Die märkische Kleinstadt Müncheberg (ca. 30 km östlich von Berlin) wurde nach 1225 von Mönchen des schlesischen Zisterzienserklosters Leubus als „Lubes“ gegründet.
1232 erfolgte die erste urkundliche Erwähnung in einer Urkunde des schlesischen Herzogs Heinrich I. (der Bärtige / Haus Schlesische Piasten / um 1165-1238 / ab 1201 Herzog v. Schlesien / ab 1232 Princeps von Polen).
In der Schenkungsbestätigung von Papst Gregor IX. (Graf Hugo di Segni / um 1167-1241 / Papst seit 1227) von 1233... weiterlesen wurde der Ort erstmal als „Müncheberg“ bezeichnet.
Ab 1319 sicherten die Bürger ihren Ort durch den Bau einer Stadtmauer mit 2 Stadttoren (Berliner Tor im Westen und Küstriner Tor im Osten) mit je einem Wehrturm.
Der 5,5m x 5,5m Grundfläche messende Berliner Torturm stammt aus dieser Zeit. Er diente als Wachturm und Lagerraum für das Schießpulver, weshalb er auch als „Pulverturm“ bezeichnet wird.
Außerdem wurde das, nur durch ein Mannloch im darüber liegenden Stockwerk zu erreichende, Untergeschoss als Gefängnis genutzt.
Bis zur Höhe der Stadtmauerkrone besteht der Turm aus behauenen Feldsteinen. Über dem Feldsteinsockel wurde der Rest des fast 22m hohen Turms mit roten Backsteinen aufgemauert. Die Mauerstärke beträgt 1,76m im Erd- und 1,27m im Obergeschoss.
Über dem Untergeschoss mit Verlies befindet sich im 1. Obergeschoss auf Höhe der Stadtmauerkrone bis heute der einzige Zugang zum Turm. Zwei weitere Zugänge, die auf die Wehrgänge von Stadtmauer und Stadttor führten, sind heute vermauert, da die Wehrgänge nicht mehr existieren.
Im 2. Obergeschoss war der Raum für die Torwache. Hier hat sich auch der „Schwalbennest“ genannte Aborterker erhalten. Da die Fäkalien der Torwache eleganter Weise so einfach vor der Außenseite der Stadtmauer landeten, darf vermutet werden, dass es am Berliner Tor infernalisch gestunken hat. Aber vermutlich hat das damals nicht so gestört, denn mittelalterliche Städte werden ohnehin nicht nach Veilchen gerochen haben …
Zu dem Aborterker, der sich im Torwächterraum als Mauernische ohne Tür und einer Sitzfläche mit Loch nach außen präsentiert, gibt es noch ein Histörchen:
1806 gerieten der preußische Artillerist Ludwig Schmidt und sein Bruder nach der Kapitulation der preußischen Festung Magdeburg am 8.11.1806 vor den Franzosen in französische Kriegsgefangenschaft. Ihnen gelang jedoch die Flucht und sie versuchten das ostpreußische Königsberg zu erreichen. Bei Oderberg (ca. 50 km nordöstlich von Berlin) wurden sie allerdings von den mit Napoleon verbündeten Rheinbundtruppen erneut gefangen genommen und an die Franzosen ausgeliefert. Diese steckten die Brüder in den Berliner Torturm von Müncheberg in Arrest. Aber hier wollten sie nicht bleiben. Aus Stroh und zerrissener Bekleidung flochten sie ein Seil und entkamen durch das Loch des Aborterkers. Anschließend flohen sie ins pommersche Kolberg. Das Seil wurde noch Jahrzehnte aufbewahrt und ging vermutlich in den Wirren am Ende des 2. Weltkriegs verloren.
Heute wäre eine solche Flucht nicht mehr möglich: das Loch des Aborterkers ist jetzt vermauert.
Das 3. Obergeschoss diente als Ausguck für die Stadtwache und als Lagerraum für die Schießpulvervorräte von Müncheberg.
Der Belagerung durch die Hussiten im Jahr 1432 konnten die Wehranlagen nicht widerstehen: Müncheberg wurde erobert und geplündert.
Ab dem 18. Jahrhundert verlor die mittelalterliche Stadtbefestigung auf Grund der sich entwickelnden Militärtechnik zunehmend an Bedeutung. Die Müncheberger rissen die äußeren Torhäuser ab. Die inneren Torhäuser blieben erhalten und dienten als Zoll- und Akzisehäuser.
Als Preußen Ende des 18. Jahrhunderts die alte Poststraße Berlin-Küstrin (heute Kostrzyn nad Odra in Polen) zur Chaussee ausbaute, waren auch die inneren Torhäuser/Zollstationen im Wege und wurden um 1800 abgerissen. Nur die Wehrtürme und Teile der Stadtmauer blieben erhalten. Auf den geschliffenen Wallanlagen vor Stadtmauer und Berliner Tor wurde der Stadtpark angelegt.
In der 1. Hälfte des 19. Jahrhundert brach man eine ebenerdige Tür in das Turmuntergeschoss und nutzte den Raum als Lager für Turngeräte des vor dem Tor angelegten Turnplatzes.
Als der Verkehr auf der Chaussee immer stärker und für Fußgänger immer gefährlicher wurde, verlängerte man den innerstädtischen Fußweg durch den Torturm zum Stadtpark. Dazu wurde der spitzbogenartige Durchgang durch den Turm angelegt.
Bei den schweren Kämpfen am Ende des 2. Weltkriegs im Frühjahr 1945 wurde Müncheberg praktisch ausgelöscht. Die DDR baute die Stadt nach dem Krieg in gesichtsloser Nachkriegsarchitektur wieder auf. An den historischen Wehrtürmen wurden die Kriegsschäden beseitigt.
Der Turm ist begehbar – wie früher über die einzige Tür auf der Stadtseite in Höhe der Stadtmauerkrone (nicht barrierefrei). Neben einem Blick auf Stadt und Stadtpark aus Torwächterperspektive kann man durch dass Angstloch/Mannloch einen Blick in den Kerker werfen. Außerdem gibt es noch eine kleine Ausstellung zur Geschichte der Stadtbefestigung mit den beiden Stadttoren und deren Wehrtürmen. Geöffnet ist der Turm während der Öffnungszeiten der Tourist-Information im benachbarten Torwächterhaus, wo sich ein weiterer Raum mit einer Ausstellung zur Stadtgeschichte befindet.
Außen am Turm auf der Straßenseite wurde 1882 eine Gedenktafel angebracht, die an die erste urkundliche Erwähnung 1332 und an die Verwüstung Münchebergs durch die Hussiten 1432 erinnert.
Am Torwächterhaus gibt eine Infotafel Auskunft über das Berliner Tor und den Turm.
Parken kann man auf einem kleinen Parkplatz vor der Stadtmauer gegenüber von Turm und Touristinformation. Samstags leider nur bis mittag und Sonntags gar nicht geöffnet.[verkleinern]