Golocal gibt manchmal seinen Senf dazu. Könnte man so sagen, denn durch einen Bericht auf dieser Bewertungsplattform erfuhr ich von der Schwerter Senfmühle, die mir vorher völlig unbekannt war.
Der gebürtige Sachse schwört ja auf seinen "Bautz`ner" lässt zur Not noch "Altenburger" auf die Wurst und erteilt ansonsten "ausländischem"Senf eine glatte Abfuhr.
Aber warum nicht einmal einem anderen Hersteller eine Chance geben ?
Ein freundlicher User wies mich auf die Homepage der Senfmühle... weiterlesen und den Versand von Senfgläsern per Post hin.
Das machte mich förmlich scharf auf Senf aus Schwerte und ich las mich ein....
Eigentlich 1845 in Hagen-Hohenlimburg als Handelsfirma Hegelich gegründet wurde der Firmensitz später nach Schwerte verlegt.
1902 verkaufte die Firma Hegelich den Betrieb an Wilhelm Adrian, den Namensgeber der noch heute angebotenen Grundsorte Senf.
Dieser Herr Adrian baute sogleich ein neues Firmengebäude und zog mit der Senfproduktion um
1923 wurde ein neuer Doppelwalzenstuhl zur Zerkleinerung der Senfsaat gekauft, später kam Transmission zur Kraftübertragung eines Gasmotors hinzu, der Betrieb war damit schon recht gut technisiert.
Senf war augenscheinlich in der Gegend um Schwerte sehr beliebt, denn von der Familie Adrian und bis zu 5 Angestellten wurden etwa 500 - 600 Kilo Senf hergestellt - täglich !
Ausgeliefert wurde persönlich mit Pferdekarren und Lastwagen im Umkreis von 150 Kilometern.
1935 kaufte man die laut Werbeprospekt "modernste Senfanlage der Welt", die wahrscheinlich auch den Krieg heil überstand.
Seit 1939 hatte eigentlich der Sohn von Wilhelm Adrian, mit Namen ebenfalls Wilhelm, die Fabrik übernommen. da er auf Grund seiner Jugend aber zur Wehrmacht eingezogen wurde, betrieben die Eltern den Betrieb zunächst weiter.
1950 erfolgte die Erweiterung des Maschinenparks, so konnte nun auch besonders scharfer Senf produziert werden.
1960 übernahm dann der Enkel des ersten Wilhelm, natürlich standesgemäß ebenfalls Wilhelm mit Namen, die Senfmühle.
Über die Jahre hinweg zwar mit maschineller Unterstützung hergestellt konnte und kann man die Arbeit der Senfmühle durchaus als Handwerk bezeichnen.
Dies wäre der Firma beinahe zum Verhängnis geworden, denn durch die zunehmende Industrialisierung der Lebensmittelherstellung bei gleichzeitigem Wegfall kleiner Läden - die Handelsketten begannen den Markt zu dominieren - sanken die Umsätze stetig.
Wilhelm 3 war gezwungen, sich eine Arbeit neben der Senfmühle zu suchen um die Familie ernähren zu können. Nicht zuletzt auf Bitten seiner Stammkunden produzierte er jedoch im kleinen rahmen weiterhin Senf, sozusagen als Hobby-Senfmacher. Im Dezember 1999 im Alter von 69 Jahren hörte er dann aber endgültig auf.
Es muss ein glücklicher Zufall gewesen sein, dass ausgerechnet zu dieser Zeit Herr Peisert Senf bei Adrian kaufen wollte.
„Wenn du Senf brauchst, dann mach´ ihn dir gefälligst selber!“ sagte Adrian damals.
Der anscheinend technisch begeisterte Peisert besah sich die Senfmühle, nahm Senfmüller Adrian beim Wort und es kam zu einem Kaufvertrag über die Maschinen.
Da der alte Standort allerdings anderweitig genutzt werden sollte, musste zunächst ein neues Gebäude gesucht werden.
Ein Jahr nach Schließung der alten Senfmühle konnte am neuen Standort in der Ruhrstraße mit der Produktion begonnen werden. Der Rentner Wilhelm Adrian half seinem Nachfolger und führte ihn in die Senfzubereitung ein.
Produziert wird bis heute, allerdings nur noch einmal in der Woche, der Bedarf der Kundschaft wird bei den großen Lebensmittelhändlern letztlich durch industriell hergestellten Senf gedeckt.
Die Schwerter Senfmühle, übrigens die letzte ihrerArt in Westfalen, besetzt jedoch recht erfolgreich eine kleine Nische mit ihren handwerklichen Produkten.
In rund 150 Geschäften in Westfalen zwischen Alsfeld und Wölfersheim aber auch außerhalb in Berlin, Bremen, Hamburg oder Nürnberg wird der Schwerter Senf heutzutage verkauft. Eine Liste mit den Adressen gibt es auf der Homepage.
Dazu kommt das eigene Ladenlokal in Schwerte sowie die schon oben beschriebene Möglichkeit der Bestellung mit anschließendem Versand.
Davon machte ich gebrauch.
Die Auswahl ist groß, alle Sorten sind im kalten Herstellungsverfahren entstanden, das heißt, die natürlichen Inhaltsstoffe des Senfkorns sind nicht durch Hitzeeinwirkung zerstört sondern vollständig im fertigen Senf enthalten.
Klassiker ist der Adrian-Senf, zu Ehren des Firmengründers so benannt.
In verschiedenen Schärfestufen gibt es dann noch
Bier Senf ,Chili Senf ,Curry Senf ,Estragon Senf , Ganzkorn Senf ,Honig Senf ,Honig-Chili Senf ,Honig-Dill Senf ,Knoblauch Senf ,Kräuter Senf ,Pfeffer Senf ,Preiselbeer Senf , Rotwein Senf , Rüben Senf ,Riesling Senf ,Scharfer Honig Senf ,Scharfer Senf.
Ich entschied mich bei meiner ersten Bestellung für
1x 185 ml Bier Senf
1x 185 ml Honig-Chili Senf
1x 185 ml Pfeffer Senf
1x 185 ml Scharfer Senf
1x 300 ml Honig-Dill Senf
Das war auf der Internetseite alles ausführlich aufgelistet und leicht zu bestellen.
Ein kleiner Bug ist dort einprogrammiert, denn man kann nur Postleitzahlen von 10000 bis 99999 eintragen, Sachsen und Teile von Thüringen + Sachsen-Anhalt würden damit eigentlich von einer Belieferung ausgeschlossen, dort beginnen die PLZ mit einer Null. Da es aber ein Feld für "Bemerkungen" gibt, trug ich das Problem ein und es war fortan keines mehr.
Die Bestellung wurde am nächsten Tag von der Senfmühle bestätigt , 5 Tage später traf das gut verpackte Paket per DHL ( 6, 90 € Versandkosten berechnet ) bei mir ein .
Tränen bekommt man in die Augen, an denen die Schwerter Senfmühle nicht ganz unschuldig ist. Nicht wegen des Preises, denn ein kleines Gläschen Senf kostet gleich mal 3 Euro was einen Literpreis von über 16 Euro ergibt. da ist der Senf teurer als das Fleisch :-)
Gebe ich aber gern für gute Qualität aus.
Und da kommen die Tränen wieder ins Spiel.
In völliger Unterschätzung des frischen Produkts nehme ich den scharfen Senf her, kleckse ordentlich auf ein heißes Würstchen und beiße herzhaft hinein.
Feuersenf würde es auch treffen, so wirkt die gelbe Paste auf die Mund- und Magenschleimhäute ein.
Und da habe ich sicher noch nicht mal die schärfste Sorte probiert.
Die Farbe und Schärfe beschrieb ich, nun noch die Konsistenz. So wie Senf sein soll, nicht wässrig, nicht zu dünn oder zu dick. Und mit kleinen Stückchen des Senfkorns versehen, aber nicht zu grob. Sondern genau richtig.
Klasse Produkt, für den ich sogar meinen geliebten Bautz`ner Kosakensenf hergeben würde.[verkleinern]