12.06.2017
Vor einiger Zeit unternahmen wir einen längst überfälligen Ausflug in die Schwalm, deren Zentrum Schwalmstadt ist. Die Stadt Schwalmstadt wurde im Rahmen der hessischen Gebietsreform aus den Städten Ziegenhain und Treysa als Verwaltungseinheit gebildet.
Ziegenhain war unser Ziel, denn ich wollte mir unbedingt ein Bild von der einzig in Europa noch flutbaren Wasserburg machen.
Eine Möglichkeit zum Parken war in der verschlafenen, kleinen Stadt schnell gefunden und so begaben... weiterlesen
wir uns auf einen Spaziergang, der uns zu interessanten Plätzen innerhalb der Festungsanlage führte.
Diese ist auf eine erste Befestigung am Fluss Schwalm zur Sicherung des Überganges der Handelsstraßen etwa aus dem Jahre 950 zurück zu führen und wurde im Laufe der Jahrhunderte nach und nach ausgebaut.
Das Geschlecht der im Sternerkrieg ( 1371 -1374) unterlegenen Grafen von Ziegenhain vererbte im Jahre 1450 verschuldet und kinderlos den Besitz an den Landgrafen von Hessen - Kassel.
Ab dem Jahre 1470 ließ der Landgraf die vorhandene Burganlage unter Beteiligung des berühmten Baumeisters Hans -Jacob von Ettlingen zu einem Residenzschloss umbauen.
Zur Wasserfestung mit einem 40 Meter breiten und 8 Meter tiefen umlaufenden Wassergraben sowie Bollwerken wurde die zwei Jahrhunderte lang uneinnehmbare Anlage jedoch erst in den Jahren von 1537 bis 1546.
Das war in dem in den Jahren 1546/47 geführten Schmalkaldischen Krieg protestantischer Landgrafen gegen Kaiser Karl V. von enormem Nutzen.
Die Festung konnte zwar von kaiserlichen Truppen belagert, jedoch nicht eingenommen werden. Der Festungskommandant Heinz von Lüder hielt mit seiner Mannschaft in großer Loyalität zu seinem Landgrafen der Belagerung durch den Feind stand.
Keinem anderen als seinem Landgrafen werde er jemals den Festungsschlüssel übergeben, soll er geäußert haben. Dies prägte den Begriff " Hessentreue" für äußerste Loyalität, der bis heute noch in Vereinsnamen, vor allem von hessischen Schützenvereinen , geführt wird.
Im 30 - jährigen Krieg (1618 - 1648) hielt die Festung den Truppen Tillys stand, während die umliegenden Ortschaften teilweise dem Erdboden gleich gemacht wurden . Noch heute steht das Sprichwort " so fest wie Ziegenhain" für die Uneinnehmbarkeit der Festung zur damaligen Zeit.
Das Museum der Schwalm in einem ehemaligen Kommandantenhaus -dem steinernen Haus - zeigt die Geschichte der Festung zur Zeit des 30 -jährigen Krieges, also ihrer Blütezeit.
Die Trutzhaftigkeit der Festung blieb jedoch nicht immer. Im Siebenjährigen Krieg (1756 - 1763) erkannte man, dass die Bollwerke der Festung nutzlos geworden waren und übergab sie 1758 kampflos an französische Truppen.
1761 kam es zu einer schweren Schlacht bei dem Versuch, die Festung zurück zu erobern, in deren Folge über 40 Häuser innerhalb der Festung zerstört wurden. Schließlich wurde die Festung von den Franzosen friedlich übergeben.
Wer aber hätte gedacht, dass die Wasserfestung Ziegenhain auch mit dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775 -1783) in Verbindung gebracht werden kann?
Sie diente 1776 -1783 als Sammelplatz für hessische Söldner, die vom heutigen Bad Karlshafen zunächst über die Weser nach Bremen und anschließend nach Amerika eingeschifft wurden, um an der Seite britischer Truppen zu kämpfen.
Mit dieser Art Menschenhandel gelangte der damalige Landgraf Friedrich II. zu großem Reichtum. Wer dazu mehr erfahren möchte, findet übrigens sehr interessante Informationen dazu bei wikipedia/Deutsche Beteiligung an dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.
Nach und nach verlor die Festung an militärischer Bedeutung. Durch napoleoenische Truppen wurde in der Zeit des Königreichs Westfalen die Festungsanlage 1806 geschliffen.
Ab 1842 wurden Teile als Arbeitshaus und später als Strafanstalt genutzt. Die Nutzung als Strafvollzugsanstalt dauert bis heute an.
Viele historische Gebäude und der Paradeplatz sind heutzutage noch erhalten und in Nutzung, wie z. B. das Steinerne Haus als Museum oder der Neue Kornspeicher als Teil der JVA Schwalmstadt, die etwa ein Viertel der ehemaligen Festungsanlage belegt. Wenn man nicht ganz genau schaut bemerkt man gar nicht, dass gleich neben den historischen Gebäuden, dem Paradeplatz und den beiden Hotels schwere Jungs im Knast sitzen.
In dem Biergarten des Hotel Landgraf hatten wir unlängst ein gemütliches Päuschen eingelegt.
Die einstige Festungsanlage, die in die liebliche Landschaft der Schwalm eingebettet ist, besitzt heute ihren ganz eigenen Charme und ist meines Erachtens einen Besuch Wert.
Meine Fotoimpressionen hatte ich bereits in das Fotoalbum gelegt.
Ich danke für die virtuelle Begleitung durch die Geschichte der Wasserfestung Ziegenhain.[verkleinern]