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Die evangelische Vicelinkirche liegt etwas abseits vom heutigen Zentrum und ist das Wahrzeichen von Neumünster (ca. 50 km nördlich von Hamburg).
Die Geschichte der Kirche mit dem für die meisten ungewöhnlichen Namen reicht über 1100 Jahre zurück.
Nach 834 ließ der Benediktiner-Mönch und Missionar Ansgar v. Bremen (801-865 / angeblich Erzbischof von Bremen und Hamburg ab 834) an der Stelle eine erste Kirche errichten.
1127 wurde das Augustiner-Chorherrenstift Wippenthorp (heute Neumünster)... weiterlesen gegründet und 1136 die steinerne Bartholomäuskirche erbaut, die dem Ort später seinen Namen gab: Novum Monasterium – Neues Münster.
Mehrfach wurden Kloster und Kirche bei kriegerischen Auseinandersetzungen in den folgenden Jahrhunderten beschädigt. Mit der Auflösung des Klosters während der Reformation im 16. Jahrhundert wurde die Kirche evangelische Pfarrkirche. In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts war die mittelalterliche Bartholomäuskirche dann so baufällig, dass sie 1811 abgerissen werden musste. Auch der Kirchhof als Friedhof wurde nach 700 Jahren geschlossen.
An ihrer Stelle entstand von 1828-1834 nach Plänen des dänischen Architekten Christian Frederik Hansen (1756-1845) der klassizistische Kirchenneubau aus gelben Backsteinen.
1834 wurde die neue Kirche mit neuem Namen als Vicelinkirche geweiht. Der alte Kirchhof wurde zur die Kirche umgebenden Grünfläche umgestaltet.
Warum gerade ein dänischer Architekt?
Das Herzogtum Holstein und somit Neumünster gehörte zwar seit 1815 zum Deutschen Bund, war aber in Personalunion mit dem Königreich Dänemark verbunden, dh. der dänische König war als Herzog v. Holstein der Landesherr.
Mit der dänischen Niederlage im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 kam Holstein endgültig zum Königreich Preußen.
Seit der Gründung des preußischen Schleswig-Holsteinischen Infanterie-Regiments Nr. 163 im Jahr 1897 war die Vicelinkirche auch die Garnisonkirche dieses Regiments bis zu dessen Auflösung 1919.
Zwar wurden mit Ausnahme der jetzt über 300 Jahre alten Dominika-Glocke die anderen Kirchenglocken der Vicelinkirche von den Nazis im 2. Weltkrieg eingeschmolzen, aber die Kirche selbst überstand den Krieg ohne große Zerstörungen.
Heute ist die dreischiffige Kirche der bedeutendste klassizistische Kirchenbau Schleswig-Holsteins. Zwar ist die Kirche eigentlich geöffnet, aber bei meinem Besuch war eine Besichtigung wegen den Vorbereitungen für eine Veranstaltung nicht möglich.
Wer oder was ist nun aber eigentlich „Vicelin“?
Es ist ein katholischer Heiliger, an den als Glaubenszeugen auch die evangelische Kirche erinnert.
Geboren um 1080 verlor er früh seine Eltern. Er studierte an Paderborner Domschule, ging 1118 nach Bremen, wo er mehrere Jahre Leiter der Domschule war. Von 1122 bis 1126 studierte Vicelin im französischen Laon. Anschließend begab er sich ins Erzbistum Magdeburg, wo er 1126 von Erzbischof Norbert v. Xanten (nach 1080-1134 / ab 1125 Erzbischof v. Magdeburg) zum Priester geweiht wurde.
Nach Bremen zurückgekehrt wurde er vom dortigen Erzbischof Adalbert II. (vor 1100-1148 / seit 1123 Erzbischof von Bremen und Hamburg) als Missionar zu den heidnischen Slawen zunächst in den Lübecker Raum, später ins heutige Schleswig-Holstein entsandt.
1127 gründete er das Kloster Wippenthorp (heute Neumünster). Auf Vicelins Rat hin errichtete der römisch-deutsche Kaiser Lothar III. v. Supplinburg (1075-1137 / seit 1125 deutscher König, seit 1133 römisch-deutscher Kaiser) die Feste Segeberg (heute Bad Segeberg).
Sein missionarisches Wirken ist gekennzeichnet von den kriegerischen Auseinandersetzungen der slawischen Stämme und Fürsten mit deutschen Siedlern und deren Fürsten.
1149 wurde Vicelin von Erzbischof Hartwig I. v. Stade (1118-1168 / seit 1148 Erzbischof v. Bremen und Hamburg) zum Bischof des Bistums Oldenburg im Stammesgebiet der Wagrier geweiht.
1150 erlitt Vicelin einen ersten Schlaganfall. Anfang 1151 ließ sich Vicelin gegen den Willen von Erzbischof Hartwig I. durch Herzog Heinrich dem Löwen (aus dem Hause der Welfen / um 1130-1195 / 1142-1180 Herzog v. Sachsen und 1156-1180 Herzog v. Bayern) im Amt bestätigen. Zum Dank erhielt er von Herzog Heinrich zahlreiche Schenkungen für sein Bistum.
1152 erlitt Vicelin den zweiten Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Nach monatelangem schwerem Leiden verstarb Vicelin am 12.12.1154 im Kloster Neumünster und wurde dort auch beigesetzt.
Wegen seiner Missionierungstätigkeit wurde Vicelin 1332 von Papst Johannes XXII. (um 1245-1334 / Papst seit 1316) heiliggesprochen. Seine Gebeine wurden als Reliquien von Neumünster ins Augustiner-Chorherrenstift Bordesholm überführt.
Das Wissen um das Vicelin-Grab ist im Laufe der Zeit verloren gegangen. Es ist nicht mehr nachweisbar. Eine Gedenktafel in der Bordesholmer Klosterkirche erinnert an den Missionar und Heiligen.[verkleinern]
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