Sonnabend, gegen 18 Uhr. In jenem winzigen Ort im schleswig-holsteinischen Amt Moorrege, der Heist heißt, rechnet der Wanderer oder Fahrensmann (ja, ja - auch die Frauen!) um diese Zeit kaum damit, noch eine Lokalität zu finden, in der itzo nicht die Bürgersteige (so vorhanden) hochgeklappt wären. Doch halt: Hier brummt's. Und zwar richtig!
Auf dem kleinen Parkplatz angekommen, sieht man das a) daran, dass es schwer ist, noch ein Platz für das Stinkomobil zu bekommen und b) am meist vollen... weiterlesen
Fahrradständer (der nicht mal klein ist!), und c) an für die Größe des Orts zahlreichen, teils voll besetzten Biertischgarnituren. Doch was zieht die Leute an wie Licht die Motten? Eis, und zwar gutes Eis. Letzteres sprechen wie: "Bond, James Bond!"
Vom vollen Parkplatz ließen wir uns nicht schrecken. Eiskalt durchquerten meine Begleitung und ich die äußere Umfriedung des Geländes, das ein wenig parzelliert ist - wie eine Miniatur-Gartenwirtschaft oder ein Adventure-Game (je, nachdem, wie man sozialisiert ist). Im Ganzen drängt sich der Eindruck auf, dass hier das private Anwesen der Ladenbehüter so nach und nach mit immer mehr Tischen erweitert wurde. Ganz nach dem Motto: "Hilfe, Erna! Die Schlange vor der Tür reicht schon dreimal um den Ort. Hol ma deine Gartenstühle raus, dass die sich setzen können!"
Wir folgten also den Spuren: Hier mal kurz um die Ecke, da einmal um den Tisch draußen herum und, schwupps, hatten wir die überdachte Eisheiligkeit erreicht. Dort, in den kühlen Katakomben tummelten sich schon ein paar Menschen, welche bestellten oder noch an der Tafel oberhalb der Theke an der Wand studierten, was die diversen gekühlten Stahlschalen so hergaben.
Trotz der vielen Leute vor uns ging es schnell. Das Rezept für das Speed-Icing könnte in der mangelnden Dekoration der Eisbecher gesehen werden. So kommt das Eis schneller zum schmachtenden Genießer. Denn statt Glas, Tüdelüt und Gebimmel-Deko gibt es das Eis hier schlicht im Plastik-Schälchen mit Plastik-Löffel. Alles wird - nach dem Essen, versteht sich - in Eimern gesammelt. Ob es wiederverwertet wird, weiß ich allerdings nicht.
Wie läuft so eine Bestellung ab? Na, so: Man stellt sich an und hofft, dass die Vorderleute ausreichend lange brauchen, bis die eigene Entscheidung gefallen ist und man sie einer der drei Thekenkräften mitteilen kann. Die Wahl - nicht der Thekenkräfte! - ist nicht einfach bei rund 30 Eissorten und diversen Schlemmer-, Kirsch- oder [hier phantasievolle Namen einsetzen]-Eissorten, alle nach eigener Zusicherung selbstgemacht und nicht nur aufgetaut.
Sorten wie Zimt-Pflaume muss man einfach mal probiert haben, und keine schlechte Idee ist es, sich einfach das zu bestellen, was nur noch einen geringen Pegelstand in der Kühlschale hat. Doch selbst das schlichte Schokoladeneis - laut Wikipedia auf Platz 2 der beliebtesten Eis-Geschmacksrichtungen - kann noch überraschen, denn dort ist sogar ziemlich viel SCHOKOLADE drin.
Die Damen hinterm Tresen sind keineswegs so eisig wie ihr Geschäft, und selbst um 18 Uhr sind sie noch mit vollem Elan dabei. Es ist Eiszeit im besten Sinne. Wer als Eisdieler jetzt kein Geld verdient, ist wohl so geschäftstüchtig wie ein Sonnenstuhlverkäufer, den es zum Nordpol zog.
Nach gefühlten Sekunden hat man jedenfalls sein Eis in der Hand, es hat keine Chance zu schmelzen. Für Eisexperten: Nein, es sind keine Brucheis-Stücke drin, das Eis ist cremig, hat genau die richtige Konsistenz. Die schlichte Deko stört beim Genuss erwartungsgemäß eher wenig, insbesondere, weil den verzehrbaren Inhalten zum Ausgleich mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Im Früchtebecher finden sich - oh Wunder! - FRÜCHTE, und kein Dosenobst. Meine Sektion hat beispielsweise frische Erdbeeren, eine Stachelbeere, Johannisbeeren und Pfirsichstücke ergeben, nebst größeren Bruchstücken von Pflaumen. Und Sahne, aber das ist ja kein Obst. Aber lecker. Egal, ob man abnehmen muss, all das gehört jetzt in den Bauch.
Das Futtern möchte am liebsten gar nicht mehr aufhören, so lecker ist das Eis. Doch irgendwann mal ist der Becher eben alle, und dann beginnt wieder das Warten darauf, wieder einen Umweg einzuplanen, der - natürlich ganz zufällig - wieder am Kachelöfchen entlangführt. Nur nicht freitags, denn da hat das Öfchen zu, wenn nicht gerade Feiertag ist - und nicht vor elf, denn da schlafen die Eisheiligen noch.
Ach, noch was: Wenn es stimmt, dass man von der Sauberkeit des "Örtchens" auch auf die Hygiene des gesamten Ladens schließen kann, ist beim Kachelöfchen alles in Butter. Das ist auch wichtig, denn bei Eis dürfen keine Pannen passieren.[verkleinern]