Der Aufstieg zum Schloß Hohentübingen ist mühselig, egal von welcher Seite der Altstadt man ihn in Angriff nimmt. Steht man dann vor den Mauern auf dem 372 m hohen Schloßberg, fragt man sich: Schloß?? Sieht doch eher wie eine Burg oder eine Festung aus. Und in der Tat kann Hohentübingen seine Festungsvergangenheit nicht verleugnen.
Die Geschichte der Burg reicht bis ins Mittelalter zurück. Historiker datieren den Bau der Burg um das Jahr 1037. Eine erste urkundliche Erwähnung erfolgte 1078... weiterlesen
wegen einer vergeblichen Belagerung der Burg durch Truppen des deutschen Königs Heinrich IV.. Auch in den nachfolgenden Jahren wurde die Burg wiederholt in Zusammenhang mit kriegerischen Ereignissen genannt. Herren auf Hohentübingen waren die Grafen und späteren Pfalzgrafen v. Tübingen. Die später in die Schloßanlage integrierte Johanneskapelle von 1088 gilt als älteste Kirche Tübingens.
So richtig scheint das Finanzgebaren der Tübinger Grafen nicht von Erfolg gekrönt gewesen zu sein. Bereits 1301 mußten sie Burg und Stadt ans benachbarte Kloster Bebenhausen verpfänden, bevor Pfalzgraf Götz 1342 alles an die Grafen v. Württemberg verkaufen mußte. Die Württemberger nutzten Hohentübingen neben Stuttgart und Urach als Residenz.
Der 1495 zum Herzog v. Württemberg erhobene Graf Eberhard V. im Barte bewohnte die Burg und starb 1496 auf Hohentübingen. Er wurde später in der Herzogsgruft in der Stiftskirche St. Georg unterhalb der Burg beigesetzt. Herzog Ulrich begann um 1500 mit dem Umbau der Burg zur Renaissance-Festung. Hohentübingen erhielt den Status einer Landesfestung. 1519 eroberten die Österreicher die Festung und bauten sie weiter aus. 1534 konnte Herzog Ulrich Hohentübingen zurück erobern. Ein weiterer Ausbau der Befestigungen erfolgte ua. unter Herzog Friedrich I. etwa um 1600. Die alte Burg wurde im Zuge der Ausbauarbeiten vollständig abgerissen. Zur Bevorratung der Burg wurde in den Kellergewölben unter dem heutigen Schloßhof eines der weltgrößten Fässer (840.000 Liter) eingebaut, das aber nicht zu besichtigen ist, da sich in den Gewölben Fledermäuse häuslich eingerichtet haben.
Nach der verlorenen Schlacht bei Nördlingen im 30jährigen Krieg am 6.9.1634 wurde Hohentübingen kampflos an den kaiserlichen Feldherren Herzog Karl IV. v. Lothringen übergeben. Hohentübingen erhielt eine kurbayerische Besatzung, die 1647 von den Franzosen belagert wurde. Nach der Sprengung des Südost-Turms durch die Franzosen wurde die Festung von den Bayern übergeben. Nach dem Krieg wurden entstandene Schäden repariert. Der gesprengte Turm wurde aber nicht wieder aufgebaut. Die Herzöge gestalteten die Festung nun mehr zur Schloß-Festung um.
Durch die sich entwickelnde Militärtechnik verlor die Festung im 18. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung und auch als herzoglicher Wohnsitz war Hohentübingen nicht mehr repräsentativ genug. Bereits ab 1750 wurden Teile des Schlosses der Universität Tübingen zur Nutzung übergeben. 1752 richtete man im Nordost-Turm ein astronomisches Observatorium mit Sternwarte ein, das bis 1955 bestand.
1816 schließlich überließ Wilhelm I., von Napoleon zum König v. Württemberg erhoben, die gesamte Schloßanlage der Universität Tübingen, die hier zahlreiche Laboratorien sowie die Universitätsbibliothek unterbrachte. Am Schloßbau wurden Umbauten für den Unibetrieb vorgenommen. 1817 legte der Astronom und Mathematiker Johann Gottlieb v. Bohnenberger den Nordostturm des Schlosses als den kartographischen Nullpunkt des Königreichs Württembergs fest.
Im chemischen Labor arbeiteten ua. Felix Hoppe-Seyler, der Begründer der Biochemie und Entdecker des Hämoglobins. Friedrich Miescher isolierte hier 1869 erstmals die menschliche Erbsubstanz. 1912 mußte die Bibliothek aus Platzgründen das Schloß wieder verlassen. Das Ende des 2. Weltkriegs unterbrach kurz den Universitätsbetrieb. Schloß Hohentübingen wurde von der französischen Besatzungsmacht für kurze Zeit als Kaserne und Gefängnis genutzt.
Von 1956 bis heute fanden und finden zahlreiche Sanierungs-, Restaurierungs- und Umbauarbeiten am Schloß statt. So wurde dem Schloßhof sein ursprüngliches Aussehen mit den umlaufenden Fachwerk-Galerien wieder gegeben. Ab 1985 wurden zahlreiche Institute der Altertumsforschung im Schloß untergebracht. Seit 1997 sind die beeindruckenden und bedeutenden Altertumssammlungen der Universität für die Öffentlichkeit zugänglich. (siehe Golocal „Museum Schloss Hohentübingen“)
Hauptzugang ist damals wie heute das prachtvolle Renaissance-Tor in den Festungswällen, zu erreichen über die Burgsteige von der Altstadt aus. Das auch „Unteres Tor“ genannte Tor in Form eines römisches Triumphbogens stammt aus dem Jahr 1606. Von den hinter dem Tor liegenden Bastionen und Festungswällen hat man einen herrlichen Blick auf Tübingen, das Ammer- und das Neckartal.
In den Schloßhof und das eigentliche Schloß gelangt man durch das erst 1892 fertiggestellte Schloßportal, auch „Oberes Tor“ genannt. Der Schloßhof ist mit Ausnahme weiterer Portale recht schmucklos und gleicht mehr einem Kasernenhof. Bei den Restaurierungsarbeiten hat man auch die ursprüngliche Farbgebung wiederhergestellt. Auch der Schloßbrunnen ist eher unauffällig. Hinter dem Brunnen führen 2 Tunnelgänge aus Schloß und Befestigungsanlagen heraus aufs „Schänzle“ mit dem dortigen Teil des Schloßgrabens, dem sogenannten „Hasengraben“. Hier hat man auch einen guten Blick auf die mächtigen Festungsanlagen.
Nach dem Abstieg vom Schloßberg gelangt man von hier über die Schloßbergstraße wieder in die Altstadt.
Fazit: Sehenswert, die Aussicht auf Stadt und Land sogar sehr sehenswert. Das Schloß kann man kostenlos besichtigen. Das Museum ist kostenpflichtig, die Institute sind nicht zugänglich. Eine behindertengerechte Toilette befindet sich im Schloß.[verkleinern]