Vom einstigen Glanz dieses Hauses sieht man nichts mehr. Sehr bedauerlich, ist aber so. Kaum vorstellbar, wie hier noch vor 120 Jahren das Leben pulsierte. Nun hat es sich verändert. Das Zierfachwerk ist verschwunden, ebenso die im Jahre 1680 bepflanzten Linden im vorderen Bereich, die mit ihren mächtigen, ausladenden Kronen für reichlich Schatten gesorgt und zur Blütezeit die Luft mit ihrem bezaubernden Duft erfüllt haben. Nun sieht man hier und da nur noch Wildwuchs, die kleine Freitreppe... weiterlesen sieht erbärmlich und nicht gerade vertrauenswürdig aus, die eingeschnittene Loggia ist ebenfalls mehr dem Verfall preisgegeben.
Alte Häuser faszinieren mich. Sie erzählen eine Geschichte - von Frieden und Krieg, von Lachen und Weinen, von ihren wechselnden Besitzern und vieles mehr. So auch das ehemalige Schützenhaus und späteres Gasthaus von Schneeberg, dass zirka um 1905 gebaut wurde und ein bedeutendes Baudenkmal der Bergstadt im Erzgebirge ist.
Es befindet sich in unmittelbarer Nähe zum berühmten Stadtpark von Schneeberg. In der Umgebung hat sich viel getan. Neubauten und hübsche Gärten sind in Laufe der Jahre entstanden. Obwohl die Bäume des Stadtparks für Schatten sorgen - das einstige Schützenhaus, ist heutzutage meist von der Sonne beschienen. Die großen Linden gibt es nicht mehr. Das Alter hat sie dahin gerafft.
Am Stadtpark war hier früher große Einkehr. Das einstige Schützenhaus und Sportlerheim wurde mit der Zeit umgebaut und es entstand ein Gasthaus. Es wurde ein beliebtes Ausflugsziel für die Bürger Schneebergs und auch Touristen. Eine Gaststätte mit langer Tradition entstand. Wollte man sich nach einem ausgiebigen Spaziergang im Stadtpark ein gutes Essen oder ein kühles Bier genießen, wurde im ehemaligen Schützenhaus eingekehrt und man konnte sich unter den ausladenden Kronen der alten Linden erholen.
Gut ausgestattet soll es gewesen sein, so sagt man. Es heißt, dass es das romantischste und schönste Lokal von Schneeberg und der gesamten Umgebung gewesen sein soll, mit Loggia, Gesellschaftssaal und mit einem Piano, auf dem ständig gespielt wurde. Die Küche bot vorzügliche Menüs, aber auch Gerichte für den kleinen Hunger zwischendurch und im Keller sollen Bierfässer und die erlesensten Weine gelagert haben. Und genau hier gab es damals eine Spezialität des Hauses: "Wernesgrüner Weißbier", weswegen schon viele deshalb hier einkehrten.
Hier fanden Bürgerfeste statt und wunderschöne Musik- und Tanzabende. Kein Tag verging, ohne dass das Haus mit regen Leben erfüllt war.
Das Schützenhaus hatte sogar die größte Sportschießanlage von Sachsen, mit insgesamt 20 Schießbahnen. Hier wurde trainiert und auch Wettkämpfe ausgetragen.
Neben dem wunderschönen Haus, dass Zeugnis der spätkaiserlichen Freizeitkultur ist, befand sich eine große Grünanlage, die als Festplatz genutzt wurde und viele Jahrmärkte sollen hier stattgefunden haben. Draußen, als auch drinnen, wurde gelacht, getanzt, gut gegessen und gefeiert. Hier fanden einige zueinander und feierten später ihre Hochzeit im großen Stil.
Das damals wunderschöne Haus bot den perfekten Rahmen dafür - ein langgezogener Bau im Reformstil auf bossiertem Granitsockel und einer lauschigen Freitreppe mit Loggia. Das Souterraingeschoss war hoch und elegant ausgestattet. Die Bleiglasfenster waren farbig mit Schützenmotiven und tanzenden Paaren, die auch heute noch zum Teil im Original erhalten sind. Das Mansardendach besitzt sogar eine Laterne, und so war es zwar im Stil der damaligen Zeit erbaut wurden, aber weitaus prunkvoller, als so mancher Bau in jener Zeit.
Und was wurde aus dem einstigen prachtvollen Schützen- und Gasthaus? Nach vielen Pächterwechsel, ging es immer mehr bergab. Es wurde nicht mehr bewirtschaftet, keine rauschenden Feste mehr darin gefeiert. Der Festplatz verwaiste und das Gebäude verfiel zusehends. Ohne Leben, lebt kein Haus und stirbt irgendwann. So ist es auf jeden Fall mit diesem unter denkmalgeschützten Haus am Stadtpark. Es ist in keinem guten Zustand. Und nach der Wende kam das Ende dieses tollen Hauses, obwohl die Gastronomie viel eher eingestellt wurde. Wann das Gasthaus seinen letzten Gast bewirtete, ist leider nirgendwo festgehalten.
Es heißt zwar, dass es einen neuen Besitzer haben soll, aber der scheint mit der Immobilie sich etwas überschätzt zu haben - auf jeden Fall finanziell, denn viel wurde in den letzten Jahren nicht gemacht. Kleine Arbeiten hier und da - aber so ein großes Gebäude braucht liebevolle Zuwendung und vorallem ein dickes Bankkonto. Es ist alt und baufällig, aber nicht hinfällig. Noch nicht. Doch die Zeit arbeitet gegen das einstmals schöne Haus. Wird in den nächsten Jahren nichts passieren, wird es irgendwann ein Lost Place - wäre eigentlich schade drum, denn Fördergelder fließen sicherlich reichlich bei so einem denkmalgeschützten Haus. Aber wo kein Wille ist...
Tja, die Sportschießanlage ist genauso Geschichte, wie das Gasthaus, in dem das Leben pulsierte und rauschende Feste gefeiert wurden. Hoffentlich schreibt das Haus irgendwann wieder Geschichte. Zu wünschen wäre es ihm. Aber so, wie ich das sehe, hat es keine rosige Zukunft vor sich, wenn nicht bald etwas geschieht.
Aber für all jene, die sich für die Baudenkmäler von Schneeberg interresieren, sollten sich dieses Haus nicht entgehen lassen. Und dann kurz Augen schließen und sich vorstellen, wie hier gelacht und gefeiert wurde, geschossen, getanzt und sich so mancher verliebte. Nach ausgiebigen Spaziergängen in dem früheren wunderschönen Park sich im Schatten der alten Linden ausruhte und ein kühles Wernersgrüner Weißbier trank, dass es nur hier gab... Ja, alles ist Geschichte. Genau wie die heutige Gegenwart irgendwann Geschichte sein wird.[verkleinern]
Der Beitrag wurde zuletzt geändert