Fährt man von der B112 kommend auf Reitwein (östlich von Seelow) zu, grüßt schon von weitem der wiederaufgebaute Turm der Stüler-Kirche Reitwein, leicht oberhalb des Ortes auf dem Westhang des Reitweiner Sporns. Hinter dem ehemaligen Pfarrhaus führt ein Plattenweg hinauf zu dem kleinen Plateau, auf dem die Kirchenruine steht.
Bereits 1414 befand sich an der Stelle eine Dorfkirche. Da diese kleine Kirche den Gläubigen nicht mehr genug Platz bot, entschloß sich der örtliche Grundbesitzer und... weiterlesen
Kirchenpatron Graf Finck v. Finckenstein um 1850 zum Bau einer neuen Kirche. Die alte Kirche wurde abgerissen und 1855 der Grundstein für die neue Kirche gelegt, die nach Plänen des Schinkel-Schülers Friedrich August Stüler erbaut wurde. Die Backsteine in 63 Formen wurden in der Reitweiner Ziegelei hergestellt. Die Backsteinkirche im neogotischen Stil wurde am 25.8.1858 mit einem festlichen Gottesdienst eingeweiht. Das markante Bauwerk bestimmte für die nächsten knapp 90 Jahre die Silhouette des Ortes und wurde unter anderem von Theodor Fontane besucht und gemalt. Die Familiengruft der einstigen Gutsherren, der Grafen v. Burgsdorff, die sich in der alten Kirche befand, wurde in eine neue Gruft unter dem Schiff der neuen Kirche verlagert.
Als zum Ende des 2. Weltkrieges die Rote Armee Anfang Februar 1945 die zugefrorene Oder überwand und sich am Westufer der Oder festsetzte, kam es um den Reitweiner Sporn und den nachgelagerten Ort Reitwein zu schweren Kämpfen zwischen deutschen und sowjetischen Truppen, in deren Folge der Ort und die Kirche zerstört wurden. Die deutschen Truppen mußten sich zurückziehen. Den Reitweiner Sporn baute die Rote Armee de facto zur Festung aus und machten ihn zum Ausgangspunkt ihrer Offensive gegen die Seelower Höhen im April 1945.
In den Jahren nach dem Krieg verfiel die ausgebrannte Kirchenruine. Der Kirchturm war bei den Kämpfen gesprengt oder weggeschossen worden, von der Kirche hatten die Außenmauern standgehalten. Der Kirchengemeinde fehlten für den Wiederaufbau die nötigen finanziellen und materiellen Mittel sowie die Unterstützung staatlicher Stellen. Der 1970 geplanten Sprengung der Ruine widersetzte sich die Kirchengemeinde erfolgreich. Schließlich stellte die DDR die Ruine der Stüler-Kirche 1983 unter Denkmalschutz.
Sicherungs- und Instandsetzungsarbeiten konnten erst nach der Wiedervereinigung erfolgen. Mauerwerkskronen und Überdachungen des Kirchenschiffs wurden fertiggestellt und von 1998 bis 1999 erfolgte der Wiederaufbau des 46 m hohen Kirchenturms nach historischem Vorbild. Eine Kirchenuhr wurde wieder eingebaut und eine neue Bekrönung der Turmspitze angefertigt. Glockenweihe war 2001.
Heute präsentiert sich die Stüler-Kirche als gesicherte Ruine mit wieder aufgebautem Kirchturm und zerstörtem Kirchenschiff ohne Dach. Kirchturm und Kirchenschiff sind außerhalb von Veranstaltungen nicht zugänglich, jedoch kann man von außen einen Blick ins Kirchenschiff werfen.
Wer möchte, kann von der Stüler-Kirche aus den Reitweiner Sporn mit den Resten sowjetischer Stellungen und Bunker von 1945 erwandern.[verkleinern]