.T. auch nicht so ganz) überzeugenden Musikveranstaltungen mangelt es seither nicht. Denn wir befinden uns nicht nur in irgendeinem Zugabenteil, sondern auch im Inneren einer hochwohllöblichen Institution.
Die Kölner Philharmonie ist Teil eines Gebäudekomplexes, in dem u.A. auch das Museum Ludwig untergebracht ist - und das als zweitgrößter baulich - architektonischer Wurf der Colonia gelten darf.
Zunächst als Museumskomplex mit Mehrzwecksaal geplant, wurde dann gottlob noch der seinerzeit am Ort fehlende moderne Konzertsaal ergänzt. Der 1980 begonnene heldenhafte Tief- und Hochbau zwischen Dom und Strom konnte 1986 zum Abschluss gebracht werden. Wobei allerdings die Schallisolierung eines Teils des neugestalteten Heinrich-Böll-Platzes vernachlässigt wurde. Jener Bereich muss nun während konzertanter Darbietungen mittels Flatterband und Wachpersonal von Passanten freigehalten werden, auf dass kein Schrittschall oder gar Skateboardgeschurgel den Kunstgenuss störe. Nachbesserung zur Zeit nicht in Sicht. Aber immer noch besser als der zuvor hier beheimatete alte Busbahnhof.
Im Inneren finden wir eine mittig positionierte Bühne, ähnlich wie im Amphitheater. Viel helles Holz, schwungvoll gegliedertes Auditorium für über 2000 Besucher, etwas technoide Überdachung mit sichtbarer Stahlträgerkonstruktion, sehr ansprechend bleu - gülden illuminiert. Akustik und Sicht sind sehr überzeugend.
Im Foyer sind einige Bars untergebracht, die neben Heiß- und Kaltgetränken auch Snacks und - ganz wichtig - Hustenbonbons bereithalten. Das zum Baukomplex gehörende Restaurant 'Ludwig im Museum' (Nää, dä Ligety es doch nix för misch...) kann direkt vom Foyer aus erreicht werden.
Für Gehbehinderte sind spezielle, über einen Aufzug erreichbare Plätze vorhanden. Das Foyerpersonal hilft. Toiletten sind ausreichend vorhanden und von adäquatem Pflegezustand.
Zur Aufführungspraxis: das klassische Repertoire, natürlisch. Symphonik, dargeboten von den beiden hochklassigen Hauskapellen, dem Gürzenich Orchester und den WDR-Symphonikern aber auch allen anderen führenden Klassik-Combos des Planeten. Orgelkonzerte vom hauseigenen Klais-Instrument, Kammermusik, Klavier- und Liederabende, Jazz, Pop, Weltmusik (s.o.), auch schrägere Events (vgl. meine letzten Beiträge im Musikthread)
Bei etwa 400 Konzerten und über 650.000 Besuchern im Jahr hat der in Fachkreisen durchaus beneidete Intendant Louwrens Langevoort sicherlich einiges richtig gemacht.
Konzertbegleitende oder allgemeine Ausstellungen stehen dem im Foyer lustwandelnden Besucher offen. Desweiteren gelangen regelmäßig Vorträge, Lesungen und Filme (letztere gerne auch stumm und von Live Musik begleitet) zur Aufführung. Ferner Workshops, Tage der offenen Tür und ähnliches.
Abgesehen von der Programmvorschau sind auch die einzelnen Programmhefte auf der Webseite verfügbar. Die gedruckte Jahresvorschau wird gegen geringes Entgelt postalisch zugestellt. Hardcore Fans können auch das alle zwei Monate erscheinende Musikmagazin der Philharmonie abonnieren - das macht dann 16 Euro im Jahr.
Während der Aufführungen sind eigene Bild- und Tonaufnahmen natürlich untersagt. Stattdessen besteht die Möglichkeit, selbst ins Fernsehen oder Videoportal zu kommen - viele Konzerte werden von Medienprofis aufgezeichnet.
Die Eintrittspreise sind auf den besseren Plätzen gerne dreistellig, aber es gibt auch dort wenigstens Ermäßigungen für Kinder, Schüler, Studenten, Auszubildende und Schwerbehinderte. Der Kartenerwerb erfolgt sinnvollerweise vorwech über die Webseite - das ist zwar mit Service- und Versandkosten verbunden, vermeidet aber Schlangestehen an der Tageskasse und ermöglicht kostenlose An- und Abreise mit den Transportmitteln des regionalen VRS-Verkehrsverbundes. Vielfältiges Angebot an Konzert-Abos. Bis zu 100 spontane Stehplatzkarten sind auch bei ausverkauften Veranstaltungen an der Abendkasse verfügbar - zum Einheitspreis von 18 Euro, ermäßigt 10 Euro. Fast täglich ab 12:30 kostenloser halbstündiger 'Musiklunch' - man wohnt dort Proben oder Kurzaufführungen bey.
So lasset das Spiel erklingen.
mit besonders vorzüglicher Hochachtung, Sir Thomas[verkleinern]