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Was sich heute als idyllischer Mischwald präsentiert, war vor über 70 Jahren einer der Höllenorte der Nazis in einem von ihnen zur Vorhölle gemachten Deutschen Reich und Europa.
Im Belower Wald (ca. 10 km nördlich von Wittstock an der Dosse / ca. 90 km nordwestlich von Berlin) errichtete die SS für wenige Tage im April 1945 ein provisorisches Gefangenenlager für KZ-Häftlinge.
Nachdem die Rote Armee Ende Januar 1945 die Oder überwunden hatte und weiter westwärts vordrang, begann die SS die... weiterlesen Konzentrationslager in den bedrohten Gebieten zu räumen. Dazu gehörten die KZ Sachsenhausen bei Berlin und Ravensbrück bei Fürstenberg.
Häftlinge, die dazu noch in der Lage waren, wurden in Kolonnen auf sogenannten „Todesmärsche“ geschickt. Wer zu krank und/oder zu schwach war, wurde einfach in den Lagern zurückgelassen bzw. ermordet.
Die Häftlingskolonnen wurden, bewacht und angetrieben von der SS, über die Straßen und durch Ortschaften Richtung Nordwesten getrieben. Wer nicht mehr weiter konnte, wurde umgebracht.
An die Routen der Todesmärsche erinnern noch heute von der DDR aufgestellte kleine Denkmale.
Am 23.4.1945 richtete die SS das Lager im Belower Wald ein, wobei es „einrichten“ nicht wirklich trifft. Man umgab einfach Waldstücke mit Stacheldraht und ließ die Häftlinge dort unter freiem Himmel lagern. Es gab weder Versorgung noch sanitäre Anlagen noch medizinische Betreuung.
Um wenigstens etwas Schutz zu haben errichteten die Häftlinge Schutzdächer aus Ästen und Zweigen oder gruben sich Erdlöcher.
Um nicht zu verhungern, aßen die Häftlinge Gräser, Wurzel sowie Baumrinde von Kiefern, denn Blätter gab es im April noch nicht.
Zwar konnte das Internationale Rote Kreuz nach Verhandlungen mit der SS ein Notlazarett in Grabow einrichten und Essenrationen an die Häftlinge verteilen. Zur Rettung der völlig entkräfteten Häftlinge reichte das jedoch nicht.
Hunderte Häftlinge kamen ums Leben und wurden in Massengräbern verscharrt. Bisher wurden erst 132 Tote entdeckt und auf dem Dorffriedhof von Grabow (heute Grabow-Below) beigesetzt.
Die Wachmannschaften nahmen Quartier in requirierten Bauernhäusern des nahen Below.
18.000 Häftlinge des KZ Sachsenhausen und hunderte Frauen und Kinder aus dem KZ Ravensbrück vegetierten hier bis zum 29.4.1945, bevor sie in Richtung Schwerin weiter getrieben wurden.
Die Gedenkstätte:
Man erreicht sie z.B. aus Richtung Wittstock über die brandenburgische Landstraße L153 und nimmt etwa 1,5 km nördlich von Alt Daber den ausgeschilderten Weg über eine alte Kopfsteinlandstraße mit Sommerweg.
Wer‘s etwas komfortabler will, fährt die L153 weiter bis zur Landesgrenze zu Mecklenburg-Vorpommern, wo die Straße zur MeckPom-Landstraße L24 wird und folgt auch hier der Ausschilderung.
Die Gedenkstätte selbst liegt sowohl in Mecklenburg-Vorpommern als auch in Brandenburg – die Ländergrenze geht mitten durchs Gelände. Das Informationszentrum sowie der Hauptteil des Areals liegen aber in Brandenburg und die Gedenkstätte ist eine Außenstelle der Gedenkstätte Sachenhausen.
Die Gedenkstätte Belower Wald untergliedert sich in 4 Teile:
- Das 1975 von der DDR errichtete Denkmal
- Die Projektwerkstatt mit Informationszentrum
- Die Freiluftdokumentation
- Der Belower Wald
Das DDR-Denkmal trägt ein großes rotes Dreieck, auch „Roter Winkel“ genannt. In der DDR war das KZ-Kennzeichen der SS für politische Häftlinge allgemeines Symbol für die Opfer des Faschismus.
Außerdem trägt das Denkmal die Inschrift:
„In diesem Wald lagerten im April 1945 tausende Häftlinge der KZ Sachsenhausen und Ravensbrück. Hunderte wurden hier von den Faschisten ermordert.
Menschen seid wachsam“
Das Gebäude gegenüber vom Denkmal beherbergt seit der Neukonzeptionierung der Gedenkstätte 2010 die Projektwerkstatt und die Information. Ursprünglich stand hier das von der SS genutzte und später abgerissne Hirtenhaus. Das 1981 an gleicher Stelle erbaute Museum wurde 2002 durch einen rechtsextremen Brandanschlag weitgehend zerstört.
Vor dem Gebäude befindet sich ein Gedenkstein der Fédération Internationale des Résistants (FIR / Internationale Föderation der Widerstandskämpfer) mit ähnlicher Inschrift wie auf dem Denkmal.
Die Freiluftdokumentation (in Mecklenburg-Vorpommern) zeigt auf großen verglasten Stelen die Geschichte des Lagers, der Opfer, der Täter und der Helfer. Außerdem wird ausführlich auf die Todesmärsche der Häftlinge aus Sachsenhausen und Ravensbrück eingegangen. In einer Vitrine sind Funde aus dem Besitz der Häftlinge ausgestellt, die man bei Grabungsarbeiten gefunden hat.
Über eine Metallbrücke geht es über die Landesgrenze nach Brandenburg in den Belower Wald.
Im Wald erinnert eigentlich nichts an das Grauen, das hier 1945 herrschte. Einige Infostelen und dutzende rote Dreiecke im Waldboden wecken aber das Interesse.
Auch wenn die meisten überlebenden Opfer und Täter aus Altersgründen nicht mehr am Leben sind, es gibt noch lebende Zeugen:
Die Bäume!
Mit den roten Dreiecken hat man ab den 1960er Jahren einige der Bäume markiert, die Spuren des Lagers tragen.
Es handelt sich um Einschnürungen von Stacheldraht, mit dem die SS das Lager umzäunte. Die Mühe, Pfähle zu setzen, machte man sich nicht. Man nahm das, was da war – die Bäume.
Andere Bäume tragen Einritzungen. Häftlinge verewigten in den Baumrinden ihre Initialen, Häftlings-, KZ-Block- oder Marschkolonnennummern sowie Symbole.
Besonders berührend ist der Baum, in den ein Häftling dicht über dem Boden ein kleines Landschaftsbild geritzt hat.
Diese Baumzeichen wurden z.T. mit Gips abgenommen und in der Gedenkstätte Sachsenhausen archiviert.
Bei einigen Kiefern fallen großflächige Schäden der Baumrinde auf. Bis auf das Holz schälten Häftlinge große Rindenstücke von den Bäumen, um sie zu essen.
Aber auch Bäume leben nicht ewig und irgendwann werden diese einzigartigen Spuren menschlichen Leidens verschwunden sein …
Weiterhin findet man Vertiefungen im Waldboden, die auf Erdlöcher hindeuten, die die Gefangenen sich hier in ihrer Not gruben.
Als Arbeit der Projektwerkstatt wurde im Wald auch einer der provisorischen Unterstände aus Ästen rekonstruiert.
Fazit: Heute ein sehr ruhiger, sehr nachdenklich stimmender Ort mit furchtbarer Vergangenheit.
Dem Satz „Menschen seid wachsam“ vom Denkmal ist nichts hinzu zufügen.[verkleinern]
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