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Die große Anlage des Scharnhorst-Denkmals in Großgörschen (ca. 15 km südwestlich von Leipzig in Sachsen-Anhalt) befindet sich am nördlichen Ortsrand an der Einmündung der L184 in die Scharnhorststraße.
Warum ein so monumentales Denkmal für den preußischen General ausgerechnet in Großgörschen?
In und um Großgörschen fand am 2.5.1813 die erste Schlacht des Befreiungskriegs statt.
145.000 Mann französische Truppen unter dem Kommando von Napoleon Bonaparte (1769-1821 / Kaiser der Franzosen... weiterlesen
1804-1814/1815 abgedankt) standen 88.000 Preußen und Russen unter General v. Blücher (Preußen / 1742-1819) und Generalleutnant Graf zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg (Russland / 1769-1843) gegenüber. Die Schlacht bei Großgörschen, in Frankreich „Schlacht bei Lützen“ genannt, gewann Napoleon.
Am Ende des Großkampftags waren 33.500 Soldaten tot oder verwundet.
Zu den 8.500 gefallenen oder verwundeten Preußen gehörte auch Generalleutnant v. Scharnhorst, der als Generalstabschef der preußischen Schlesischen Armee Blücher‘s maßgeblichen Einfluss auf die Truppenführung von Preußen und Russen in der Schlacht hatte. Da damals Heerführer und Generäle noch unmittelbar am Kampfgeschehen teilnahmen, blieben Verluste und Blessuren nicht aus. Scharnhorst wurde durch einen Schuss ins linke Knie verwundet.
Anfang des 19. Jahrhunderts waren die medizinischen Möglichkeiten noch sehr beschränkt. Außerdem zeigte sich Scharnhorst eigenermaßen unvernünftig und trat trotz Verwundung eine Reise zu Verhandlungen mit den Österreichern in Wien an. Dort kam er aber nie an. Am 28.6.1813 starb er an Wundbrand in Prag.
Das Denkmal wurde zum 100. Jahrestag der Schlacht am 2.5.1913 eingeweiht. Initiatoren waren weder das preußische Militär noch das preußische Königshaus, sondern die auf dem Schlachtfeld liegenden Gemeinden Großgörschen, Kleingörschen, Rahna und Kaja, die in Vorbereitung der 100-Jahr-Feier zu einer reichsweiten Spendenaktion für ein Denkmal aufriefen.
Entworfen und errichtet wurde das 10 m hohe Denkmal zu Ehren des in der Schlacht verwundeten Scharnhorst vom Bildhauer Paul Juckoff (1874-1936).
Im Zentrum steht ein Steinsockel, auf dem ein riesiger steinerner preußischer Adler mit leicht angelegten Flügeln hockt, der in Richtung Völkerschlacht-Denkmal Leipzig schaut. Die Vorderseite des Sockels schmückt ein Bronzemedaillon mit dem Bildnis von Gerhard v. Scharnhorst, darunter der Name „Scharnhorst“ in großen vergoldeten Buchstaben.
Auf der Rückseite sind auf einer Kupfertafel unter der Widmung:
„Bei Grossgörschen kämpften tapfer“ die beteiligten preußischen Regimenter aufgelistet sind.
Darunter befindet sich der Schriftzug: „Errichtet am 2. Mai 1913“.
An den Seiten des Sockels zeigen helle, rechteckige Stellen, dass dort weitere Tafeln angebracht waren. Bei der Umgestaltung des Denkmals 1975 durch die DDR brachte man hier Gedenktafeln für die in der Schlacht beteiligten russischen Truppen an. Im Zuge der Restaurierung nach 1990 wurden diese Tafeln entfernt und der Originalzustand des Denkmals wiederhergestellt.
Vor dem Denkmal befinden sich rechts und links des Wegs je eine steinerne Bank, die Scharnhorst’s Wahlspruch „Ziel erkannt – Kräfte gespannt“ tragen. An jeder Bank befinden sich je 6 Kupfertafeln, die jeweils eine wichtige Lebensstation von Scharnhorst verzeichnen.
Seit 1972 ist die Denkmalanlage auch Friedhof. Trotz der tausenden Toten, die die Schlacht forderte, finden sich keine Soldatenfriedhöfe. Damals wurden die Gefallenen in meist nicht gekennzeichneten Massengräbern auf den Schlachtfeldern begraben bzw. verscharrt. So wird es auch in und um Großgörschen sein. Vermutlich pflanzen die Bauern heute wieder Getreide und Gemüse auf den Feldern über den Gräbern an oder die Kühe weiden darauf.
Bei Bauarbeiten fand man 1972 in Großgörschen die sterblichen Überreste von 8 unbekannten Soldaten, die man auf dem Rasenrand hinter dem Denkmal beisetzte. Das Grab ist mit einer rötlichen Steinplatte mit der Inschrift: „Hier wurden sterblichen Überreste von Soldaten des 2. Mai 1813 beigesetzt“ markiert.
Da Scharnhorst in der DDR als fortschrittlicher Militärreformer und „Erfinder“ eines „Volksheeres“ gut gelitten war und damit in die Traditionslinie des Arbeiter- und Bauern-Staates passte (es gab z.B. einen Scharnhorst-Orden), überdauerte das Denkmal die DDR Zeit – trotz Preußen-Adler.
Gerhard v. Scharnhorst:
Er wurde 1755 als Sohn einer kleinbäuerlichen Familie in Bordenau bei Hannover geboren. Seine militärischen Laufbahn begann er 1773 als Schüler der Kriegsschule des Grafen Wilhelm zu Schaumburg-Lippe (1724-1777 / Regent seit 1748) auf der Festung Wilhelmstein im Steinhuder Meer. Scharnhorst trat 1778 als Fähnrich in die kurhannoversche Armee ein. 1782 zum Leutnant befördert brachte er es bis zum Oberstleutnant (1796). Neben einem Kommando als Batteriechef im 1. Koalitionskrieg (1792-1797) in Holland und Flandern war er hauptsächlich als Lehrer an der Kriegsschule Hannover tätig und war ein begabter Militärtheoretiker. Da er seine Bemühungen und Vorschläge zur Reformierung der kurhannoverschen Armee nicht durchsetzen und realisieren konnte, verließ er 1801 das Kurfürstentum Hannover und trat als Oberstleutnant in preußische Dienste, wo er zum Direktor der „Lehranstalt für junge Infanterie- und Kavallerieoffiziere“ (später Preußische Kriegsakademie) ernannt wurde.
1802 erhob ihn König Friedrich Wilhelm III. v. Preußen (1770-1840 / König seit 1797) in den Adelsstand und beförderte ihn 1804 zum Oberst.
Mit Beginn des französischen Feldzugs gegen Preußen (4. Koalitionskrieg) wurde Scharnhorst als Generalquartiermeister (Stabschef) der preußischen Hauptarmee unter dem Kommando von Generalfeldmarschall Herzog Karl Wilhelm Ferdinand v. Braunschweig-Wolfenbüttel (1735-1806 / seit 1780 Herzog zu Braunschweig und Lüneburg und Fürst v. Braunschweig-Wolfenbüttel) eingesetzt, und in der Schlacht bei (Jena und) Auerstedt am 14.10.1806, die mit einer vernichtenden Niederlage Preußens endete, verwundet.
Nach dem Frieden von Tilsit (heute Sowetsk /Russland) vom Juli 1807 wurde Scharnhorst zum Generalmajor sowie zum Chef des Kriegsdepartements (Kriegsministerium), zum Chef des Generalstabes und zum Vorsitzenden der Militär-Reorganisationskommission Preußens ernannt.
Zusammen mit den anderen preußischen Reformern schaffte er das Adelsprivileg des Offizierscorps, das Werbesystem für Soldaten und die Prügelstrafe beim Militär (Spießrutenlauf) ab.
Da Preußen seit 1809 nur noch ein stehendes Heer mit 42.000 Mann unterhalten durfte, führte Scharnhorst das „Krümpersystem“ ein: Rekruten wurden nach einer kurzen und intensiven Grundausbildung wieder entlassen und bildeten so eine militärisch ausgebildete Reserve.
Zwar wurde Scharnhorst 1810 auf Druck Napoleons als Chef des Kriegsdepartements entlassen, behielt aber seine anderen Funktionen und konnte so mit den anderen Reformern die Arbeit fortsetzen. Mit Beginn des Befreiungskriegs im März 1813 wurde Scharnhorst zum Generalleutnant befördert und Generalstabschef in der Schlesischen Armee Blüchers.
Nach seinem Tod in Prag wurde Gerhard v. Scharnhorst nach Berlin überführt und auf dem Invalidenfriedhof beigesetzt. Grab und Grabmal sind bis heute erhalten.
Scharnhorst war seit 1785 mit Klara Schmalz (1762-1803) verheiratet. Das Paar hatte 2 Söhne und 3 Töchter.[verkleinern]
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