Als ich letztes Jahr mal wieder in der Innenstadt von Hometown Reutlingen unterwegs war, habe ich nicht schlecht gestaunt. In der Wilhelmstraße, der Hauptshoppingrennundgockelbahn mitten in der Alt-, äh, Innenstadt hat ein neuer Laden eröffnet. Das per se ist nichts Ungewöhnliches. Auch hier in Reutlingen wird inzwischen gerne und viel fluktuiert, aber mit dem Gebäude in der Wilhelmstraße 89 verbinde ich doch eher spezielle bis dezent traumatische Erinnerungen...
Bis vor einer Weile war... weiterlesen hier noch K&U, eine große Bäckereikette mit gänzlich frisch aufgebackener Tiefkühlteiglingsware… und ich habe hier zu Schulzeiten mein Geld samstags hinterm Tresen verdient…. Unvergessen ist das Belegen von 500 (!) Tomate-Mozzarella-Brötchen… Würg. Nun ist also die ‚Bäckerei‘ einem Kosmetikladen gewichen. In der Eile des damaligen Tages konnte ich nur kurz ins Schaufenster und durch die Tür spinzen… Sah alles sehr edel und designlastig aus. Namen merken, nachschauen.
Zuhause angekommen ließ sich der Name tatsächlich noch aus der Birne schütteln… RITUALS… und die Website war schnell gefunden. Das Logo kommt im modernen Ritter-Sport-Look daher. Quadratisch, praktisch, gut. Leider sind sieben Buchstaben ein Fall für die Reihe der Primzahlen und ein wenig schwer auf drei Zeilen zu verteilen. Irgendwie stört mich die Verteilung auf RIT UAL S in einem Quadrat dann doch. Sieht komisch aus.
Die Website bietet allerlei Töpfchen und Tigelchen, Fläschen und Döschen feil, die alle mit klingenden Namen und zum Teil in kompletten Serien angeboten werden. Beispielsweise Dusch-Schaum, Creme und Parfum – passend aufeinander abgestimmt. Alles edel designed und sicherlich ein schöner Hingucker in der heimischen Nasszelle.
Bei Internetrecherche blieb es damals vorerst. Gut zu wissen, schön aufgemacht, aber ich bin so selten in der Innenstadt von Hometown unterwegs… und online bestellen wollte ich jetzt nicht so gern. Geht zwar, aber ich möchte eigentlich schon riechen, was ich da kaufe… Muss ja auch zu einem selbst passen und sollte nicht unbedingt allen Passanten die Tränen in die Augen treiben.
Tatsächlich hat mich ein Frauenmagazin erneut auf Kurs gebracht. In einer Ausgabe der Myself, verborgen zwischen unzähligen Kosmetiktipps, unmöglichen Klamottenvorschlägen und Geschichten, die das Frauenleben so schreibt, befand sich ein Artikel über Duftkerzen. Duftkerzen?!?! Für mich bisher eher Sinnbild für Kopfweh und auf gleicher Stufe mit Wunderbäumen fürs Auto… Gruselig!! In dem Artikel stand nun aber etwas von Parfumkerzen, teuer, edel, lange brennend und von Parfumeuren und nicht von Praktikanten mit Hang zu Synthetik-Duft zusammengestellt. Klang spannend und ich brauchte ein Weihnachtsgeschenk für meine Mutter. Die mag Duftkerzen… und sie mag den Geruch von Patchouli und Zedernholz. Und was gibt es mein Laden mit dem verkorksten Primzahlenlogo? Eine Duftkerze… Patchouli und weiße Zeder, 80 Stunden Brenndauer, sündhaft teuer.
Online shoppen kam nicht in Frage, also doch hin… Der Laden ist in dunklem Holz gehalten, alles ist ansprechend und nobel dekoriert. Ich bin vormittags hier und die vorweihnachtlichen Shoppingwahnsinnigen müssen wahlweise noch arbeiten, oder haben sich noch nicht hier in den Laden verirrt. Eine Verkäuferin ist sofort zur Stelle, als ich mich Hilfesuchend nach der Kerze umgucke. Ich nenne mein Anliegen, die Verkäuferin lächelt und findet das Objekt der Begierde sofort. Ich darf am Kerzlein, das ab Werk in einem schönen dunkelroten Glas geliefert wird, schnüffeln. Riecht wunderbar. Das wird meiner Mutter gefallen.
Die Verkäuferin wuselt unterdessen zu einem anderen Regal und präsentiert einen Dusch-Schaum aus der gleichen Serie… Statt Patchouli und Zedernholz riecht der Schaum nach Patchouli und Kardamom. Die Verkäuferin kennt sich mit den Inhaltsstoffen der Produkte hervorragend aus. Nicht nur die groben Duftrichtungen, sondern auch all die kleinen Details kennt sie sichtlich gut. Wunderbar!
Schüffeln an der Schaumsprühdose ist ein ziemlich sinnfreies Unterfangen, also werde ich gefragt, ob ich den Schaum testen will. Ich bejahe und die Verkäuferin führt zu einem nobel aussehenden Waschbecken. Nach dem Öffnen des Wasserhahns fließt das Wasser durch eine Rinne, an deren Ende es dem potentiellen Käufer sanft entgegenplätschert. Die Konstruktion ist wirklich hübsch, aber für den Hausgebrauch in Anbetracht der schwäbischen Kalkbrühe, die hier aus der Leitung kommt, wohl eher absolut unpraktisch. Ich teste den Schaum, lasse mich von der Konstruktion wieder sauberplätschern und entscheide mich, dass der Schaum auch noch mit soll.
Zahlen an der Kasse geht schnell und zügig. Man kann hier mit allem zahlen, was Barschaft und Plastikkärtchen so hergeben. Die Frage nach Einpacken verneine ich. Das kann ich selber und die Mädels haben in der Vorweihnachtszeit hinterm Tresen wahrlich genug zu tun.
Parkplätze gibt es keine. Ich empfehle ein nahes Parkhaus oder einen Parkplatz in Innenstadtrandlage – immerhin sind wir hier mitten auf der Shoppingmeile.
Von mir gibt es fünf Sterne. Meine Mutter kauft inzwischen die Artikel auch selbst nach und auch ich habe das ein oder andere für mich gefunden. Wunderbar![verkleinern]