Ab 1990 kamen in die Städte und Gemeinden des wiedergeborenen Landes Sachsen nicht nur die D-Mark und alle Möglichkeiten, eben dieses Land nach Belieben zu verlassen ohne die eigene Erschießung beim Grenzübertritt zu riskieren.
Ab dieser Zeit überrollte die ehemalige DDR auch ein Angebot an Waren, das lange ersehnt, heiß begehrt oder bis dato auch völlig unbekannt war.
Dazu zählten neben Lebensmitteln und Getränken, Autos und Möbeln , Haushaltgeräten und Mode auch die Segnungen der... weiterlesen Unterhaltungsindustrie.
Das noch vor Jahren von Walter Ulbricht selig abgekanzelte und ins Reich des Verbotenen abqualifizierte "Yeahyeahyeah" fand auf Schallplatten und Tonbandkassetten rasanten Einzug, gleichzeitig revolutionierte die CD den Musikmarkt.
Wer es mehr mit den bewegten Bildern hatte, konnte nun im Kino Filme Made in Hollywood bestaunen, kein Bond blieb ungesehen, kein Horror-Schock wurde ausgelassen.
Freilich immer abhängig vom Spielplan des Lichtspielhauses.
Der geborene Bürger der alten BRD hatte da natürlich längst ganz andere Möglichkeiten zur Hand. Den Videorekorder !
Der gelernte DDR-Bürger wollte da freilich nicht zurück bleiben und griff zu:
Wohl kaum ein anderes Gerät der Unterhaltungsindustrie fand so schnell Einzug in die ostdeutschen Haushalte, wie der VHS-Player.
Und wo kamen die Filme dafür her ?
Klar, aus der Videothek. Die es aber noch nicht gab.
Daher schossen neben den unzähligen Gebrauchtwagen-Autohändlern
Videotheken wie Pilze aus dem Boden.
Spielfilme, Kriminalfilme, Horrorfilme, Konzertfilme und nicht zu vergessen, weil auch nicht im DDR-Kulturbetrieb vorgesehen, Beate Uhse und Nachfolger(innen): Der Pornofilm hielt Einzug in die guten Stuben. Man musste ja mitreden können.
Um das kleine Städtchen Lichtenstein in Sachsen machte diese Entwicklung natürlich keinen Bogen.
Ich weiß nicht mehr, wie viele Videotheken es im Umkreis gab, aber eine der ersten war das Video-Center von Bernd Frömmig am Altmarkt.
Das Angebot an Videos wuchs von Woche zu Woche, manche Filme waren zeitweise vergriffen, es gab Wartelisten.
Im Laufe der Zeit regulierte sich alles auf ein normales Maß, die Anfangseuphorie ließ nach, neue technische Möglichkeiten wie der Computer und später das Internet
waren der Totengräber für den Video-Verleih.
Nicht so im Video-Center Lichtenstein.
Denn das existiert heute noch.
Im Lauf der Zeit kam ein Getränkemarkt hinzu, eine kleine Kneipe wurde eingerichtet. Das Angebot an Videokassetten wurde um die modernere DVD erweitert, es gibt nun auch Spiele für Playstations die passenden Konsolen können gleich mit ausgeliehen werden .
Nebenbei steht eine große Sammlung von Miniaturtrucks aus dem Brauereien-Werbefundus zur Besichtigung, zum Kauf und Tausch bereit.
Ein Stück "Wende" hat sich somit in Lichtenstein erhalten.
Und weil es diesen Laden noch gibt, kann man immer noch von Bedarf ausgehen.
Herr Frömmig ist also mit der Zeit gegangen und nicht mit der Zeit gegangen.
Dafür von mir einen "grünen Daumen" !
Update Dezember 2022
Nun hat es auch Herrn Frömmig erwischt. Könnte man jetzt sagen, denn die Videothek ist zu und der Ausverkauf läuft im Dezember 2022.
ABER ! Die Viedeothek gibt es weiterhin. Nur ohne Filmausleihe sondern "nur" noch als Kneipe.
Da der Inhaber vor mehr als 30 Jahren in weiser Voraussicht neben dem Gewerbe für den Filmverleih gleich noch eine Schankkonzession beantragte und erhielt, geht es nun auch ohne Videos weiter.
Die "kleinste Kneipe von Lichtenstein " ( O-Ton Bernd Frömmig ) hat weiterhin für Gäste geöffnet.
Ob die hier angegebenen Öffnungszeiten noch so Bestand haben, konnte ich nicht herausfinden.[verkleinern]