Das einfache Denkmal am Westufer der Elbe in Tangermünde (Sachsen-Anhalt / ca. 50 km nordöstlich von Magdeburg) erinnert an eines der letzten Kapitel des 2. Weltkriegs.
1933 wurde eine kombinierte Straßen- und Eisenbahnbrücke am nördlichen Stadtrand von Tangermünde durch den SA-Obergruppenführer Prinz August Wilhelm v. Preußen (1887-1949) eingeweiht. Über die Brücke führte die Reichsstraße 188. Damit gab es neben Magdeburg und Wittenberge eine weitere Brücke über die Elbe.
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Weltkriegs im Frühjahr 1945 trieben die Alliierten die geschlagenen deutschen Truppen und flüchtende Zivilisten Richtung Elbe vor sich her: von Westen ua. die US-Army, von Osten die Rote Armee.
Obwohl die Lage im April 1945 für das Deutsche Reich politisch und militärisch völlig aussichtslos war, sprengte die Wehrmacht am 12.4.1945, unmittelbar bevor die US-Army Tangermünde eroberte, die strategisch zweifellos wichtige Elbebrücke um den weiteren Vormarsch zu verhindern.
In dem von der Roten Armee bedrängten deutschen Brückenkopf auf dem Ostufer der Elbe hatten sich jedoch tausende deutsche Soldaten und Zivilisten versammelt, um über die Elbe vor den sowjetischen Truppen aufs US-amerikanische Westufer zu flüchten. Die letzten halbwegs kampffähigen deutschen Verbände stellten sich verzweifelt der sowjetischen Übermacht entgegen, um den Brückenkopf solange wie möglich zu halten.
Als eine der letzten Aufgaben vor der Gefangennahme durch die US-Army errichtete das Reserve-Panzer-Pionier-Bataillon 208 Rathenow (1943-1945) auf den Trümmern der Elbebrücke hölzerne Notstege. Über diesen Notbehelf konnten in den folgenden fast 3 Wochen unzählige Deutsche mit Duldung der US-Amerikaner auf das Westufer der Elbe flüchten.
Es handelte vor allem um Teile der in der Schlacht um Berlin und der Kesselschlacht von Halbe vernichtend geschlagenen 9. Armee (1940-1945) unter General der Infanterie Theodor Busse (1897-1986) und der beim Entsatz für Berlin gescheiterten und zurückgeschlagenen 12. Armee (Armee Wenck / 1939-1945) unter General der Panzertruppe Walther Wenck (1900-1982) sowie um zehntausende deutsche Zivilisten, teils aus den Ostgebieten, die auf der Flucht vor den sowjetischen Truppen waren.
Die Nazipropaganda von den bolschewistischen Horden und asiatischen Untermenschen zeigte Wirkung. Soldaten und Zivilisten wollten sich lieber den US-Amerikanern ausliefern als unter sowjetische Herrschaft zu geraten. Ganz unberechtigt waren die Ängste und die Panik der Menschen nicht. Es gab furchtbaren Kriegsverbrechen der Roten Armee in den von ihr eroberten Reichsgebieten und die drohende sowjetischen Kriegsgefangenschaft fürchtete wohl jeder deutsche Soldat.
Natürlich haben deutsche Truppen und Einsatzgruppen von SS und SD nicht nur in der UdSSR fürchterliche Verbrechen begangen. Aber eine Untat wiegt die anderen Untaten nicht auf.
Und natürlich haben auch die anderen Alliierten Kriegsverbrechen begangen – was auch unentschuldbar ist. Es gibt wohl keine Armee zu keiner Zeit, die im Krieg keine Kriegsverbrechen begangen hat!
Die Überquerung der Elbe über die gesprengte Tangermünder Brücke verlief planlos. Soldaten, teils Kompanieweise, teils einzeln, teils mit Verwundeten und Schwerstverwundeten, Zivilisten – Männer, Frauen, teils mit Babys und Kinderwagen, Kinder, Jugendliche, Alte -versuchten die Behelfsbrücke von Ost nach West zu überqueren. Es kam zu dramatischen Szenen. Unzählige Menschen stürzten in den Fluss und ertranken.
Deutsche Militärangehörige wurden von den US-Amerikanern sofort gefangen genommen.
Die sowjetische Führung war über das Verhalten der US-Army allerdings empört. Man fürchtete um das „Menschenmaterial“, denn eigentlich hatten die Alliierten vereinbart, dass keine Soldaten aus der Einflusszone der anderen aufgenommen werden. Mehrfach und erfolglos wurden die Amerikaner aufgefordert, die Flucht deutscher Truppen über die Elbe bei Tangermünde zu verhindern.
Kurz vor der deutschen Kapitulation beschoss sowjetische Artillerie am 7.5.1945 den Brückenkopf. Zahllose Menschen wurden getötet oder verwundet. Panisch versuchten Soldaten und Zivilisten die Brücke zu überqueren, wobei wieder viele den Tod fanden.
Erst mit der bedingungslosen deutschen Kapitulation am 8.5.1945 schloss die US-Army die Brücke und verhinderte so die weitere Flucht.
Bis 1950 baute die DDR die Brücke aus Teilen einer demontierten Mittellandkanal-Brücke und Wehrmachts-Pionierbrücken wieder auf. Aus der Reichsstraße 188 wurde die Fernstraße 188 und nach 1990 die Bundesstraße 188.
Erst mit Inbetriebnahme der neuen Ortsumfahrung der B188 mit der neuen Elbebrücke ca. 2 km nördlich der alten Brücke im Jahr 2001 wurde der Verkehr auf der alten Brücke eingestellt.
Die alte Tangermünder Brücke wurde abgerissen und nach fast 60 Jahren landete die alte Pionierbrücke als wohl eines der letzten aktiven Wehrmachtsrelikte im Altmetall.
Auf dem Ostufer erinnert nichts mehr an die alte Elbebrücke. Auf der Westseite in Tangermünde sind noch die mächtigen Betonfundamente, teils überbaut, erhalten. Der alte Straßenverlauf wurde zurückgebaut und teilweise in einen kleinen Park verwandelt.
Es sollten allerdings 50 Jahre vergehen, bis man an die Ereignisse von 1945 mit einem Denkmal erinnern konnte. In der DDR war es undenkbar, das man die Erinnerung daran wachgehalten hätte, dass sich zehntausende, andere Quellen sprechen von hunderttausenden Menschen dem Zugriff der sowjetischen Freunde und Befreier und dem sozialistischen Paradies durch Flucht entzogen hatten.
Erst zum 50. Jahrestags der deutschen Kapitulation weihte die Stadt Tangermünde auf den Fundamenten der alten Brücke das schlichte Denkmal aus einem Betonquader ein.
Es trägt auf der Vorderseite die Inschrift:
„An dieser Stelle endete am 7. un d 8. Mai 1945 für die Soldaten der 12. Armee und für hunderttausende ziviler Flüchtlinge mit dem Übergang über die Trümmer der am 12. April zerstörten Elbbrücke der furchtbare Alptraum des 2. Weltkriegs. Wir gedenkender Opfer von Krieg und Gewalt. Die Stadt Tangermünde am 7. Mai 1995“
Auf der Rückseite ist ein Zitat von Goethe zu lesen:
„Manches Herrliche der Welt ist in Krieg und Streit zerronnen. Wer beschützt und erhält hat das schönste Los gewonnen.“
Fazit: Schlichtes Denkmal an eine furchtbare Episode des 2. Weltkriegs.
Schlecht zu finden und von mir nur durch Zufall entdeckt.[verkleinern]