Schon während meiner Schulzeit interessierte ich mich für die Geschichte und das Leben der Jüdischen Bürger in unserem Landkreis - dem Landkreis Hersfeld - Rotenburg.
Damals fand man jedoch nicht all zu viele Informationen dazu. Selbst im Hersfelder Museum wurde nicht ein einziges Wort darüber dokumentiert.
Die einzigen sichtbaren Zeugen waren seinerzeit die vereinzelt zu findenden, jedoch meist sehr versteckt liegenden und in Vergessenheit geratenen Jüdischen Friedhöfe. Weder kannte man... weiterlesen Stolpersteine, noch beschäftigte man sich mit der Vertreibung und Vernichtung der Jüdischen Bürger.
Das Verdrängen und Vergessen, welches ich zum Haus Bahnhofstraße 10 in Bad Hersfeld geschildert habe, war symptomatisch für die sog. Nachkriegszeit und wirkt bis in die Gegenwart fort.
Einige meiner ehemaligen Lehrer haben sich sehr verdient gemacht, um die Recherche und Darstellung einstigen jüdischen Lebens in unserer Region. Vorweg ist hier Karl Honickel zu nennen, der den christlich - jüdischen Arbeitskreis in Schenklengsfeld in´s Leben rief, aber auch Waldemar Zillinger.
Weiterhin sind auch Barbara Händler - Lachmann sowie Brunhilde Miehe hier stellvertretend zu nennen stellvertretend für viele, die sich insoweit verdient gemacht haben.
Ich will nicht verschweigen, dass die Enthüllungen nicht überall auf Begeisterung stießen und sogar Anfeindungen zur Folge hatten.
An einem Samstag Nachmittag waren wir in Schenklengsfeld unterwegs, um uns die Sehenswürdigkeiten des Ortes anzuschauen. Dabei fiel mir ein, dass es auch einen jüdischen Friedhof hier geben soll. Ich hatte jedoch nur eine vage Ortsangabe darüber, wo dieser Friedhof zu finden sei.
Nach einigem Suchen wurden wir in der Feldgemarkung außerhalb der Ortschaft dann fündig und zwar hinter einer beschnittenen Hecke, über die gebogene Betonpfosten als einstige Umzäunung ragen, an zwei Seiten von einer Solaranlage bedrängt, wie durch eine Armee Bewacher. Unwillkürlich fühle ich mich an die Sicherheitseinrichtungen eines Vernichtungslagers erinnert. Traurig, dass man die Pietät so wenig wahrt, das Gesamtbild ist erheblich gestört.
Über einen Feldweg laufe ich entlang der Hecke, bis ich unten im Tal das Tor finde.
Das Tor des Friedhofes ist verschlossen. Den Schlüssel bekommt man bei der Gemeinde oder Herrn Honickel - natürlich nicht an einem Samstag, denn am jüdischen Sabbat ist der Besuch jüdischer Friedhöfe nicht gestattet.
So bleibe ich außen vor und betrachte über das halb hohe Tor hinweg die Anlage.
Vorne links in einiger Entfernung von den sonstigen Grabstätten befinden sich drei Grabsteine der Kohanim, die ihre Abstammung auf die Priester des Tempels in Jerusalem zurück führen. Auf einem der Grabsteine sind die in den Stein gemeißelten, segnenden Hände auch aus meiner Entfernung deutlich zu erkennen.
Der Friedhof auf welchem erstmals im Jahre 1870 und letztmals vor über 70 Jahren im Jahre 1938 das letzte Mal bestattet wurde, ist nur zur Hälfte belegt. Vor 1870 wurde auf dem Zentralfriedhof im mehrere Kilometer entfernten Mansbach bestattet. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde per Gesetz der Erwerb von Land für Friedhöfe für die jüdischen Gemeinden erleichtert.
Oben auf dem Hügel befinden sich mehrere Reihen mit Gräbern. Die rechteckigen Grabmahle stehen in Reih und Glied. Aus meinen Recherchen weiß ich, das Frauen und Männer jeweils getrennt von einander bestattet wurden. Kindergräber gibt es kaum. Sie wurden wohl ohne stein am östlichen Rand des Friedhofes bestattet.
Die Grabsteine, die vom örtlichen Steinmetz gearbeitet wurden, der auch die Grabsteine auf dem historischen christlichen Friedhof gearbeitet hat, tragen zu beginn ausschließlich hebräische Schriftzeichen und erst später lateinische Schrift.
Die nach Geschlechtern getrennten Grabreihen, der fehlende Baumbestand und die davon getrennten Gräber der Kohanim belegen, dass dies der Friedhof einer sehr orthodoxen jüdischen Gemeinde ist.
Rechts neben dem Eingang auf gleicher Höhe wie die Gräber der Kohanim steht im gleichen Stil der Grabmahle ein Gedenkstein mit den Namen der in Konzentrationslagern umgekommenen Menschen jüdischen Glaubens aus Schenklengsfeld.
Jeder Name ist ein Name zu viel und hinter jedem Namen steht ein Schicksal und ein Leidensweg.
Betroffen trete ich den Rückweg an.
Ist es nicht merkwürdig sich zu wünschen, dass der Friedhof noch heute belegt würde ....?[verkleinern]
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