Ich will zum Real“. Uff. Mein großzügiger Vorschlag, den Real Kirchentellinsfurt anzusteuern, wurde eiskalt abgelehnt. „Industriegebiet West ist doch viel näher!“. Mist… Nun gut, dann bin ich auch mal wieder hier… vielleicht hat sich alles ja zum besseren gewandelt.
Nun gut… dann fahren wir halt hin. Das Gebäude ist riesig und etwas angebraucht. Der Markt hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich… früher einst „Conti“, später dann „Walmart“ und nach deren Rückzug also Real.
Der Parkplatz hat biblische Ausmaße. Sollte man hier jemals keinen Parkplatz mehr bekommen, stapeln sich im Markt die Menschen vermutlich drei Meter hoch. Optimal geeignet für neurotische Sportwagen-Fahrer und Edelkarossenbesitzer, die ihr heiligs Blechle am liebsten weit ab vom Schuss parken, damit niemand den frisch gewienerten Heiligen Motorgral zerkratzen kann.
Auch Einkaufswagen stehen en masse für Enkaufswillige bereit. Nun denn… auf zum Shopping. Im Eingangsbereich finden sich noch eine Apotheke (praktisch) ein Blumenladen (grausig), ein Imbiss (früher mit leckeren Fischweckle, heute ein Dönerladen, der in Reminiszenz an alte Tage Fischweckle neben Döner verkauft), ein Spezialitäten-Spezialist (lecker), ein Schlüssel- und Schuhdienst (nie dort gekauft), ein Fertigteigling-Bäcker (na ja) und ein Zigaretten-Lotto-Schreibwarenladen (praktisch).
Der Markt selbst ist in zwei Stockwerke unterteilt… Unten gibt es Lebensmittel, Drogeriezeug und Deko, oben gibt es Kleidung, Möbel (?!), Schuhe, Elektroartikel und Spielwaren. Wir bleiben unten.
Wir sind noch nicht einmal ganz an Kaffee und Tee vorbei, als meine Mutter ausschert und vorerst nicht mehr gesehen wird. Die Shopping-Leidenschaft ist offenbar erwacht. Während das Sortiment beim Marktkauf schon durchaus großzügig ist, wird man hier fast überfrachtet. Mutter beginnt mit eifrigem Einsammeln von allerlei Dingen, die sie sonst nie zu kaufen bekommt. Der Inhalt ihres Einkaufswagens wirkt zu diesem Zeitpunkt schon ein wenig schrill und die gewaltige Süßwaren- und Bonbonabteilung ist nun um mindestens ein Kilo Ware erleichtert.
Im Anschluss folgt die riesige Tiefkühlabteilung. Mutter erbeutet Gemüseburger, ich nichts. Mich zieht es eher zur Käse- und Wursttheke, die sich direkt dahinter befindet. Schock. Da war doch früher mal mehr… Eine Zwergtheke klebt ein wenig lieblos in einer Ecke des Ladens. Ich will frischen Parmesan – und bekomme keinen. Gran Padano sei doch dasselbe… und außerdem billiger. Das interessiert mich nicht. Ich will Parmesan. „Ham wer nicht.“ Zähneknirschend willige ich ein und fordere 100 Gramm Gran Padano. Es folgt eine grausige Schnippel-Orgie, in deren wilden Umständen 400 Gramm Käse zu Kutter und Fetzen zerlegt werden. Die Dame schippt Brösel auf die Wickelfolie und zeigt an, dass es nun 100 Gramm seien. Die Raumtemperatur sinkt um einige Grad. Im Hintergrund sehe ich eine Reibmaschine und bitte darum, das Dilemma gleich für mich zu reiben. „Is nich. Tut nich.“ Das kann daheim ja heiter werden.
Frisches Fleisch vom Metzger ist nicht zu bekommen. Bloß Schutzatmosphären-Packware… Ich verzichte und sogar meine inzwischen offenbar völlig schmerzfreie Mutter verweigert sich. Die hat inzwischen noch allerlei Eigenartigkeiten zusammengetragen und freut sich wie Bolle. Abpack-Käse, Packwurst und Milchprodukte sind von der Auswahl her fantastisch. Hier gibt es alles, das man braucht – oder auch nicht.
Eine große Abteilung mit Brot, Brötchen und Kuchen (abgepackt oder aufgebacken – es gibt beides) wartet ebenfalls auf hungrige Kunden. Der freundliche Herr hinterm Tresen der Back-Abteilung schneidet auf Wunsch meiner Mutter hin sogar ihr Brot. Toller Service!
Der angehängte Getränkemarkt ist ebenfalls riesig und lässt eigentlich keine Wünsche offen. Den gewünschten Saft gibt es in ausreichender Menge und im Großgebinde.
Die Obst- und Gemüseabteilung ist schon allein deshalb ein Highlight, weil die Waagen via Kamera den vermeintlichen Inhalt der Plastiktüte erkennen sollen und dann das richtige Etikett auswerfen. Da ist es wieder – das Wörtchen "eigentlich". Tomaten werden schnell mal Pflaumen, Orangen und Mandarinen sehen sich sowieso zu ähnlich und alles in allem ist die Tipperei größer, als bei einer normalen Waage, die einfach fiepend nach drei Zahlen verlangt. Aber es macht Spaß. Das Angebot ist in Ordnung, die Frische so la la.
Muttern wildert inzwischen in der Konservenabteilung, ich komme nach. Das Angebot ist erschlagend und so langsam schleicht sich ein dezenter Data Overflow ein. Cerealien und Nudeln stehen ebenfalls in rauen Mengen und jeder erdenklichen Art zur Verfügung… und Gott sei Dank nahen so langsam auch die Kassen. Nur noch Kochartikel, Tiernahrung und Drogeriebedarf sind zu überwinden und das Ziel ist erreicht… Die Kasse!
Freie Kassen gibt es jede Menge, die Geschwindigkeit der Kassiererin ist überschaubar… Aber Eile ist ja bekanntlich Teufelswerk. So hat man wenigstens genug Zeit, den Plunder direkt in Taschen und Körben zu verstauen und wünscht sich nicht drei zusätzliche Armpaare. Ich zahle meine Sachen und lade Mutters Exotarium aufs Band. Auch dieser Einkauf wird dann gemütlich verstaut und alsbald schon im Auto verladen.
Mutters Freude war riesig, meine eher gedämpft. Käse und Wurst sind ein Desaster und das Reiben der Käse-Havarie war eine mühselige Qual. Alles wirkt gelegentlich ein wenig „abgerockt“ und eine Erneuerung täte sicherlich gut. Mehr als ein „Na ja“ lässt sich aktuell nicht abringen.
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