Bei DDR-Denkmälern im Zusammenhang mit Sowjetunion und Roter Armee denkt man meist an was bombastisch-heroisch-sozialistisch-realistisches. Aber es ging auch schlicht und einfach, wie die Kienitzer Stele in Erinnerung an den ersten Brückenkopf der Roten Armee auf dem Westufer der Oder von 1945 bei Kienitz (60 km östlich von Berlin, 40 km nördlich von Frankfurt/O) zeigt.
Es dauerte überhaupt sehr lange, bis die DDR-Führung dieses bedeutsame Ereignis aus der Endphase des 2. Weltkrieges für... weiterlesen
sich entdeckte. Die Rote Armee bzw. die Sowjetunion würdigte den Oderübergang mit keinem Denkmal. Vermutlich hatte die Rote Armee auf ihrem Weg zur Reichshauptstadt Berlin in den fast 4 Kriegsjahren zu viele Flüsse überquert.
So dauerte bis 1970, ehe der damalige Bürgermeister von Kienitz ein Denkmals im Ort mit einem T-34-Panzer (aus NVA-Beständen) auf einem Sockel errichten ließ (siehe Golocal: Kienitz „Panzer-Denkmal“). Das „staatliche“ Denkmal, die Kienitzer Stele, wurde erst am 5.11.1987 eingeweiht!
Standort der Stele ist der Oderdeich am südlichen Ortsausgang von Kienitz an der sogenannten alten Fährstraße, die bis Kriegende zur Oderfähre von Kienitz ins neumärkische Piese (heute Porzecze / Polen) führte.
Die Stele aus Edelstahl ist ein mehrere Meter hoher, schmuckloser, aufrecht stehender Quader. An der östlichen Seite steht ganz oben die Jahreszahl 1945. Etwa auf Augenhöhe wurden einige wenige Fotos und Sprüche eingeätzt, die heute mehr zu erahnen als zu erkennen sind. Auf der Westseite ist noch schwach das Bild von Rotarmisten auf dem Berliner Brandenburger Tor zu erkennen. Darunter steht ein Zitat aus einem Brief des damaligen Leutnants und späteren DDR-Regisseurs Konrad Wolf, der als junger deutscher Exilant in den Reihen der Roten Armee kämpfte:
„Die Offensive verleiht uns ein grenzenloses Maß an Energie,
um noch schneller dem faschistischen Unrat ein Ende zu setzen.“
Neben der Stele informiert eine Tafel über die Geschehnisse am und um den 31.1.1945, den Tag der Brückenkopfbildung.
Von der Stele kann man die alte Fährstraße bis zur Oder laufen und vom ehemaligen Fähranleger einen Blick auf den Fluß, das östliche Oderufer und die insgesamt herrliche Landschaft werfen.
31.1.1945:
Auf ihrem Weg Richtung Westen hatte die Rote Armee Ende Januar mit der Oder das letzte große natürliche Hindernis vor der Reichshauptstadt Berlin erreicht. Im Eiswinter 1944/45 war die Oder zugefroren. Am 31.1.1945 gelang es einer Einheit der 5. sowjetischen Stoßarmee unter Generalleutnant Bersarin (später bis zu seinem Unfalltod sowjetischer Stadtkommandant von Berlin) aus der Bewegung heraus, die zugefrorene Oder zur Überraschung der Wehrmacht bei Kienitz zu überwinden und einen Brückenkopf zu bilden, der gehalten werden konnte. Wegen der dünne Eisdecke konnte zunächst nur leichte sowjetische Artillerie in den Brückenkopf verlegt werden. Der Versuch, mit Panzern den Fluß zu überqueren scheiterte zunächst, 2 T-34 brachen am Ostufer ins Eis ein.
Eilig herangeführte Wehrmachtseinheiten versuchten vergeblich, den sowjetischen Brückenkopf aufzulösen. Die deutsche Luftwaffe bombardierte Kienitz und den kleinen Kienitzer Hafen, in dem zahlreiche Boote und Schiffe mit Flüchtlingen aus Schlesien und Ostpreußen Schutz gesucht hatten. Eine bis heute unbekannte Zahl Flüchtlinge kamen bei den Kämpfen und dem Bombardement ums Leben. Die Kienitzer Bevölkerung wurde von der Roten Armee zum größten Teil aufs Ostufer der Oder in die Neumark evakuiert.
Nach dem Ende der Kämpfe um Kienitz Mitte April 1945 war das Dorf zu 80% zerstört, tausende deutsche und sowjetische Soldaten sowie deutsche Zivilisten waren gefallen, verwundet oder vermißt. Den Fall Berlins und die Kapitulation der Wehrmacht konnten die Kämpfe um Kienitz nicht aufhalten.
Fazit: Schlichtes, ja zeitlosen Denkmal für ein entscheidendes Ereignis in der Schlußphase des 2. Weltkriegs und die vielen sinnlos Gestorbenen beider Seiten.
Zusammen mit der idyllischen und heute so friedlichen Landschaft gebe ich der Location 4 Sterne.[verkleinern]