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Neueste Bewertungen für Grünenbach

  1. Userbewertung: 5 von 5 Sternen

    Zu den Fragen nach Service, Freundlichkeit und Atmosphäre gibt es für diese location nur folgende Antworten: Service = Null, laufen muß man schon selber; die Freundlichkeit ist die der ungebändigten Natur und die Atmosphäre ist schlicht und einfach WILD und eiszeitlich.
    Ich kenne das Eistobel nunmehr schon seit fast 55 Jahren, als die 4. Klasse der Grundschule, damals Volksschule, in Lindau-Bad Schachen sich zwecks alljährlichem Wandertag für damalige Vermögensverhältnisse gewaltig nach der Decke streckte, sich in den Zug setzte, und knapp 40 km nach Röthenbach im Allgäu dampfte. Dieses nicht nostalgisch, 1959 fuhr die DB von Lindau nach München noch kohlequalmend und wegen der Bergstrecke ins Allgäu weithin hör- und sichtbar puffend unwirtschaftlich aber romantisch mit Dampf. Von dort aus schlappten wir brav in Zweierreihen über Grünenbach zum Eingang des Eistobel, das wir zuvor zumindest theoretisch im Heimatkundeunterricht kennenlernen mußten.
    Wen es interessiert, die im Impressum vermerkte URL gibt etwa den Stoff wieder, den uns der Rektor = Klassenlehrer damals eintrichterte. Dort kann man sich auch auf dem Blatt ‚Anfahrt in etwa die zu Fuß zurückzulegende Entfernung reinziehen und dabei versuchen, sich in einen zehnjährigen Dreikäsehoch in Lederhosen und Holzfällerhemd zu versetzen, der in glühender Sommerhitze eine damals noch ländliche Schotterstraße staubend entlangtigert. Aber die Mädels mit ihren knielangen Sommerkleidern waren da noch schlimmer dran und es gab auch Krokodilstränen. Der sehnige Rektor hatte zeitweise tatsächlich rechts und links je ein Mädchen auf der Schulter. Angekommen gab's erstmal ein ganz langes Päuschen, während der Rektor an der Kasse um den Eintritt für seine Tüte mit 33 Flöhen feilschte. Wir Jungs bewunderten die noch alte Eistobelbrücke, laut Heimatkundeunterricht mit 60 Metern über Grund damals die höchste und längste freitragende Gitterbrücke Europas. Natürlich hab ich damals hinuntergespuckt, da ich mir unter vertikalen 60 m nichts vorstellen konnte, ich wollte halt wissen, wie lange der Freiflug dauert. Ich weiß nur noch, daß der schneeweiße Schaumfleck vor den dunkelgrünen Tannen recht lange zu sehen war, bevor er auf einem Waldweg dort unten einschlug.
    Kleines Zwischenspiel: 1987 gab es für mich persönlich als passioniertem Nostalgiker einen kleinen moralischen Sieg: Die Brücke sollte gesprengt werden. Selbst Inhaber einer behördlichen Erlaubnis, mit Sprengstoff zu hantieren (als Vorderladerschütze brauche ich sowas), bettelte ich einem der beteiligten und mit mir langjährig befreundeten pensionierten Sprengmeister die Genehmigung ab, am Ort des Geschehens unmittelbar anwesend sein zu dürfen, ich wollte der ‚Beerdigung‘ dieses technischen Meisterwerks, das dem modernen Verkehr halt nicht mehr genügte und einer nüchternen Betonbrücke weichen mußte, beiwohnen. Der alte Mann, selbst ortsansässiger Ökonom und im Nebenberuf halt Kreissprengmeister gewesen, hatte Verständnis und nahm mich mit. Es donnerte gewaltig und als der Qualm sich verzogen hatte, stand die Brücke nur leicht beschädigt nach wie vor auf ihren Pendelstützen, lediglich das obere Lager war abgeschlagen worden. Mein Herz jubelte, was für eine geniale Konstruktion der MAN, widersteht sogar einem gezielten Sprengschlag. Aber der Brücke nützte mein Beifall leider gar nichts. Der frustrierte Kreisprengmeister ließ einen riesigen Schneidbrenner kommen und die beiden Gasflaschen den Steilhang hinunter zum Pendelstützenlager abseilen, dann machte er sich persönlich unter Lebens- und Waldbrandgefahr daran, diese mit dem einschlägigen Feuerwerk zu durchtrennen. Als die Brücke sich dann unter entsprechendem Getöse an den Maierhöfer Gegenhang gelegt hatte, wo sie später unter Einsatz hydraulischer Hebewerke hochgehievt und meterweise abgewrackt wurde, blutete mein Herz und das des alten Breyer sichtlich auch. Jedenfalls ich hoffte, dass der Kreissprengmeister dabei wenigstens ein paar kräftige Riß- und Schnittwunden abgekriegt hätte, aber als er wieder zu uns hochgeklettert kam war außer ein paar Brandblasen an den Pfoten und einer Stinklaune nichts weiter. Zurück zum Schulausflug:
    Nach der Pause ging es hinunter in die Schlucht, da vermischt sich jetzt meine uralte Erinnerung mit jüngeren Erlebnissen dort, weil das Eistobel eine der ersten Sehenswürdigkeiten meiner Heimat war, die ich meiner aus der Oberlausitz stammenden Gattin präsentieren mußte um gegen ‚ihre‘ Sächsische Schweiz, die auch wunderschön und wildromantisch ist, anstinken zu können. Dies gelang mir auch, derzeit besuchen wir diese Naturschönheit mindestens alle 2 Jahre im November, wenn nämlich zu aller wilden Attraktion noch die Herbstfarben dazukommen. Es gibt keine Kleiderordnung wie in den Bergen, wo jeder, der nicht in Knickerbockern, Holzfällerhemd und kiloschweren Profilsohlenschuhen aufzutauchen wagt, sofort von den Puristen angemacht wird. Es darf ruhig verächtlich gelacht werden, selbst schon erlebt: Jeans, T-Shirt und Sportschuhe waren für diese Seilschaften keine angemessene Kleidung am Seil des Vaters im Fels und wurde streng gemaßregelt. Die Damen können sogar im Rock gehen solange er nicht bodenlang ist, aber beim Schuhwerk gibt es eine dringende Empfehlung: Keine Highheels!!! Es sei denn, man möchte am Ende der Wanderung ohne 'High' wieder ankommen. Natürlich sind solide Wanderschuhe mit rutschfesten Sohlen (die permanent vom Wasserstaub befeuchteten Bohlen der Stege sind schlecht gestreut) das Allerbeste, aber wer hat sowas schon. Genaugenommen tun's Straßenschuhe in Tateinheit mit Grundkennnissen von Eis- und Skilauf auch. Hinfallen wäre u.U. fatal, denn das Schutzgeländer beginnt erst in 50 cm Höhe von unten her. Wenn man da drunter haltlos durchrutscht, geht es danach nur bescheiden geländegebremst abwärts in die Schlucht und am Ende der Rutschpartie mit etwas Pech im freien Fall direkt in einen Strudel der dort natürlich reißenden Oberen Argen. Deren Wasser ist sogar noch an der Mündung in den Bodensee nach 40 km Querfeldein denkbar schlecht geheizt, auch im Hochsommer nur was für Eisbären!!!!
    Wieder zurück zur Erinnerung: Selbst in der Schlucht, die etwas kühler war als die Ebene dort oben, klebte mir bald die Zunge am Gaumen. Plötzlich erblickte ich abseits des Saumpfades eine wunderschöne pralle Kirsche an der Spitze eines langen Stieles aus dem Dickicht 'leuchten', genau das Richtige für Michls ausgetrockneten Mund. Ich kämpfte mich durch das Gestrüpp zu der verlockenden Frucht und streckte gerade die Hand danach aus, da tat es einen Brüller, der 5 Mal nachhallte. Erschrocken drehte ich mich um, der Schreihals war unser Rektor, der mich mit kategorischem Imperativ zu sich befahl. Er zeigte mir eine verkleinerte Ausgabe der heute noch verlegten Bildertafel über die im Alpenbereich zu schützenden Flora und hieß mich, vorzulesen, was unter dem Gemälde dieser von mir beinahe um ihre Frucht beraubten Pflanze stand: 'Schwarze Tollkirsche' (atropia belladonna) und ein Totenkopf. Ups! Daraufhin behielt er mich in seiner Nähe, damit mir nicht noch ähnlich Geistreiches einfiel, meinem Leben ein Ende zu setzen. Zum Beispiel ins Wasser springen und die Argen leertrinken. Was sollten denn dann die Wanderer hinter uns sagen, wenn plötzlich kein Wasser mehr kommt. Glücklicherweise kamen wir wenig später an einen Naturbrunnen, der heute noch dort steht, damals mit Einbaumtrog, heute gemauert. Mein Durst war in die Geschichte eingegangen.
    Auf dem Rückweg überraschte uns im Kontast zur Vormittagshitze ein kräftiges Sommergewitter, das uns alle im Nu bis auf die Haut durchweichte. Am Einstieg zu dem steilen Pfad hinauf zum Kiosk, unserem Ausgangspunkt, schlug der Rektor vor, daß wir, solange es noch regnete, weitergehen sollten um in Bewegung zu bleiben, oben sei ohnehin kein Platz für uns alle zum Unterstellen. Aber er wüßte nicht weit entfernt von einer offenen Waldschmiede, unter deren Dach wir alle Platz hätten. Gesagt, getan, zu 34 ritten wir in der Schmiede ein und staunten nicht schlecht: Der Inhaber der antik-rustikalen Firma war gerade dabei, einem riesigen Zossen ein Paar neue Schuhe anzupassen. Da gab es doch was zu gucken und wie sich dann herausstellte, auch was für das Leben zu lernen, und wenn es ‚nur‘ Allgemeinbildung war. Natürlich fragte der Rektor den Schmied, ob wir uns a) unterstellen dürften und b) ob er uns bei der willkommenen Gelegenheit erklären dürfe, was da alles passiert. Gebrummte Antwort in breitem Westallgäuer Dialekt, mir durch meine Abstammung aus Lindenberg geläufig, also dolmetschte ich unserem Lehrer aus Niedersachsen, der kein Wort verstand: Beides kein Problem, aber die Kinder sollten still sein, der Gaul sei schon durch das Gewitter recht nervös. Wir beobachteten also, wie der Mann sich eine Hinterhand, so heißt das wohl, zwischen die Knie klemmte, erstmal mit einem Meißel das alte, abgelatschte Hufeisen lockerte, es mit einem kräftigen Hieb wieder zurückschlug und dann die nun vorstehenden Nägel mit einer monströsen Kneifzange aus dem Mittelalter herauszog. Ein weiterer kräftiger Hieb von der Seite ließ das Eisen auf dem Boden klingeln, er hob es auf und warf es in eine dröhnende Blechkiste, dann begann er, mit Schlegel und diesmal messerscharfem Meißel das schwarze Horn über der Sohle wegzuschlagen. Ob denn das dem Tier nicht weh tue, wagte ich zu fragen, im Dialekt. Das trug mir wohl einen Stein im Brett des Mannes ein, denn er erklärte tatsächlich, daß diese Arbeit dem Schneiden meiner Zehennägel gleicht und ob denn das weh täte. Er müsse nur darauf achten, daß nicht versehentlich ein Sprung entsteht, der sich nach oben zur Ferse fortsetzen könnte. Das muß sofort fest verbunden werden, denn wenn der Riß sich in den weichen Hautbereich fortsetzte, dann ginge der Gaul ab wie eine Rakete. Er zeigte mit dem Schlegel auf einen sichtlich erneuerten Balken an der Stirnseite der Halle, genau über dem Kopf des Pferdes. An dem habe sich im vergangenen Jahr ein Gaul genau aus diesem Grund selber umgebracht, er sei wenigstens sofort tot gewesen. Als er mit dem Abschälen fertig war, kratzte er mit einem ebenfalls furchtbar scharfen Messer die Hufkuppel aus (den Fachaudruck kenne ich nicht, bin weder Reiter noch Hufschmied noch studierter Veterinär. Abdecker auch nicht), dann zog er den wohl schon vorgefertigten neuen Schuh gelbglühend aus dem Feuer, hielt ihn kurz an den Pferdefuß, zog den Amboß auf Rädern zu sich heran und dann kam Schmiedearbeit nach Klischee: funkensprühendes klingendes Hämmern, immer wieder Paßform kontrollieren bis der Bogen stimmte.
    Dann flog das inzwischen kaum noch glühende Eisen wieder ins Feuer und das Gebläse wurde eingeschaltet. Elektrisch! Hier mitten im Urwald! Sogar die Beleuchtung des Arbeitsplatzes war eine romantische Petroleumlampe, die am Schweifende des Ackergaules angebunden war. Er sah meine großen Augen und grinste: Man müsse ja schließlich mit der Zeit gehen, zum Blasebalgtreten sei er schon zu alt und Lehrbuben habe er keinen. Er schürte die Holzkohle immer wieder zurecht, holte das Eisen kurz heraus und steckte es wieder unter die Kohlen. Es müsse ganz gleichmäßig gefärbt sein, damit es überall rundherum gleich gut hält. Der Mann sprach in Rätseln, aber ich sollte gleich aufgeklärt werden: Während der ganzen Zeit klemmte die Hinterhand zwischen den Knien des Mannes, einem wahren Meister der logistischen Koordination und körperlicher Bewegungsgeometrie. Nun holte er das orangerot glühende Eisen aus dem Feuer, noch ein kurzer Blick, dann setzte er es brutal von unten her auf die Sohle des unbewehrten Hufes. Es zischte laut, qualmte und stank fürchterlich nach verbrannten Haaren, entsetztes Geraune ging durch die Klasse, aber der Schmied drückte ungerührt das nun schnell erkaltende Eisen weiterhin an den Huf, bis es aufhörte zu qualmen. Dann schlug er die übrigens klassisch selbstgeschmiedeten Nägel ein, bandagierte den vom schwarzen Horn befreiten 'Zeh' und setzte den Huf ganz vorsichtig ab. Das Pferd zog ihn nach vorne durch unter den dicken Ranzen und stellte ihn offenbar ohne Reklamation auf den Boden. Das sei ein sehr kritischer Moment, manchmal säße ja ein Nagel nicht richtig und würde das Tier jucken. Da das mit dem Kratzen an der Sohle mit Schuh daran für ein Pferd etwas schwierig bis unmöglich ist, wird die ‚Mücke‘ bestraft. So wie bei unsereinem, aber halt nach Pferdeart! Und deshalb sähe es so aus, als habe er einen dicken Arsch, den er tatsächlich nicht habe. Er sagte tatsächlich ‚Arsch‘, ein Wort das damals auf dem Erziehungsindex stand. Dann holte er grinsend mit seinem Schlegel aus und hieb ihn sich kräftig auf den Allerwertesten. DONG !!!! Dickes Blech, sehr nützlich bei Pferdetritten, auch wenn er dann ein paar Meter weit flöge. Von der Bauchlandung aufgeschürfte Hände sind allemal weniger schlimm als ein Knochenbruch.
    Die Schmiede gibt es längst nicht mehr, an ihrer Stelle liegen noch ein paar geschwärzte Balken herum und die gemauerten Sockel der Stützbalken sind noch zu sehen. Auch der Schmied dürfte schon den Weg alles Irdischen gegangen sein. Vielleicht liest er das ja und freut sich, daß sich jemand nach so langer Zeit noch so detailiert an ihn erinnert.
    Aber auch ohne diese Schmiede ist das Eistobel für jeden, den es in meine Heimatregion Unterallgäu verschlägt und der sich noch halbwegs aufrecht bewegen kann, allemal einen Ausflug wert. Nicht zu empfehlen ist leider die Zeit zwischen Mitte Juli und Mitte September, in die die bayerischen und baden-württembergischen Sommerferien fallen. Dann ähnelt der Wanderweg im Tal recht fatal der ‚Love-Parade‘ und das Tosen des Flusses geht im Tourismuslärm unter. Das ist nur eine persönliche Empfehlung, da mir und auch meiner meistens besseren Hälfte das sinnenbetäubende Grundrauschen der Natur mehr gibt als synthetischer Krawall.

    geschrieben für:

    Freizeitanlagen in Grünenbach im Allgäu

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    demayemi ges. geschützt Dankeschön, endlich einer, der sich für die Natur interessiert.
    Ist jetzt langsam aber sicher steigeisenpflichtig. Nicht vergessen, dort drunten ist es generell 2 Monate kälter als oben.
    kisto Der Beitrag ist zwar schon alt, aber ich gratuliere trotzdem noch zum grünen Eistobel-Daumen. Zu verdanken hast du dies ja auch deinem Rektor, der dich gerettet hat und ohne den es deinen Beitrag sonst wahrscheinlich nicht gegeben hätte. Erstaunlich finde ich auch die detaillierte Beschreibung des "Pferde-Schusters" und dessen Arbeit nach so langer Zeit. bearbeitet
    demayemi ges. geschützt Ich habe mir nicht umsonst erlaubt, die Arbeit des Hufschmiedes so detailliert zu beschreiben, ahne ich doch, dass das Wissen darüber fast ausgestorben sein dürfte. Heutzutage sind die Hufschmiede mobil und klappern mit kompletter Ausrüstung die Pferdeställe ab.

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