Briesen (Mark) und sein Bahnhof (Land Brandenburg / ca. 40 km östlich von Berlin / Landkreis Oder-Spree) liegt an der Bahnstrecke Berlin – Frankfurt/O – Polen.
Seit fast 180 Jahren verbindet die Eisenbahn den kleinen Ort mit der großen weiten Welt.
Zu Beginn des Eisenbahnzeitalters gründeten sich in den deutschen Staaten ein Vielzahl von Eisenbahngesellschaften. Eine war die preußische „Berlin-Frankfurter-Eisenbahn-Gesellschaft“, die 1840 Konzession für den Bau einer Eisenbahnstrecke von... weiterlesen
Berlin in die damals noch mitten in Preußen liegende Stadt Frankfurt/Oder erhielt.
Baubeginn war Mitte 1841. Bereits am 22.10.1842 konnte die 10 ¼ preußische Meilen (ca. 77,2 km, denn 1 preußische Meile entspricht 7,532 km) lange Strecke eingeweiht werden.
Von Berlin nach Briesen brauchten die Dampfzüge über 2 Stunden (heute ca. 45 Minuten), von Briesen nach Frankfurt/O ca. 40 Minuten (heute ca. 20 Minuten).
Die Fahrpreise waren damals gestaffelt nach I. Klasse, II. Klasse und Stehplatz:
Berlin – Briesen: 52,5 – 32,5 – 20 Silbergroschen (heute ab ca. 9 €uro)
Briesen – Frankfurt/O: 17,5 – 12,5 – 5 Silbergroschen (heute ab ca. 4,60 €uro).
Da das Eisenbahnnetz in Preußen nicht nur zivilen sondern auch militärischen Zwecken diente, befuhren neben Personen- und Güterzügen auch Militärsonderzüge die Strecke.
Von 1888 bis 1918 wurde der Bahnhof Briesen auch vom Kaiserlichen Hofzug angefahren, denn Wilhelm II. (1859-1941 / von 1888-1918 (abgedankt) König v. Preußen und Deutscher Kaiser) pflegte in den Wäldern um Briesen und Alt Madlitz gerne und oft seiner Jagdleidenschaft zu frönen.
Außerdem war Briesen Entlade- und Verladebahnhof für zahllose Militärzüge. Das preußische bzw. später das kaiserlich-deutsche Militär führte in der Gegend oft Großmanöver durch.
Neben dem Personenverkehr war der Bahnhof Briesen ein wichtiger Umschlagplatz für die in Briesen und Umgebung ansässigen Unternehmen.
Um die Steigung bei Rosengarten vor Frankfurt/O bewältigen zu können, musste in Briesen eine Schiebelok an die Züge angespannt werden. Für diese Loks wurde im Bahnhof Briesen eine Drehscheibe (1968 demontiert), ein Lokschuppen und eine Wasserstation gebaut.
Bis Einführung der Mitteleuropäischen Zeit im Jahr 1893 galten in Deutschland (und somit auch in Preußen) unterschiedliche Zeitzonen und Ortszeiten. Für Lokführer und Zugbegleiter war es eine fast wissenschaftliche Arbeit, die Züge pünktlich in den verschiedenen Orten abfahren bzw. ankommen zulassen. Der Zeitunterschied zwischen Berlin und Briesen betrug z.B. 6 Minuten. Die Zuguhren mussten ständig reguliert werden.
Zum 1.1.1845 ging die „Berlin-Frankfurter Eisenbahn-Gesellschaft“ in der „Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn“ auf. Diese wurde 1852 Teil der Preußischen Staatsbahnen, die 1920 wiederum in die Deutsche Reichsbahn übernommen wurde. Von 1949 bis 1993 wurde die Strecke und somit der Bahnhof Briesen von der Deutschen Reichsbahn der DDR betrieben. Seit dem 1.1.1994 gehört der Bahnhof zur Deutschen Bahn.
Am 1.11.1918 ereignete sich im Bahn Briesen ein schweres Eisenbahnunglück, als durch technisches und menschliches Versagen ein Militärsonderzug mit Fronturlaubern auf den auf der Strecke liegengebliebenen Teil eines Güterzuges auffuhr. Mindestens 19 Menschen starben und mindesten 45 wurden z.T. schwer verletzt. An diese Katastrophe erinnert heute nichts.
Lag der Bahnhof ursprünglich am Nordrand des Ortes, so ist dieser im Laufe der Zeit „über sich hinaus gewachsen“. Von Anfang an gab es einen beschrankten Bahnübergang westlich neben dem Bahnhof, der die Bahnhofstraße/Frankfurter Straße absicherte. Anfangs versah hier ein Schrankenwärter seinen Dienst, heute funktioniert alles automatisch.
Auch kleinere Bahnhöfe hatten zu Zeiten der preußischen Eisenbahn immer was repräsentatives. So auch der Bahnhof Briesen.
1845 wurde das 2-stöckige Hauptgebäude mit angebautem einstöckigem Anbau (Güterschuppen) aus gelben Backstein sowie weitere Bahngebäude errichtet.
Im Haupthaus war ua. die Wohnung des Bahnhofvorstehers, der Warte- und Kassenbereich für die Passagiere sowie die Bahnhofsgaststätte untergebracht. Für die Bahnhofsgaststätten auf der Strecke hatte die Berlin-Frankfurter-Eisenbahn-Gesellschaft bereits 1842 per Zeitungsannonce Pächter gesucht.
1893 erweiterte der damalige Pächter die Briesener Bahnhofsgaststätte um einen großen Biergarten, in dem auch Konzerte stattfanden.
Noch 1940 erhielten die Bahnsteige eine heute wieder abgebaute Überdachung.
Lang ist es her. Längst hat die Bahn den Güterbereich des Bahnhofs Briesen aufgegeben und die entsprechenden Anlagen abgerissen.
Da nach 1990 der Zugverkehr automatisiert und der Güterbereich in Briesen stillgelegt wurde, war hier auch kein Stellwerk mehr nötig. Heute werden Weichen, Signale, Ansagen und Schranken zentral von Berlin aus gesteuert.
Geblieben ist das eindrucksvolle Bahnhofsgebäude, das auch nicht mehr als solches genutzt wird. Heute befinden sich Wohnungen im Haus. Nur das ehemalige Bahnhofsrestaurant wird gastronomisch als „Gasthaus Kaiser-Stuben“ weiter genutzt.
Der einstige Passagierzugang zum Bahnhofsgebäude ist zugemauert.
Der Bahnhof ist heute eigentlich nur noch ein Haltepunkt ohne Bahnpersonal am Bahnkilomter 62,3 der zweigleisigen Strecke mit einem nördlichen (Richtung Berlin) und einem südlichen Bahnsteig (Richtung Frankfurt/O), der vom Regionalexpress RE1 der Deutschen Bahn im 30-Minutentakt bedient wird.
Service gibt es keinen mehr. Ich habe nicht mal einen Fahrkartenautomaten gesehen, habe allerdings auch nicht nach gesucht. Tickets muss man also online oder im Zug kaufen.
Die schmalen Bahnsteige laden auch nicht zum verweilen ein. Nur ein kleiner überdachter Wartebereich bietet mickrigen Schutz vor Regen und Schnee.
Zugeständnis an die neue automobile Zeit ist ein größerer P&R-Parkplatz nordwestlich von Bahnhof und Bahnübergang auf dem Gelände des einstigen Briesener Güterbahnhofs.
Hier befindet sich auch die Haltestelle für die regionale Buslinie.
Fazit: auch wenns nur noch ein ungemütlicher Haltepunkt ist – der Bahnhof Briesen ist durch den 30-Minuten-Takt eine wirkliche Alternative zum Auto für Fahrten nach Berlin bzw. Frankfurt/O.[verkleinern]