Der kleine jüdische Friedhof in Günterberg (Land Brandenburg / ca. 65 km nordöstlich von Berlin) bei Angermünde ist ein bisschen symptomatisch für den Umgang mit jüdischen Leben, jüdischer Kultur und jüdischer Tradition in diesem unseren Land.
Während andernorts auf Kriegsgräberstätten und historische Friedhöfe hingewiesen wird, ist das hier nicht der Fall, obwohl der Begräbnisplatz direkt an der östlichen Seite der Bundesstraße B198 liegt - gegenüber der Zufahrt zum Gehöft „Neu-Günterberg... weiterlesen
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Fährt man Richtung Norden, verdecken Bäume die Sicht, fährt man Richtung Süden sieht man die Grabsteine auf dem Hügel erst im letzten Augenblick – zu spät für einen spontanen Halt auf einer 100er Strecke. Bleibt nur Weiterfahrt zur nächsten Wendemöglichkeit ...
Parken vor Ort ist auch ein Problem. Es gibt einen an dieser Stelle sehr breiten Randstreifen oder die Einfahrt auf einen Feldweg.
Viele Jahrzehnte wurden die verstorbenen Juden aus dem Synagogenbezirk Greiffenberg auf dem ca. 8 km entfernten jüdischen Friedhof in Angermünde beigesetzt.
Da nach dem jüdischen Glauben die Toten ewiges Ruherecht genießen, werden anders als auf christlichen Friedhöfen die Grabstellen im Laufe der Zeit nicht erneut belegt. Anfang des 19. Jahrhunderts war der Angermünder Friedhof derart voll, dass die Angermünder die Beisetzungen aus benachbarten Synagogenbezirken verweigerten.
Da in Greiffenberg keine Flächen für einen jüdischen Begräbnisplatz zur Verfügung standen, suchte man ein anderes Areal und fand es ca.3 km nördlich des Ortes auf einem Hügel an der Straße Greiffenberg – Schmiedeberg (heute B198 / Neu-Günterberg - Ortsgebiet Günterberg).
1809 wurde dort der Friedhof für die Greiffenberger Juden angelegt.
Groß kann die jüdische Gemeinde in Greiffenberg nicht gewesen sein, denn in ca. 100 Jahren gab es nur 15 Beisetzungen (andere Quellen nennen die Zahl 10).
Nach der Erweiterung des jüdischen Friedhofs Angermünde wurden ab ca. 1900 die Beisetzungen wieder dort durchgeführt. Der Friedhof in Günterberg wurde geschlossen, blieb aber bestehen. Bis 1938 hatten die Toten ihre Ruhe. Während der Reichskristallnacht im November 1938 zog der örtliche Nazimob zusammen mit der fanatisierten Bevölkerung zum Friedhof und schändete ihn: Grabsteine wurden umgeworfen und zerschlagen, die Grabstellen verwüstet.
Die Greiffenberger Juden wurden später ausnahmslos deportiert und vermutlich in den Vernichtungslagern der Nazi‘s ermordet. Das jüdische Leben in Greiffenberg war ausgelöscht und ist bis heute nicht zurückgekehrt.
In den folgenden Jahrzehnten wuchs buchstäblich Gras über die Sache. Die Natur holte sich den Friedhof zurück, vermutlich zur Freude der örtlichen Bevölkerung, die nicht sonderlich gerne an ihre Schandtat von 1938 erinnert werden wollte!
Das mit dem Vergessen änderte sich 1964. Die DDR erkannte den Hügel als jüdischen Friedhof an und die evangelische Kirchengemeinde Greiffenberg richtete den Friedhof wieder her, stellte noch vorhandene Grabsteine sowie einen Gedenkstein auf.
Diesmal währte die Ruhe über 40 Jahre. Nach der Wiedervereinigung krochen in den neuen Bundesländern die Antisemiten und Neonazi‘s aus ihren Löchern und zeigten ihre hässliche Fratze.
Mitte Januar 2008, fast 70 Jahre nach der Reichskristallnacht, wurde der Friedhof erneut verwüstet, vermutlich von Personen aus dem rechten Umfeld. Wieder wurden Grabsteine umgestürzt, zerschlagen und mit einem Hakenkreuz beschmiert. Erst Tage später wurde die Tat entdeckt. Die Täter wurden scheinbar nicht ermittelt.
Steht man heute auf dem kleinen Plateau des Hügels, ist von einem Friedhof nicht mehr viel zu sehen. Es gibt ein paar Grabsteinsockel, wenige noch erhaltene Grabsteine, Trümmer zerschlagener Grabsteine und den Gedenkstein von 1964 mit Davidstern und einer Inschrift auf hebräisch und deutsch:
„Und der Ewige sprach zu Abram:
Ich werde segnen, die dich segnen und verfluchen,
die dich verfluchen und in die sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden, (1. Mose 12.3)
Zur Erinnerung an die israelitische Gemeinde Greiffenberg auf ihrem Friedhof im Gedenken an die jüdischen Opfer unter dem Faschismus. 1964 von Juden und Christen errichtet“.
Wieviele Sterne gibt man so einem Ort nun? Am liebsten würde ich es bei der puren Beschreibung belassen – geht aber nicht.
Ich gebe 4 Sterne – als Gedenkort für vernichtetes Leben und ausgelöschte jüdische Kultur in der Uckermark und zur Erinnerung an den Antisemitismus in Vergangenheit und Gegenwart![verkleinern]