Der Rest der Eisenbahnhubbrücke befindet im Peenestrom vor dem Hafen des kleinen Ortes Karnin an der Südküste der Insel Usedom (12 km östlich von Anklam / 25 km südwestlich von Zinnowitz). Es ist der die einzige Sehenswürdigkeit des Dorfes.
Parken kann man auf dem kleinen Parkplatz am Hafen. Übersehen kann man die Brücke nicht. Von der kleinen Uferpromenade hat man einen guten Blick auf die Brücke. Begehbar ist die Brücke nicht.
Der Brückenteil ist der Rest eines großen... weiterlesen Eisenbahnverkehrsprojekts. Bis 1945 war sie Teil der Bahnstrecke vom Festland auf die Insel Usedom, die von Ducherow nach Heringsdorf, Swinemünde (heute Swinoujscie / Polen) und Wolgast Fähre führte.
Bereits 1875 wurde hier eine eingleisige Eisenbahnbrücke mit handbetriebenem Drehteil in Betrieb genommen. Der Drehbrückenteil war notwendig, um die Fahrrinne des Peenestrom für Schiffe passierbar zuhalten.
Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Ostseebäder auf Usedom ua. bei den Berlinern so gegehrt, dass die eingleisige Strecke zur „Badewanne Berlins“ nicht mehr ausreichte. 1908 wurde sie zweigleisig ausgebaut.
Anfang der 1930er Jahre reichte die alte Brücke nicht mehr für das erhöhte Verkehrsaufkommen. Es wurde eine völlig neue, 360m lange Brücke gebaut, die zu den modernsten Eisenbahnbrücken Europas zählte.
Züge konnten die Brücke mit 100 kmh passieren.
Die Fahrrinne des Peenestroms wurde mit dem heute noch stehenden 52m langen und 35m hohen Mittelteil überbaut. Dabei handelt es sich um eine Hubbrücke, die nach dem gleichen Prinzip arbeitet wie das alte Schiffshebewerk Niederfinow in Brandenburg.
Um Schiffen die Passage zu ermöglichen, wurde ein 47m langes Brückenteil 28m in die Höhe gehoben. Der Antrieb des Hubteils erfolgte mit Elektromotoren.
Wachsende Bedeutung erfuhren Bahnstrecke und Brücke neben dem Personenverkehr zu den Ostseebädern und dem Güterverkehr zum Hafen Swinemünde ab 1936 wegen der Einrichtung der Heeresversuchsanstalt Peenemünde.
Das Ende für die Brücke kam 1945. Vor der heranrückenden Roten Armee sprengten Wehrmacht und SS am 29.4.1945 die Brücke. Lediglich der Hubteil blieb stehen. Um Schiffen der Kriegsmarine weiterhin die Passage des Peenestroms zu ermöglichen, hatten die Sprengkommandos das Hubteil hochgezogen und den Brückemmittelteil von der Sprengung ausgenommen.
Nach dem Krieg wurden die Brückenbauten auf den Festlandsseiten demontiert. Die Träger der Bogenbrücken neben dem Mittelteil wurden geborgen und ua. beim Wiederaufbau der Ostbahnbrücken über die Oder zwischen Küstrin-Kietz und Kostrzyn nad Odra (Küstrin / Polen) verwendet.
Die Eisenbahnstrecken auf dem vorpommerschen Festland von Ducherow nach Kamps und auf der Insel von Karnin nach Heringsdorf wurden stillgelegt und demontiert. Übrig blieb zu DDR-Zeiten die Inselbahn zwischen Wolgast-Fähre und Heringsdorf.
Die Fahrzeit von Berlin verlängerte sich von 2,5 Stunden (1934) auf über 4 Stunden. Erst 2000 erhielt Usedom durch den Bau der Eisenbahnbrücke Wolgast über die Peene wieder direkten Anschluss ans Bahnnetz.
Ein Wiederaufbau der Bahnstrecke inclusive Karniner Brücke wurde immer wieder angedacht, hatte in der DDR aber keine Priorität, da die Bahnverbindung ins nun polnische Swinoujscie keine wirtschaftliche Bedeutung hatte.
Daran änderte sich auch nach der Wiedervereinigung nichts. Die Bundesregierung erkennt zwar eine Relevanz für den Personenverkehr, hält das Projekt aber für unwirtschaftlich, da der Güterverkehr von/nach Swinoujscie über die polnische Insel Wollin abgewickelt wird.
1990 sollte der Mittelteil sogar abgerissen werden. In allerletzter Minute, die Abrissfirma war schon auf dem Weg, konnte der Abriss von engagierten Usedomern verhindert werden. Grund war zunächst der Naturschutz. Eine große Brutkolonie Turmfalken verhinderte den Abriss. Ein danach gegründeter Verein setzte sich dann erfolgreich für den Erhalt des Brückenteils als technisches Denkmal ein.
Was bleibt heute für Besucher?
Es gibt 2 schöne Ausblicke auf den Brückenrest: einmal vom Ort Kamp auf der Festlandseite aus und dann (dichter dran) vom Hafen Karnin aus.
Das Brückenteil ist auch weiterhin von verschiedenen Vögeln gut besiedelt, wie die beeindruckende Geräuschkulisse verrät.
Dem Besucher zeigt sich die Brücke wie in einer Zeitkapsel von 1945: mit vom Sprengkommando hochgezogenen und verkeilten Hubteil.
An der Uferpromenade kündet der metallene Rest einer Plattform für eine 2cm- oder 3,7cm-Flak der Brückenwache ebenfalls vom Krieg.
Erhalten ist auch der Bahndamm mit einigen Metern überwachsener Gleise. Der Bahnhof Karnin, wenige 100m von der Brücke entfernt, wurde 1997 vom „Verein Usedomer Eisenbahnfreunde“ restauriert und bis 2005 als Vereinssitz und als Ausstellungsraum genutzt. Heute wird das Bahnhofsgebäude privat für Wohnzwecke genutzt und ist nicht mehr zugänglich.
Wer aufmerksam ist, findet auf Usedom noch den alten Streckenverlauf, zu dem ua. der Bahnhof Usedom (Stadt), der Bahndamm und zahlreiche Brückenbauwerke gehören.
Fazit: Interessantes und beeindruckendes technisches Denkmal. Infotafeln befinden sich vor Ort.[verkleinern]